Pekings ‚Olympolitsche‘ Spiele – die Sponsoren machen mit pixabay.com

Pekings ‚Olympolitsche‘ Spiele – die Sponsoren machen mit

  • Frank Schneller / SID
Selten, vielleicht noch nie, waren Olympische Spiele politisch so aufgeladen wie die Winterspiele von Peking 2022. Während die Diskussionen, ob Sport politisch sein darf oder wie sehr er es gar sein muss, anhalten, lohnt auch ein Seitenblick auf einen der wichtigsten Bereiche des Ökosystems Spitzensport: Wie verhalten sich eigentlich die Top-Sponsoren Olympias? Die, so analysieren es der Sport-Informations-Dienst (SID) drücken sich kollektiv vor ihrer Verantwortung. Mit welchen Folgen? Ein Perspektivwechsel.
Von Frank Schneller und dem Sport-Informations-Dienst

Berlin 1936, Olympia unterm Hakenkreuz. Mexiko 1968, die hochgereckten Fäuste der Black Power-Bewegung bei der Siegerehrung. München 1972, der Terror-Anschlag auf das israelische Team. Moskau 1980 und Los Angeles 1984, die Boykottspiele – dies mögen die prägnantesten Meilensteine der ‚olympoltischen‘ Historie sein. Doch das Spannungsfeld zwischen Olympischen Spielen, und Politik ist noch weit umfänglicher. Kaum ein Gastgeber der letzten Jahrzehnte konnte sich unangenehmen Fragen entziehen. Peking gelang dies aufgrund der Menschenrechts- und Umwelt-Diskussionen schon 2008 nicht. Und selbst vermeintliche Parade-Ausrichter wie Vancouver oder Sydney hatten so ihre Image-Probleme, wenn die Rede auf die indigenen Bevölkerungsgruppen ihres Landes kam. Oder die Umwelt. Doch so aufgeladen wie die Winterspiele 2022 war Olympia vermutlich noch nie.

„Man muss das im Gesamtkontext sehen. Und der ist ein politischer. Wir wissen seit Jahrzehnten, dass Sport ganz stark mit Politik verwoben wird. Nicht nur von Staaten, auch von den Sportverbänden, vom IOC, das reicht bis hin zu den Aktiven und auch Medien“, erklärt der Sportchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Anno Hecker, „der Sport ist, nicht nur bei Olympia, sehr politisch“. Allein die erneute Vergabe der Spiele an Peking sei eine politische Botschaft, sagt der FAZ-Reporter. Recht hat er damit. Fraglos. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) mag es sich und anderen noch so oft anders zurechtbiegen.

Die Gemengelage, in der sogar die Sportlerinnen und Sportler mit Blick auf ihr Sendungsbewusstsein, auf ihre Haltung hinterfragt werden, während sich die mächtigen Institutionen wie Verbände, Dachorganisationen und Sponsoren im Sinne ihrer Interessen entweder anpassen oder fügen (und schweigen), ist vielschichtig. Sondersendungen, Sonderseiten, Talkshows und Podiumsdiskussionen drehten sich nicht erst in den letzten Wochen immer häufiger um das Thema Olympia und Sport. Pekings Spiele als deutlicher Fingerzeig auf die sich zusehends verändernde globale Machtarchitektur zu Gunsten Chinas – und darauf, das globale Sport-Events von IOC oder FIFA mittlerweile ohne Zögern an Autokratien vergeben werden, solange es wirtschaftliche opportun ist. Moralische Bedenken? Keine. Und sollte es sie doch geben, werden sie angemalt, umgedeutet.

‚Olympic Games Executive Director‘ Christope Dubi ist darin geübt. „Wir verlassen nicht unsere Grenzen. Wir sprechen über die Werte der Olympischen Spiele, nicht über politische Systeme. Wir erlauben Mannschaften aus aller Welt, an den dieser universellen Feier des Sports und der Menschheit teilzunehmen. Alle, die sich den Werten der Olympischen Spiele verschreiben, dürfen mitmachen. Das sagen wir umgekehrt auch allen Organisatoren. Sie dürfen niemanden diskriminieren. Sie müssen die Delegationen aus allen Nationen willkommen heißen“, sagt er ganz im Sinne seines Chefs, IOC-Präsident Thomas Bach, in Interviews. „Wenn diejenigen, die an die Spiele kommen, die olympische Charta respektieren, dann gilt für uns die größtmögliche Akzeptanz der Menschen. Komm, so wie du bist. Aber in einem Umfeld, in dem wir die Werte und die Regeln festlegen. Es sind die Regeln des Sports. Und Sport bedeutet auch: keine Diskriminierung!“

Wenn sich das IOC im Zuge dieser Auslegung von moralischer Mitverantwortung auch noch auf seine Sponsoren verlassen kann, herrscht in Lausanne Eitel Sonnenschein. Auch Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der Gastgeber – die geschehen ja abseits des Sports … – verfinstern den Himmel am Genfersee nicht sonderlich. Und wie halten es die 13 Top-Partner aus dem ‚Olympic Partner Programme‘? Die sehen sich ebenfalls Kritik ausgesetzt. An ihrer Einstellung ändert das offenkundig wenig, wie es auch der SID schreibt. „Sie tragen zum Umsatz des IOC von rund 5,5 Milliarden US-Dollar im laufenden Vier-Jahres-Zyklus dem Vernehmen nach mehr als eine Milliarde US-Dollar bei. „Sie könnten also Einfluss nehmen. Tun sie aber nicht“, so die Nachrichtenagentur. Und weiter: „Vor den Spielen hatte etwa die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Sponsoren aufgefordert, sich von Olympia in Peking zu distanzieren. Keiner reagierte -– … trotz Demonstrationen, Protesten und Petitionen.“

