Ex-Rollstuhlbasketballerin Edina Müller: Mit dem Kajak nach Rio Josef Opfermann

Ex-Rollstuhlbasketballerin Edina Müller: Mit dem Kajak nach Rio

  • Derk Hoberg

Edina Müller war Nationalspielerin im Rollstuhl-Basketball und hat mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Paralympischen Spielen 2012 in London Gold gewonnen. Nach ihrem Karriereende im letzten Sommer hat sie ein neues Ziel. Dafür tauscht sie den Basketball gegen ein Paddel.

Von Josef Opfermann

Nieselregen, Wind und Wellen. So ganz geheuer ist Edina Müller das nicht, an einem kalten Samstag im Februar. Es gibt schöneres Wetter, um auf der Hamburger Außenalster zu trainieren. Doch die 31-Jährige hat ein Ziel vor Augen: Sie will noch einmal an den Paralympischen Spielen teilnehmen. Diesmal im Kajak. Also nichts wie rein ins Boot und raus aufs Wasser, ihr neues Element.
Nach ihrer mit Paralympics-Gold veredelten Karriere als Rollstuhl-Basketballerin, die sie 2014 beendete, suchte die gebürtige Kölnerin eine neue Herausforderung. Doch wie kommt sie darauf, noch einmal in einer anderen Sportart auf Leistungsniveau zu trainieren? „Ich habe schon lange mit meinem Freund ein großes Faltboot und ein kleines Seekajak, mit dem wir oft auf dem Wasser sind. Ein befreundeter Renn-Kanute hat mich dann letzten Sommer zum Bundestützpunkt nach Halle eingeladen. Ich solle doch mal Rennkajak ausprobieren“. Danach meinte Bundestrainer Mathias Neubert, gleichzeitig Chefcoach des Hallenscher Kanu-Clubs, zu seinem Gaststar: „Das sieht ganz gut aus bei Dir. Mach weiter!“

Bis zum April dieses Jahres will die dreimalige Rollstuhl-Basketball-Europameisterin und Inhaberin des Silbernen Lorbeerblattes in Topform sein. Dann steht der erste große Härtetest an: Die Sichtung für die Para-Kanu-Nationalmannschaft des Deutschen Kanu-Verbandes. Dort entscheidet sich, ob und wie es für die Wahl-Hamburgerin weitergeht. Bei einer erfolgreichen Sichtung und der Berufung in den Nationalmannschaftskader winken die Teilnahme an Europa- und Weltmeisterschaften sowie an den Paralympischen Spielen 2016. „Egal was bei der Sichtung heraus kommt: Weiter Kanu fahren werde ich auf jeden Fall. Das Größte wäre, es nach Rio zu schaffen. Nochmal zu den Paralympics. Darauf arbeite ich auf jeden Fall hin“, zeigt sich Edina auf dem Portal der Deutschen Paralympischen Mannschaft entschlossen.

Rio ist ein ambitioniertes Ziel für Müller, zumal sie erst seit einem dreiviertel Jahr beim Hamburger Kanu Club trainiert. Aus ihrer ersten Sportlerkarriere hat sie jedoch mitgenommen, immer das Maximum anzustreben. „Dass man immer ein hohes Ziel hat, das kommt auch durch die Basketball-Erfahrungen, die ich gemacht habe. Wenn mal etwas nicht klappt, ist es auch kein Weltuntergang. Aber ein Ziel vor Augen zu haben, hilft einem immer“, sagt sie. Ihr Hamburger Trainer, Jens Kröger, glaubt, dass Müllers Paralympics-Erfahrung und ihre Entwicklung in den letzten Monaten für eine erfolgreiche Sichtung im April sprechen. Er lobt den Ehrgeiz seiner ‚Schülerin’: „Es ist einfach, sie zu motivieren. Sie kämpft richtig, wenn es darum geht, ein Trainingsziel zu erreichen. Sie gibt nie auf." Diese Zielstrebigkeit ist es auch, die Edina Müller obendrein zum Vorbild für andere Athleten werden lässt.

Hauptberuflich arbeitet sie als Sporttherapeutin am Berufsgenossen-schaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg (BUK). Dort im Quer-schnittszentrum hilft Edina ihren Patienten, die wie sie querschnittsgelähmt sind, einen Schritt zurück in einen halbwegs normalen Alltag zu schaffen. Mit ihrem Neuanfang im Kanusport will sie auch ihren Patienten ermutigen. Ihr Motto: Einfach machen. „Einfach alles ausprobieren, was angeboten wird. Auch wenn du danach sagst, dass es nichts für dich ist.“ Im und auf dem Wasser fühlt sie sich ohnehin wohl: „Mein Freund und ich gehen viel tauchen. Es ist eine perfekte Freizeitaktivität für Menschen im Rollstuhl. Durch die fehlende Schwerkraft kannst du dich in jede Richtung drehen. Ich bin da total begeistert von“, sagt Edina.

Für ihr wöchentliches Training, Trainingslager und die anstehende Sichtung wird sie von ihrer Arbeit freigestellt. An das Boot und die Wellen musste sie sich erst gewöhnen. „Das ist wackelig. Es dauert ein bisschen, bis man sein Gleichgewicht gefunden hat, bis man sich wirklich sicher fühlt. Dafür muss man einfach viel fahren. Es kann auch mal sein, dass man mit dem Boot umkippt. Das ist bei den Temperaturen im Winter nicht so angenehm. Im Sommer aber ist das kein Problem“, beschreibt Edina ihre Anfänge. Ihr Ziel ist die paralympische Kanu-Sprintstrecke über 200 Meter. Für die Kadernorm muss sie diese 200 Meter in unter 1:02 Minuten absolvieren. Wenn es damit im April noch nicht klappen sollte, gibt es dieses Jahr im Dezember noch einen weiteren Sichtungstermin.

Doch nicht nur Rio ist ihr Ziel. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung liegt Müller ebenfalls am Herzen. Auch deswegen der Wechsel aus der Halle aufs Wasser: „Para-Kanu ist sogar noch ein bisschen integrativer als Rollstuhl-Basketball, weil du dich hier im Training mit den anderen Kanuten auch ins Boot setzt und einfach losfährst. Sobald du im Boot sitzt, ist da kein Unterschied mehr.“ Bisher ist Edina Müller die einzige Para-Kanutin, die beim HKC trainiert. Doch dank ihrer positiven Einstellung und einer eventuell erfolgreichen Kadersichtung könnte sich das mittelfristig durchaus ändern.

 

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