Doping-Serie Teil 5: EPO – Der Powerstoff der 90er istockphoto.com/NiDerLander

Doping-Serie Teil 5: EPO – Der Powerstoff der 90er

  • Marco Heibel
Es war das Dopingmittel der 90er: EPO. Kaum nachzuweisen und leistungssteigernd, wurde es vor allem im Radsport flächendeckend eingesetzt, wie zahlreiche Dopinggeständnisse zeigen. Doch was genau ist EPO und warum war es lange so schwer nachzuweisen?

EPO ist ein Peptidhormon, das von allen Säugetieren produziert wird. Der Mensch stellt es vorwiegend in der Niere her. EPO stimuliert die Produktion der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) in den Stammzellen des Knochenmarks. Diese Erythrozyten binden in der Lunge Sauerstoff und transportieren ihn zur Versorgung der Zellen in die verschiedenen Körperregionen. EPO ist also ein ganz „normaler“ Stoff, noch dazu ein wichtiger: Je höher die Zahl der Erythrozyten, desto höher die Sauerstoffaufnahmekapazität und folglich die Ausdauerfähigkeit.

Ein Durchschnittsmensch kann den Bedarf seines Körpers allein durch dieses selbst produzierte EPO (= humanes EPO bzw. hEPO) decken. Nieren- und Krebskranke, die aufgrund einer Dialyse, Knochenmarktransplantation oder Chemotherapie unter Blutarmut (Anämie) leiden, haben dagegen ein EPO-Defizit. Lange Zeit versuchte die Medizin vergeblich, diesen Mangel allein durch die Verabreichung von Eisen auszugleichen.

Erst die Entwicklung von künstlich hergestelltem EPO in den 1980er Jahren sorgte für eine deutliche Verbesserung des Blutbildes bei Kranken. Es war der medizinischen Forschung gelungen, Erythropoetin künstlich aus genetisch veränderten Eizellen des Chinesischen Hamsters herzustellen. Dieses synthetische EPO (auch rekombinantes Erythropoetin bzw. rEPO) kam 1989 auf dem Markt.

Künstliches EPO wird mittels einer Injektion entweder subkutan (unter die Haut) oder intravenös (in eine Vene) verabreicht. Die Injektionshäufigkeit hängt von mehreren Faktoren ab. Zudem verstärkt sich die Wirkung etwa noch durch die Applikation zusätzlicher Hormone.

Der Sport bedient sich bei der Medizin


Bereits kurz nach der Marktreife wurde das Medikament nicht mehr nur von kranken Menschen konsumiert. Auch Ausdauersportler entdeckten schnell die Vorzüge von EPO, das seit 1990 auf der Dopingliste steht. Durch die regelmäßige Einnahme von synthetischem EPO konnten sie Effekte erzielen wie sonst nur nach mehrwöchigem Höhentraining: Anstatt den Körper durch Belastung in sauerstoffarmer Umgebung gewissermaßen zur Produktion von Erythrozyten zu „zwingen“ (Hypoxie), konnte durch gezielte EPO-Dosierung der gleiche Effekt erzielt werden.



Gefahrlos ist das Doping mit EPO allerdings nicht: EPO ist für Menschen mit Mangelerscheinungen konzipiert worden, nicht für Gesunde. Wenn also ein Mensch mit ausreichend hEPO zu viel rEPO zu sich nimmt, wird sein Blut zu dick. Die Folge ist ein erhöhtes Thrombose-Risiko (Verklumpung des Blutes). Auch die Herzinfarkt- bzw. Hirnschlagwahrscheinlichkeit nimmt zu.


Nachweisbarkeit von EPO-Doping


Jahrelang bot EPO den Vorteil, in Dopingkontrollen nicht nachweisbar zu sein. Das vom Organismus produzierte Erythropoetin (hEPO) konnte nicht vom synthetisch hergestellten rEPO unterschieden werden. Bis vor wenigen Jahren war es lediglich möglich, EPO-Konsum anhand des Hämatokritwertes (Verhältnis zwischen festen und flüssigen Bestandteilen im Blut) zu indizieren. Bei einem zu hohen Wert bekamen die betroffenen Sportler allerdings nur eine Schutzsperre aufgebrummt.

Diese Methode war und ist allerdings umstritten. Zum einen wurde der Grenzwert von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) relativ willkürlich gesetzt (50 Prozent). Zum anderen gibt es Athleten, die von Natur aus einen höheren Hämatokritwert haben als der Durchschnitt. Auf diese Weise konnten in der Vergangenheit Sportler mit einem zu hohen Wert immer wieder Ausnahmeregelungen bzw. verkürzte (schutz-)Sperren erwirken.

Im Jahr 2000 entwickelten die französischen Forscher Lasne und de Ceaurriz schließlich ein Verfahren zum direkten Nachweis von rEPO im Urin: Durch die IEF-Methode (Isoelektrische Fokussierung) ist die Forschung in der Lage, die unterschiedlich schweren humanen und rekombinanten EPO-Moleküle elektrisch voneinander zu trennen. So lässt sich sicher feststellen, ob ein Sportler mehr als das von ihm selbst produzierte Erythropoetin im Körper hat. Allerdings konnten die Franzosen EPO nur zwei Tage nach der Einnahme nachweisen. Im selben Jahr entwickelte ein australisches Forscherteam einen EPO-Bluttest, der die Substanz bis zu sechs Wochen nach der Aufnahme nachweisen kann.

2007: Lawine der Dopinggeständnisse in Deutschland


Seitdem ist es riskant geworden, mit EPO zu dopen. Dementsprechend sind die meisten dopingwilligen Sportler in den letzten Jahren auf andere Mittel umgestiegen, wie etwa CERA.

Nichtsdestotrotz rückte EPO im Jahr 2007 noch einmal kurzfristig ins Blickfeld der (deutschen) Öffentlichkeit. Ausgelöst von dem Dopinggeständnis des ehemaligen Team-Telekom-Radrennfahrers Bert Dietz, bekannten sich in den folgenden Tagen immer mehr ehemalige Fahrer des Bonner Rennstalls dazu, ebenfalls EPO genommen zu haben. Darunter waren so prominente Namen wie Bjarne Riis (Tour de France-Sieger 1996), Erik Zabel oder Rolf Aldag. Angesichts dieser Enthüllungslawine, gestanden schließlich auch die Team-Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid, systematisches Doping betrieben zu haben.

Erstaunlicherweise war (EPO-)Doping während der unmittelbar darauf folgenden Tour de France im Ausland allenfalls ein Randthema, während sich hierzulande im Verlauf der Rundfahrt sogar ARD und ZDF aus der Berichterstattung zurückgezogen haben (Auslöser: Dopingfall Patrik Sinkewitz). Der Vergangenheit schien man dort eher weniger Beachtung geschenkt zu haben. Erst die Gegenwart, sprich die „wundersame“ Leistungsexplosion des damaligen Dominators Michael Rasmussen, machte viele Leute im Ausland wieder hellhörig…

Im nächsten Teil der Serie: CERA – Die nächste Stufe der EPO-lution

Marco Heibel

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten