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Ski alpin – Fahrtechniken im Wandel

  • Christian Riedel
Wer seit rund 30 Jahren Ski fährt, musste seinen Fahrstil so manches Mal umändern. Vor allem die technischen Veränderungen durch den Durchbruch des Carvingskis machten auch die Veränderung der Fahrtechnik notwendig. Doch wie hat alles angefangen und was ist der heutige Stand?

„Ein wichtiges Ziel beim Sport ist es, Automatismen zu entwickeln“, sagt Marc Degold, Skilehrer in Mariapfarr/Fanningberg im Lungau (Österreich). „Durch langes Training schafft man es irgendwann, dass man sich auf die Bewegungen nicht mehr konzentrieren muss. Umso schwieriger ist es, sich festgefahrene Bewegungsmuster wieder abzugewöhnen. Doch genau das muss man, wenn man beim Skifahren mit der Zeit gehen will.“ Schließlich haben technische Veränderungen der letzten Jahre auch Änderungen der Fahrtechnik nötig gemacht.

So fuhr man zu Vaters Zeiten

Knie zusammen, Bergschulter vor, Talski belasten, aufrecht bleiben – so lauteten zumindest vor der Entwicklung des Carvingskis die Kommandos der Skilehrer. Wer großen Wert auf seinen Fahrstil legte, versuchte dam auch nachzukommen. Als perfekte Technik kalt das Wedeln mit möglichst eng geführten Skiern, das Gewicht auf den Talski gelegt und der Oberkörper aufrecht. Bei einigen sollte ein Abknicken der Ellenbogen für zusätzliche Eleganz sorgen. Aus heutiger Sicht ist die Technik ebenso veraltet wie die Ski ohne Taillierung.

Der erste Wechsel

Mit dieser Technik war erst einmal Schluss, als in den späten 90er Jahren die Carvingski ihren Durchbruch schafften. Die taillierten Ski brachten auch eine neue Fahrweise mit sich. Doch gerade zu Beginn der Carving-Zeit lehrte fast jeder Skischule und jeder Skilehrer eine eigene Technik. Von einer einheitlichen Fahrweise konnte noch keine Rede sein.

„Gemeinsam hatten die Fahrweisen, dass man von der engen Skiführung abwich“, sagt Marc. Was man sich mühsam antrainiert hat, musste man sich nun wieder abgewöhnen, was so manchem klassischen Skifahrer schwer fiel. „Um sicher auf dem Ski zu stehen und die Taillierung ausfahren zu können, war eine schulterbreite Fahrweise die Grundvoraussetzung. Der Parallelschwung mit den Knien aneinander hatte ausgedient.“

Wie man auf dem Ski stand, hing vor allem von der Fahrweise ab. Je extremer die Taillierung, desto mehr Gewicht musste man auf den Innenski legen. Teilweise übte man sogar, in der Kurve den Außenski anzuheben, um das komplette Gewicht auf den Innenski zu bringen. So konnte man eine extreme Fahrweise auf den extrem taillierten Funcarvern einnehmen und die engsten Radien fahren.

Vor allem die Herangehensweise unterschied sich deutlich, wobei allen gemeinsam war, dass man versuchte, die Skischüler auf die Kante zu bringen. Die einen Schulen versuchten dies durch einen Knick mit den Knien, andere mit der Hüfte und die dritten, indem die Schüler den gesamten Körper zur Kurveninnenseite kippten. Ab und zu wurde gelehrt, beim Skifahren die Skier ähnlich wie beim Inline-Skaten auseinander zu führen, um so auf die Kante zu kommen. Zusammengefasst: Es gab eine Vielzahl von verschiedenen Techniken, die sich nach den unterschiedlichen Skier richteten.

Stand heute

Mittlerweile geht die Entwicklung neuer Skier nicht mehr ganz so schnell voran. Modelle wie die extremen Funcarver werden kaum noch gefahren. Entsprechend hat sich in Österreich und Deutschland auch eine einheitliche Fahrweise durchgesetzt. Dabei steht der Spaß im Vordergrund und nicht, einen perfekten Stil zu beherrschen wie es seinerzeit beim Parallelschwung der Fall war.

„Auf der Piste wird heute grundsätzlich mit einer hüft- bis schulterbreiten Beinstellung gefahren“, erklärt Marc die heutige Fahrweise. „Das gibt der Fahrweise mehr Stabilität. Wichtig ist, dass der Talski deutlich mehr belastet wird als der Bergski. Tatsächlich ist man heute wieder dazu übergegangen, in der Kurve den Innenski so weit es geht zu entlasten. Bei Anfängern kann man zum Einstieg üben, in der Kurve den Innenski anzuheben, um so die Gewichtsverteilung zu schulen. Die Skier sind dabei in einer leichten Schrittstellung, wobei der Bergski etwas nach vorne geschoben wird, damit man auch den Oberkörper Richtung Tal öffnen kann.“

Unterscheiden muss man noch zwischen Carving und Kurven schneiden. Durch die Taillierung der Ski kann man keine Kurve mehr fahren, ohne dass diese die Kurvenfahrt beeinflusst. Auch bei den Kurven die man driftet, hat man einen Carving-Anteil. Was man früher als Carving bezeichnete, also das Durchfahren der Kurve wie auf Schienen, wird heute von einigen Skischulen als Kurven schneiden bezeichnet. Dies erfordert aber mehr Kraft und auch eine Gewichtsverlagerung auf beide Ski.

Rock it

„Einen neuen Schub hat das Skifahren in den letzten Jahren durch die Rocker-Technologie bekommen, die ja seit heuer richtig durchgestartet ist“, sagt Marc. „Hier ist der Ski vor allem im vorderen Bereich (meist die ersten 20 cm) sehr weich. Dies bewirkt, dass man noch leichter in die Kurve kommt. Der Rocker ist also eine Weiterentwicklung der Carvingtechnik, die ursprünglich vom Powdern kommt, damit man mehr Auftrieb hat. Auf der Piste bringt es, wie gesagt, sehr viel für eine noch aktivere Fahrweise.“ Wie sich die Technik durch Rocker Ski weiter entwickeln wird, wird dann die Zukunft zeigen.

Ansonsten vertritt man eher die Einstellung, dass der Spaß und nicht der Stil im Vordergrund stehen soll. Eine richtige oder falsche Fahrweise, wie sie noch in den 80er Jahren gelehrt wurde, gibt es heute nicht mehr. Ob man nun Hoch-Tief entlastet, mit oder ohne Stockeinsatz fährt oder die Kurven driftet oder carvt, ist egal. Sofern man sicher auf dem Ski steht und angepasst an sein Können und die Geschwindigkeit fährt, kann man fahren wie man möchte.

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