Dennis Trautwein, Managing Director Germany & France bei der global agierenden Agentur ‚Octagon‘ erklärt dem SID dazu: „Sponsoren können derartige Diskussionen überhaupt nicht gefallen. Sie wollen sich mit derlei im Grunde genommen nicht beschäftigen. Ein Sponsor muss sich angesichts eines Themas wie Menschenrechtsverletzungen allerdings frühzeitig Gedanken machen, welche Position man beziehen will und diese dann klar von Anfang bis Ende kommunizieren.“ Trautwein weiter: „Keiner sollte den Fehler machen, diese Diskussionen einfach zu ignorieren. Aber das werden einige Sponsoren machen, sie werden sagen: Ich bin nur ein Partner, das ist nicht meine Verantwortung."

So hat sich etwa die Allianz, ein ‚Worldwide Olympic Partner‘ seit 2020, nie öffentlich zu Forderungen von Aktivisten der "Tibet Initiative Deutschland" geäußert, sie solle sich als Sponsor der Spiele in Peking zurückziehen. Der Konzern aus München, berichtet der SID, zahlte geschätzte 400 Millionen Euro an das IOC, um sich bei den Spielen bis 2028 in Los Angeles präsentieren zu dürfen. Und darauf setzen wohl alle Sponsoren: Dass Olympia in Peking möglichst schnell in Vergessenheit gerät und Paris 2024 in den Vordergrund rückt. Noch einmal Insider Dennis Trautwein: „Die positiven Aspekte, die eine Marke mit der Partnerschaft erzielt, werden wohl länger nachwirken als die punktuelle Aufregung, die um die kritischen Themen entsteht.“ Es lohne sich immer noch, Partner solcher Events zu sein.

Mit der Aufmerksamkeit, die Sponsoren durch eine Partnerschaft mit dem IOC anstrebten, entstehe aber auch eine Verantwortung – „und dieser sollte man sich als Sponsor dann auch stellen“. Dass das IOC in diesem Fall nicht zum Vorbild tauge, sei zu erwarten, ergänzt der Marketingfachmann: „Es wird immer wachsweiche Äußerungen geben, weil China ein Markt ist, der für das IOC auch kommerziell wichtig ist." Dies sei vergleichbar mit der Fußball-EM, „als die Thematik LGTB+ mit den Regenbogenfarben aufkam. Damals hat es die UEFA als Ausrichter verpasst, ein klares Statement abzugeben“. Doch er ist sich ebenso sicher: „In Deutschland werden die Unternehmen nicht davonkommen, wenn sie keine klare Position beziehen.“

Zumal sich auch die anhaltende Pandemie auf das Stimmungsbild auswirkt: „Es sind die zweiten Spiele nacheinander, die unter Ausschluss der Partner stattfinden, das tut auch den Olympischen Spielen nicht gut. Das Erlebnis Olympia ist ohne Zuschauer und angesichts der Restriktionen ein anderes. Vor Ort passiert fast nichts mehr. Die häufig massiven finanziellen Investments der Sponsoren vor Ort sind damit verloren. Sicher: Das betrifft nicht die globale Kommunikation und die damit verbundenen Ausgaben. Doch auch für die Sponsoen ist es wichtig, dass eine gute Stimmung transportiert werden kann.“ Klar: Andernfalls bekommt die Kritik mehr Raum. Wirkt image-schädigend.

Die moralische Messlatte für den Sport – und insofern auch an dessen Umfeld – liegt nun mal hoch, weiß auch Marco Klewenhagen, geschäftsführender Gesellschafter und Herausgeber des Branchenmagazins SPONSORs. Den gesellschaftspolitischen Anspruch, der an den Sport oft gestellt wird, „besser zu sein als die Welt an sich“, hält er für deplatziert, unrealistisch gar: „Der Sport und das Sportbusiness dahinter sind Spiegelbild der Gesellschaft – im Guten wie im Schlechten.“

Diese Erkenntnis dürfte einer der Nenner sein, auf den sich die Weltverbände der Sportwelt und ihre Kritiker womöglich noch am ehesten verständigen könnten. Im Falle der Winterspiele von Peking aber sollte das IOC dann auch mit deren Verklärung aufhören. Hinter vorgehaltener Hand wird man das vermutlich auch in den Chefetagen der Top-Sponsoren so sehen. Wenn schon nicht aus moralischen Beweggründen, dann doch zumindest mit Blick auf die Außendarstellung. Andererseits müssen die Mächtigen in Lausanne als auch ihre Wirtschaftspartner vermutlich nur noch etwas mehr Kondition und Resilienz an den Tag legen. Denn – das vermutet Dennis Trautwein von Octagon – irgendwann sei das Gröbste überstanden: „Es wird zwar immer kritische Stimmen geben bei Großveranstaltungen, weil sie einen Nachhall haben was etwa die Infrastruktur und die Kosten betrifft. Aber die kommenden Olympischen Spiele in Paris, Mailand und Cortina d’Ampezzo und Los Angeles werden politisch voraussichtlich nicht so aufgeladen sein.“ Voraussichtlich. 

„Es wird zwar immer kritische Stimmen geben bei Großveranstaltungen, weil sie einen Nachhall haben was etwa die Infrastruktur und die Kosten betrifft. Aber die kommenden Olympischen Spiele in Paris, Mailand und Cortina d’Ampezzo und Los Angeles werden politisch voraussichtlich nicht so aufgeladen sein.“ Voraussichtlich.












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