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Der Fall (des) Lance Armstrong

  • Martin Imruck
Lance Armstrong gehörte einst zu den Lichtgestalten des Radsports. Zwischen 1999 und 2005 triumphierte der heute 41-jährige Texaner bei der Frankreichrundfahrt Tour de France gleich sieben Mal in Folge. Seine Erfolge und Rekorde wurden stetig von Dopingvorwürfen begleitet, doch seine Fans glaubten Armstrong, der seine Unschuld stets beteuerte. 2012 dann die unerwartete Wende.

Armstrong will sich nicht weiter gegen die zunehmenden Vorwürfe wehren. Die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) überführt Armstrong des professionellen Dopings in großem Stil. Die Folgen sind sowohl für den Radsport, als auch für Armstrong und seine treuesten Fans eine Katastrophe.

Die Radsportwelt hat in den vergangenen Jahren viele Dopingvorwürfe gesehen, die Liste ist lang: Jan Ullrich, Erik Zabel, Alexander Winokurow, Floyd Landis oder Alberto Contador sind nur die prominentesten Fälle. Zahleiche Profis wurden des Dopings beschuldigt, überführt oder beugten sich dem Druck der Öffentlichkeit und gestanden. Auch Lance Armstrong, sicherlich einer der bedeutendsten Fahrer der letzten 15 Jahre, ging endgültig in die Knie. Er verkündete, wohl auch der eigenen Schuld bewusst, dass er sich nicht weiter gegen die Anschuldigungen zur Wehr setzen würde.

Im Anschluss stürzte sich die USADA auf den Dopingvorwürfe um den Rekordgewinner der Tour de France und Schritt für Schritt wurde das Ausmaß des Dopingsumpfes bekannt, in dem sich Armstrong lange Jahre bewegt hatte. Nachdem Armstrong des Dopings überführt war, hat es nun einen Beschluss gegeben, der Armstrong und dem gesamten Radsport erneut einen gewaltigen Schaden zufügen wird.

Der Radsport-Weltverband (UCI) hat Armstrong alle Titel aberkannt, die er seit dem 1. August 1998 gewonnen hat. Damit reagierte der UCI mit äußerster Konsequenz auf die aufgedeckten Einzelheiten im Fall Armstrong.

Entwicklung der Dopingvorwürfe gegen Armstrong

Erstmals wird Lance Armstrong 1999 mit Dopingvorwürfen konfrontiert. Bei der Tour de France wird er positiv auf Steroide getestet. Der Amerikaner reicht jedoch eine medizinische Ausnahmegenehmigung ein und entgeht einer Sperre. Noch im selben Jahr gewinnt er die Tour zum ersten Mal.

Im Anschluss dominiert der Texaner eine Tour nach der anderen. Ab 2004 häufen sich jedoch die Anschuldigungen gegen den Rekordchampion des größten Radsportereignisses der Welt. Nach seinem siebten Sieg in Folge dann die nächste Schlagzeile: Es wird bekannt, dass in sechs eingefrorenen Blutproben, die Armstrong zugeordnet wurden, EPO nachgewiesen wurde. Weil die A-Probe aber bereits vernichtet wurde, spricht der UCI Armstrong von den Dopingvorwürfen frei. Während Armstrong 2005 seinen Rücktritt erklärt hatte und seine Karriere vorerst beendete, fanden die Diskussionen um ihn kein Ende.

Viele forderten ihn auf, zurückliegende Proben zu erneuten Untersuchungen freizugeben. Armstrong lehnte ab. Nach Armstrongs Tour-Comeback 2009 legte der frühere Radprofi und Teamkollege von Armstrong, Floyd Landis, 2010 ein Dopinggeständnis ab. Er erhebt ebenfalls schwere Vorwürfe gegen den Fahrer des früheren US-Postal-Teams. Der Rekordsieger der Tour ließ diese Aussagen unkommentiert und zog sich nach seiner letzten Tour 2010 endgültig vom Profi-Radsport zurück. Doch die Anschuldigungen ebbten trotzdem nicht ab.

Auch der ehemalige Radprofi Tyler Hamilton will vom Doping Armstrongs gewusst haben. Im Juni 2012 stellt die USADA Armstrong dann ein Schreiben zu, in dem alle Anklagen niedergeschrieben wurden. Die USADA fordert, dass Armstrong suspendiert und lebenslang gesperrt wird. Außerdem sollen seine Titel aberkannt werden. Der Amerikaner verkündet daraufhin, dass er sich fortan nicht weiter gegen die Vorwürfe zur Wehr setzten werde.

Am Montag hat die UCI bekannt gegeben, dass man den Forderungen der USADA nachkommen werde. Somit wird Armstrong entthront. Diverse Bestechungen, Drohnachrichten und Dopingprogramme kamen während der Untersuchungen ans Licht. Am Freitag wird eine erneute Sitzung der UCI darüber beraten, wie man weiter verfahren wird. Im Raum steht noch, was mit den Titeln geschieht, also ob sie weitergegeben werden oder nicht. Außerdem soll über die Preisgelder beraten werden. Armstrong könnte dazu verurteilt werden, die gesamte Summe oder nur einen Teil zurückzuzahlen.

Die Erben der Ära Armstrong

Sollte die Sondersitzung des UCI beschließen, dass die Titel weitergegeben werden, hat das auch Auswirkungen auf deutsche Fahrer. Jan Ullrich beispielsweise beendete gleich dreimal die Tour auf Platz zwei (2000, 2001 und 2003). Auch Andreas Klöden schloss die Tour auf dem zweiten Rang ab (2004). Die beiden Fahrer werden zwar nach wie vor des Dopings verdächtigt, jedoch hat es bislang keine Nachweise gegeben, weshalb sie als potentielle Nachfolger in Frage kämen.

Jan Ullrich stellte jedoch klar, dass es für ihn keinerlei Bedeutung habe, wenn er die Titel nachträglich zugesprochen bekäme. „ Ich werde mich sicherlich nicht mit fremden Federn schmücken“, sagte der Tour-Sieger von 1997 dem Nachrichtenmagazin Focus.

Konsequenz der UCI als Chance

Das schnelle und eindeutige Urteil des UCI könnte eine Chance sein, das dunkle Kapitel der letzten Jahre zu beenden. Mit der resoluten Entscheidung im Fall Armstrong soll ein deutliches Zeichen für die Radsport-Zukunft gesetzt werden. Der Präsident des UCI, Pat McQuaid, will den Blick nach Vorne richten und mit den nicht abreißenden Dopingmeldungen abschließen.

Darin könnte für den Profi-Radsport die Chance liegen, den entstandenen Imageschaden vergessen zu machen und eine Art Neustart hinzulegen. Doch auch wenn dies zunächst gelingen sollte, wird eine gewisse Skepsis an der Leistungsechtheit im Radsport noch auf viele Jahre bestehen bleiben.

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