Vancouver 2010 – Wissenswertes rund um die Winterspiele VANOC/COVAN

Vancouver 2010 – Wissenswertes rund um die Winterspiele

  • Marco Heibel
Vom 12. bis zum 28. Februar 2010 finden die 21. Olympischen Winterspiele im kanadischen Vancouver statt. netzathleten möchten Euch frühzeitig fit machen für das erste große Sportereignis 2010. Den Anfang macht eine Vorstellung der Olympiastadt.

Vancouver liegt in der Provinz British Columbia und ist mit knapp 2,1 Mio. Einwohnern die drittgrößte Stadt Kanadas. Außerdem ist sie nach Montreal (1976) sowie Calgary (1988) die dritte kanadische Olympiastadt. Die Zeitverschiebung beträgt neun Stunden, weswegen die morgendlichen Wettbewerbe vor Ort ins deutsche TV-Abendprogramm fallen.

 

Die Stadt

Vancouver entstand in den 1860er Jahren im Zuge des Goldrauschs. Aufgrund der Nähe zum Pazifik und zugleich zu den Wäldern sind Handel und Forstwirtschaft seit jeher die größten Wirtschaftszweige. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch auch die Software- und Hightech-Technologie vermehrt in der Stadt niedergelassen. Vancouver ist zudem nach Los Angeles und New York der drittgrößte Standort der nordamerikanischen Filmindustrie. Daher kommt auch der Spitzname “Hollywood North”.



Vancouver gilt als weltoffene und multikulturelle Stadt mit hoher Lebensqualität. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung gehört einer so genannten „sichtbaren Minderheit” an. Hinzu kommen noch rund 40.000 Indianer, Angehörige der so genannten „First Nations” (mehr dazu unter: Kritikpunkte im Vorfeld). Doch Vancouver hat auch Probleme: Aufgrund hoher Mietpreise und Lebenshaltungskosten sind rund 100.000 Einwohner von Armut bedroht, 2.200 Menschen sind sogar obdachlos (Stand 2006). Auch Drogen, Prostitution und Kriminalität stellen ein zunehmendes Problem dar.

Seit der Ausrichtung der Weltausstellung 1986 kann sich die Metropole auch über einen stetig wachsenden Touristenzustrom freuen, der zu Zeiten der Olympischen Spiele sicherlich seinen Höhepunkt erreichen wird.

 

Wie lief die Bewerbung?

Vancouver erhielt am 2. Juli 2003 den Zuschlag für die 21. Winterspiele. Nachdem Bern seine Bewerbung kurz vor der Abstimmung wegen mangelnder Unterstützung in der Bevölkerung zurückgezogen hatte, waren neben Vancouver nur noch Salzburg (Österreich) und Pyeongchang (Südkorea) im Rennen gewesen. Vancouver setzte sich erst im letzten Durchgang hauchdünn mit 56:53 gegen die favorisierten Koreaner durch. Letztere konkurrieren im Übrigen derzeit mit München und der französischen Stadt Annecy um die Ausrichtung der Spiele 2018.

 

Kritikpunkte im Vorfeld – Spiele der Vereinigung?

Dennoch war und ist nicht jeder glücklich; weder über die Baumaßnahmen und Eingriffe in die Natur (vor allem bei den Skipisten) im Speziellen, noch über die Vergabe der Winterspiele nach Vancouver im Allgemeinen. Kanada ist nämlich ein Land voller Interessenskonflikte zwischen den verschiedenen Völkergruppen.

Vor rund 12.000 Jahren siedelten die ersten Indianerstämme, die so genannten First Nations, im heutigen Kanada an. Ihnen folgten um etwa 3.000 v.Chr. die Inuit. In dieses Völkergemisch hinein stießen ab dem späten 15. Jahrhundert die ersten Europäer (vor allem Briten und Franzosen), die analog zu den Kolonialisten in den USA Anspruch auf das Land erhoben und sich so über die Rechte der Alteingesessenen hinwegsetzten. Dass Letztere bis zum heutigen Tag eine starke Interessengemeinschaft darstellen, lässt sich allein schon daran ablesen, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung, also knapp 6,5 Millionen Menschen, keine der beiden Amtssprachen Englisch und Französisch als ihre Muttersprache ansehen, sondern bevorzugt in Stammesdialekten kommunizieren.

Insbesondere die First Nations, aber auch die Inuit, sind sehr naturverbunden und fühlen sich seit der Kolonialisierung durch die Europäer um ihren Lebensraum und ihre traditionelle Lebensweise gebracht. Nachdem die Entscheidung des IOC für Vancouver gefallen war, forderten ihre Anführer zum Boykott der Spiele auf und initiierten diverse Protestaktionen gegen den Bau von Sportstätten und Infrastruktur.

 

Gewinnbeteiligung der Indianer und Inuit

Quasi als „Entschädigung“ – böse Zungen behaupten, um für Ruhe zu sorgen – hat das Organisationskomitee mit den Führern der First Nations einen Vertrag abgeschlossen, der diesen ein Drittel der Einnahmen aus der Vermarktung, u.a. der Symbole, Logos und Maskottchen, zusichert. Diese sollen in Bildung und Kultur fließen und den Ureinwohnern dabei helfen, sich etwa im Ökotourismus ein wirtschaftliches Standbein zu schaffen.

