EM-Kolumne von Christian Schwarzer Christian Schwarzer privat/netzathleten

EM-Kolumne von Christian Schwarzer

  • Christian Schwarzer
Die Handball Europameisterschaft steht vor der Tür. Am Dienstag (19. Januar) beginnt das Turnier für die Mannschaft von Heiner Brand, mit dem ich vor ein paar Tagen noch telefoniert habe. Er ist guter Dinge, auch wenn in der Vorbereitung noch nicht alles nach Plan lief. Obwohl wir mit Polen, Schweden und Slowenien eine sehr starke Gruppe erwischt haben, sehe ich unser Team für das Turnier in Österreich gerüstet.

Es gilt aber noch, die Abwehr zu sortieren. Dort hatte die Mannschaft zuletzt doch einige Probleme und der Bundestrainer musste viel experimentierten. Mit dem verletzten Sebastian Preiß vom TBV Lemgo, der hinten im Abwehrzentrum und vorne am Kreis gespielt hätte, fällt ein enorm wichtiger Spieler aus. Sein Vertreter Manuel Späth ist zwar ein ähnlicher Typ wie Basti, hat aber noch nicht dessen Erfahrung.

Die Gruppenspiele der Handball-EM finden vom 19. bis 23. Januar statt. Die ersten drei Teams qualifizieren sich für die Hauptrunde, die vom 24. bis 28. Januar gespielt wird. Die Halbfinals und das Endspiel werden am 30. und 31. Januar 2010 in Wien ausgetragen.

Bisher stellte die solide 6:0 Abwehr, plus Torwart, immer das Prunkstück der Deutschen Mannschaft dar. Auf diesen Mannschaftsteil konnte man sich in der Vergangenheit stets verlassen. Durch Ballgewinne und schnelle Tempogegenstöße wurde versucht, leichte Tore zu erzielen. Das war unser Spiel und soll auch jetzt wieder das Erfolgsrezept sein. Daran arbeitet der Bundestrainer momentan noch.

Hinten sicher - Vorne variabel

Im Tor gibt es dagegen überhaupt keine Schwierigkeiten. Hier hat Heiner Brandt wie so oft ein Luxusproblem. Mit Johannes Bitter, Silvio Heinevetter und Carsten Lichtlein hat er drei absolute Topleute zwischen denen er sich entscheiden muss. Da müssen wir uns also keine Sorgen machen.
Eine weitere Stärke des deutschen Teams ist das variable Angriffsspiel mit individuell guten Spielern. Durch die verletzungsbedingte Absage von Rückraumspieler Pascal Hens (Achillessehne) bricht natürlich ein immens wichtiger Baustein der Mannschaft weg. Da ist nun Lars Kaufmann in der Verantwortung. Er spielt eine überragende Bundesligasaison bei Frisch Auf! Göppingen. Wenn Kaufmann diese Form über halblinks mit in die EM nimmt, kann er eine sehr positive Überraschung werden.

Mit Mimi Kraus haben wir einen weiteren sehr flexiblen Spieler im Rückraum. Hoffentlich auch Holger Glandorf über rechts, wenn er fit ist, im Wechselspiel mit Michael Müller. Im Angriff verfügen wir also über genügend Möglichkeiten, Akzente zu setzen. Und taktisch zählten wir sowieso immer mit zur Weltspitze. Eine wichtige Stärke, die uns auch dieses Mal weiterhelfen kann.


Jugend forscht

Was natürlich nicht passieren darf, sind weitere Verletzungen. Im Vergleich zu anderen starken Nationen wird es dann schon eng. Ich denke, da sind einige Spieler zu unerfahren. Sie zeigen zwar in der Bundesliga Spitzenleistungen, jedoch ist die Bundesliga eine Sache, die Nationalmannschaft und große Turniere eine ganz andere.

Hinter der Abwehr steht also noch ein kleines Fragezeichen und der zweite Anzug passt noch nicht ganz so gut. Vielleicht fehlt auch am Kreis noch etwas die Erfahrung. Mit Christoph Theuerkauf vom SC Magdeburg und dem Göppinger Manuel Späth stehen dort zwei relativ unerfahrene Spieler, die ihre Position erst finden müssen. Auch bei den anderen jungen Kräften muss man wohl abwarten, wie sie sich bewähren. Insgesamt steht das Ganze vielleicht ein wenig unter dem Motto „Jugend forscht“. Ich glaube aber, dass wir das durch mannschaftliche Geschlossenheit wieder kompensieren können und letztlich sind ja auch noch acht Weltmeister von 2007 dabei, die über genug Erfahrung verfügen. Wer weiß, vielleicht hilft uns die Unbekümmertheit der Jugend auch ein Stück weit.

Die Stimmung in der Mannschaft ist auf jeden Fall wieder sehr gut. Auch der Bundestrainer war am Telefon gut gelaunt. Er legt auf die Stimmung im Team immer besonderen Wert, da man mit dem richtigen Spirit auch immer die eine oder andere Schwäche kompensieren kann. Die Mannschaft weiß – Gott sei Dank – sehr gut, wie man diese Stimmung erzeugt.

 

Das Halbfinale ist drin

Mein Topfavorit auf den Europameistertitel ist allerdings Frankreich. Wenn beim Olympiasieger und Weltmeister alle Mann, vor allem die Topstars Nicola Karabati?, Daniel Narcisse und Bertrand Gille an Bord sind, ist Frankreich den anderen Nationen einen kleinen Schritt voraus. Wie bei früheren großen Turnieren auch, gibt es darüber hinaus fünf bis sechs Mannschaften, die das Zeug haben, zumindest das Halbfinale zu erreichen. Kroatien, Spanien, Schweden, auch der Olympia-Zweite Island und Dänemark sind nicht zu unterschätzen. Allesamt Mannschaften, die in der Vergangenheit schon gezeigt haben, was machbar ist. Und dazu gehören auch wir. Wenn alles glatt läuft.

Details

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  • Star Vita: Christian 'Blacky' Schwarzer wurde am 23.10.1969 in Braunschweig geboren. Der Handballer spielte in seiner erfolgreichen Karriere u.a. für den FC Barcelona und den TBV Lemgo. Von 1989 bis 2008 spielte er in der deutschen Handball Nationalmannschaft und war maßgeblich am Gewinn der Weltmeisterschaft 2007 beteiligt. 2009 beendete der Handballer des Jahres von 2001 seine aktive Laufbahn. Nun ist er in der Jugendarbeit des DHB tätig.
  • Star Erfolge: Weltmeister 2007, Silber Olympische Spiele 2004, Champions League Sieger 2000

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