Eingebürgerte Sportler – alles für Olympia getty images; Die angebliche Plastic Brit: Yamile Aldama

Eingebürgerte Sportler – alles für Olympia

  • Anja Rau
Olympische Spiele sind der Höhepunkt einer Sportlerkarriere. Jeder Athlet träumt davon, einmal beim größten Sportevent der Welt dabei zu sein. Jede Nation darf seine Sportler nominieren, die entsprechende Staatsangehörigkeit ist Pflicht. Immer wieder gibt es daher Diskussionen um Einbürgerungen.

Plastic Brit – diesen Namen musste sich Tiffany Porter bei der Leichtathletik-Hallenweltmeisterschaft im März gefallen lassen. Und das von ihren eigenen Landsleuten. Warum? Die Hürdensprinterin war US-Bürgerin und startete als Juniorin auch für die USA. Als sie es 2008 verpasste, sich für die Olympischen Spiele in Peking zu qualifizieren, nahm sie 2010 die britische Staatsbürgerschaft an. Kein Problem, weil ihre Mutter gebürtige Britin ist. Nun fürchten die Briten, dass sie anderen Hürdensprinterinnen einen Startplatz wegnimmt. Zudem hat sie bislang nicht die Nationalhymne mitgesungen – diese Diskussionen kennen wir von der DFB-Elf zu genüge. Jetzt musste das Britische Olympia-Komitee gar versprechen, dass alle eingebürgerten Sportler die Hymne lernen.

Tiffany Porter ist nämlich längst kein Einzelfall. Allein bei den britischen Leichtathleten gibt es mit Läufer Mo Farah (als 10-Jähriger aus Somalia geflüchtet), Weitspringerin Shara Proctor (Anguilla – britisches Territorium), 400-Meter-Läuferin Shana Cox (USA, mit doppelter Staatsbürgerschaft) sowie Dreispringerin Yamile Aldama (Kuba) vier weitere eingebürgerte Athleten. Die Gründe sind dabei vielfältig. Yamile Aldama hat beispielsweise einen wahren Nationenwechsel-Marathon hinter sich: Die gebürtige Kubanerin heiratete im Jahr 2000 einen Schotten und zog nach Großbritannien. Für Kuba durfte sie fortan nicht mehr starten. Die Einbürgerung in Großbritannien verzögerte sich und so nahm sie 2004 die sudanesische Staatsbürgerschaft an. Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen im gleichen Jahr und an anderen internationalen Wettbewerben wäre ohne neuen Pass nicht möglich gewesen. 2010 bekam Aldama dann doch noch den britischen Pass und ist seitdem für Großbritannien startberechtigt. Sie wohnt also seit mittlerweile 12 Jahren auf der britischen Insel, doch einige Briten stören sich an ihrer Startberechtigung, genauso wie bei den zuvor genannten Athleten. Der Begriff Plastic Brits macht(e) die Runde.

Athleten-Tourismus

Die Welt wächst zusammen, alles wird internationaler. Man lernt andere Länder kennen, Menschen aus diesen Ländern, man lernt sich lieben und heiratet und schnell ist die Staatsbürgerschaft geändert. Dagegen ist nichts einzuwenden. Zwei Seiten hat die Medaille allerdings, wenn ein paar Staaten sich mit guten Sportlern brüsten wollen, es diese im eigenen Land aber nicht gibt und so internationale Stars für Geld verpflichtet werden, ihren Namen und ihr Land wechseln.

Dieser Athleten-Tourismus hat in den arabischen Staaten Bahrain und Katar seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden, doch auch die Türkei mischt inzwischen gut mit. Vor allem um afrikanische Läufer geht es bei den Wechseln. Der erste und wohl immer noch bekannteste Wechsel war der des Kenianers Stephen Cherono. Seit 2002 heißt er Saif Saaeed Shaheen und startet für Katar. Für den Golfstaat lief er 2004 den ersten und bisher einzigen Weltrekord.

Andererseits muss man den Wechsel der Staatsbürgerschaft auch von der Perspektive der Sportler betrachten. Vor allem in Kenia und Äthiopien gibt es eine Masse an Spitzenläufern. Nur drei jedes Landes dürfen an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, der Rest geht leer aus. Nur die Besten der Besten werden also bekannt und können damit Geld verdienen. Die breite Masse nagt am Hungertuch. Wenn nun aber plötzlich ein reicher Staat kommt, einem Geld und Startplätze verspricht, ist das oft mehr als verlockend.

Auch andere Sportarten erleben Einbürgerungs-Boom

Großbritannien ist Austragungsort der Olympischen Spiele, da ist es nur verständlich, dass die Nation möglichst in jeder Disziplin Teilnehmer an den Start schicken möchte. In den Mannschaftssportarten haben sie gar einen Freiplatz erhalten, während sich die anderen Nationen in Ausscheidungswettkämpfen behaupten mussten. Nun kann man aber nicht gerade davon sprechen, dass sich die Briten beispielsweise als Handballer einen Namen gemacht haben. Hilfe war also dringend nötig, um sich auf internationaler Bühne nicht vollständig zu blamieren. Der Lösungsweg: Man suchte ab 2006 nach Handballspielern mit britischen Wurzeln, um diese für die britischen Teams zu rekrutieren. Im Handball-Team der Männer für die Olympischen Spiele beispielsweise sind von 15 Spielern sieben in anderen Ländern geboren. Es bleibt aber abzuwarten, ob die Mannschaft trotz der aufwändigen Vorbereitung und der Suche nach Spielern große Chancen hat.

Viele Deutsche mit Migrationshintergrund

Auch bei uns gibt es eine Vielzahl an Sportlern, die in anderen Ländern geboren wurden und aus den verschiedensten Gründen die deutsche Staatsbürgerschaft annahmen. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 hatte der Fall Chris Kaman für Aufsehen gesorgt: Der US-amerikanische Basketballer erhielt spontan einen deutschen Pass, um das Nationalteam zu verstärken – er hat deutsche Urgroßeltern.

Auch in der aktuellen Olympia-Mannschaft sind viele Sportler mit Migrationshintergrund vertreten. Beispielsweise der Gewichtheber Matthias Steiner, der bis Anfang 2008 Österreicher war und der Liebe wegen Deutscher wurde. Nur so konnte er für Deutschland die Goldmedaille holen, die ihn und seine bewegende Geschichte über Nacht berühmt machte. Oder „Turn-Omi“ Oksana Chusovitina. Die 37-Jährige ist gebürtige Usbekin, kam 2002 aufgrund einer Leukämie-Erkrankung ihres Sohnes nach Köln und ist geblieben. Oder auch Munkhbayar Dorjsuren. Bereits seit 1995 lebt die gebürtige Mongolin in Deutschland, nahm aber an den Olympischen Spielen 2000 in Sydney noch für ihr Geburtsland teil. Seit 2002 hat sie einen deutschen Pass, da sie in der Mongolei für sich keine Zukunftsperspektiven mehr sah.

Egal also, auf welchem Weg und vor welchem Hintergrund ein Sportler Bürger seiner Nation geworden ist, er wird das Beste für sich und sein Land geben und es hoffentlich gebührend repräsentieren. Die Welt ist zusammengewachsen, Multikulti ist nicht mehr nur eine Phrase, sondern die Realität. Daran sollten sich auch ein paar Briten gewöhnen, die mit dem abfälligen Begriff Plastic Brits international für Aufsehen gesorgt haben.

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