 

Maskottchen, Logo und Motto

Dieser Vertragsabschluss wird im Übrigen nicht ganz unverantwortlich für das Aussehen der vier Maskottchen gewesen sein. Anlehnungen an die Tradition und Kultur der First Nations und Inuit sind kaum zu übersehen: Es handelt sich um den mythischen Seebären „Miga“, die kanadische Bigfoot-Variante „Quatchi“ und das Vancouver-Murmeltier „Mukmuk“. Das Maskottchen der Paralympics (12. bis 21. März 2010) ist „Sumi“, ein tierischer Schutzgeist.



Das Logo stellt einen Inuksuk dar, einen Gegenstand, von dem die Inuit glauben, dass er anstelle eines Menschen Aufgaben übernehmen kann.

Und damit auch tatsächlich jeder zufrieden ist, hat man sich zusätzlich noch darauf geeinigt, das Organisationskomitee in den beiden Amtssprachen Englisch und Französisch zu benennen. Daher rührt das Anagramm VANOC (Vancouver Organizing Committe) bzw. COVAN (Comité d'organisation des Jeux olympiques).

Diese Zweisprachigkeit schlägt sich auch im Motto – oder besser in den Motti – der Spiele nieder. Es gibt nämlich eines auf englisch („With glowing hearts“ = „Glühenden Herzens“) und eines auf französisch („Des plus brillants exploits“ = „Der außergewöhnlichsten Leistungen“). Für diese Motti zeichnen im Übrigen keine Werbetexter verantwortlich; es handelt sich um Textstellen aus der kanadischen Nationalhymne.

 

Stand der Vorbereitung

Das Wichtigste vorab: Alle Sportstätten werden bis zur Eröffnung am 12. Februar fertig sein, die meisten sind es jetzt schon. Allerdings gab es auch Probleme: So ist der Bau des Olympischen Dorfes wegen Geldmangels (Stichwort: Finanzkrise) Anfang des Jahres kurzzeitig ins Stocken geraten. Die Regierung von British Columbia ist in die Bresche gesprungen und hat so die rechtzeitige Fertigstellung gesichert.

 

Preisniveau der Tickets

Wer das nötige Kleingeld für einen Transatlantikflug und die Unterkunft erübrigen kann, wird sich sicher auch nicht über die Ticketpreise beschweren. Die günstigsten Tickets gibt es ab 25 kanadischen Dollar, das entspricht nach aktuellem Wechselkurs (Stand 4.12.2009) einem Gegenwert von 15,76 Euro. Und knapp die Hälfte der Karten ist für 100 kanadische Dollar (63,09 Euro) und weniger zu haben.

Zudem sind alle Wettkampforte, auch das drei Busstunden entfernte Whistler, mit dem Shuttlebus zu erreichen. Hier kostet das teuerste Ticket (Hin- und Rückfahrt) ebenfalls 25 kanadische Dollar.

 

Sind die Spiele schneesicher?

Nicht wirklich. Vancouver zählt aufgrund seiner Nähe zum Pazifik und des Einflusses von warmen Meeresströmungen zu den wärmsten Städten Kanadas. Nur an zwei Tagen im Jahr fällt das Thermometer unter die -10°C-Marke. Im Februar, wo die Spiele stattfinden werden, beträgt die Durchschnittstemperatur im Querschnitt der letzten 20 Jahre 4,8°C. Dafür ist dieser Monat mit durchschnittlich 16,3 Regentagen sehr niederschlagsträchtig. Das bedeutet im Klartext: Ist es kühl genug, kann durchaus Schnee fallen; ansonsten wird es wohl – wie schon in Turin 2006 – in der Olympiastadt selbst eine eher graue Angelegenheit werden. Das fällt insofern nicht so sehr ins Gewicht, da der Großteil der Outdoor-Wettbewerbe im ziemlich schneesicheren Whistler ausgetragen wird. In Vancouver selbst finden alle Veranstaltungen unter dem Hallendach statt.

 

Fackellauf

Die Olympische Flamme wurde am 22. Oktober traditionell in Olympia entzündet. Am 30. Oktober traf die Fackel in Vancouver ein. Seitdem wird sie nicht, wie in der Vergangenheit so häufig, quer durch die Welt, sondern „nur“ quer durch das ganze Land getragen, und zwar durch sämtliche Provinzen und durch insgesamt 118 traditionelle Gebiete der First Nations.

Am 11. Februar 2010, einen Tag vor der Eröffnung, soll es dann wieder in Vancouver eintreffen. Zu diesem Zeitpunkt werden bereits rund 12.000 Fackelträger zum Einsatz gekommen sein. Wer der letzte dieser Reihe sein wird und wer somit das Olympische Feuer entzünden darf, wird natürlich wie immer ein gut gehütetes Geheimnis bleiben.

 

Sportliches

Exakte Zahlen stehen zwar noch nicht fest, doch die Veranstalter rechnen mit knapp 6.000 Olympioniken aus mehr als 80 Nationen.

Sämtliche Wettbewerbe von „Turin 2006” werden auch in Vancouver ausgetragen. Neu hinzukommen wird der Skicross-Wettbewerb, bei dem vier Skifahrer gleichzeitig einen Parcours aus Sprüngen und Kurven bewältigen müssen.

Das IOC Executive Board hat dagegen die Aufnahme des Skispringens der Damen ins Programm abgelehnt. Gleiches gilt u.a. für die Teamwettbewerbe im Rennrodeln und im Ski alpin, bei denen bereits seit Jahren WM-Medaillen vergeben werden.

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