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Rückblick auf die Bundesliga-Saison 2011/12

  • Marco Heibel
Die 49. Bundesliga-Saison ist Vergangenheit. Schnell ging’s, wie immer. Und nicht jeder ist mit dem Ausgang der Spielzeit zufrieden. Allzu viele Vereine sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Dafür haben andere sensationell aufgespielt und „overperformed“, wie man in der Brache mittlerweile zu sagen pflegt. Ein Résumé.

Der Meister


81 Punkte, 28 Spiele in Serie ungeschlagen – nie war ein Deutscher Meister besser als Borussia Dortmund. Der BVB hat seinen „hungrigen“ Vollgasfußball der Vorsaison beibehalten und gezeigt, dass diese Mannschaft auf Jahre ein ernsthafter Bayern-Konkurrent sein kann. Nicht von ungefähr wurde der Rekordmeister auch in dieser Spielzeit zweimal bezwungen. Bemerkenswert: Es gibt nicht nur zwei oder drei Säulen im Team, sondern beinahe ein Dutzend. So konnte der BVB auch die „Verluste“ dreier Leistungsträger aus der Saison 2010/11 (Sahin wechselte zu Real Madrid, Götze und Barrios waren lange verletzt) locker kompensieren. Die Mannschaft ist gereift, muss allerdings auf internationaler Ebene zulegen. Mit Marco Reus kommt eine weitere Offensiv-Waffe dazu, weswegen auch der wahrscheinliche Abgang von Shinji Kagawa aufzufangen sein dürfte. Ein Einbruch droht nur, wenn die Mannschaft ihre „Gier“ verlöre. Doch solange Jürgen Klopp Trainer in Dortmund ist, scheint das ausgeschlossen.

Einmal Königsklasse, bitte


Dass der FC Bayern München zwei Mal in Folge NICHT Deutscher Meister wird, ist durchaus bemerkenswert. Zuletzt hat es das 1994/95 und 1995/96 gegeben. Doppel-Meister damals wie heute: Borussia Dortmund. Die Bayern haben mit 73 Punkten eine sehr gute Saison gespielt, eine solche Bilanz hätte in vielen Spielzeiten zum Titel gereicht. Die Münchner hatten nur zwei Probleme in dieser Saison: Eine Schwächephase zu Beginn der Rückrunde und ein Kontrahent, der das brutal ausgenutzt hat. Zumindest im Tanzen auf drei Hochzeiten sind die Bayern dem Konkurrenten aus Dortmund noch voraus: Wer lange um die Meisterschaft kämpft und das Champions League- und DFB-Pokal-Finale erreicht, hat große Klasse bewiesen. Klappt es für den FCB mit dem Gewinn des Henkelpotts in der eigenen Arena, dürfte die Meisterschaft im kommenden Jahr von den Bayern-Oberen zum wichtigsten Titel erklärt werden. Dreimal die Meisterschaft zu verpassen, das geht für das Selbstverständnis der „Roten“ einfach nicht.

Der FC Schalke 04 hat sich im Schatten der großen Zwei mit überaus routinierten, manchmal sogar begeisternden Leistungen souverän für die Champions League qualifiziert. Das musste man dem gut besetzten Kader um Alt-Star Raul, Jefferson Farfan und den frisch gebackenen Torschützenkönig Klaas Jan Huntelaar (29 Saisontreffer) allerdings auch zutrauen. Mission erfüllt.

Überraschender ist da schon der vierte Platz von Borussia Mönchengladbach. Vor einem Jahr konnte sich die „Elf vom Niederrhein“ erst in der Relegation vor dem Abstieg retten, jetzt winken die Fleischtöpfe der Champions League. Baumeister des Aufschwungs ist zweifellos Trainer Lucien Favre, der aus einer sicheren Defensive heraus vor allem in der Hinrunde Erfolg und Erfolg gefeiert hat. Bereits in der Winterpause war das Punktepolster so dick, dass man eigentlich schon für Europa planen konnte. Im letzten Saisondrittel ließen die Leistungen zwar deutlich nach, der Punktevorsprung reichte trotzdem, um Platz vier zu sichern. Dennoch: Trainer Favre zögert, ein Bekenntnis zur Borussia abzugeben. Mit Marco Reus, Dante und Roman Neustädter verlassen außerdem drei Leistungsträger den Verein. In der Champions-League-Qualifikation droht den ungesetzten Gladbachern ein dicker Brocken aus England, Italien oder Frankreich. Nicht auszuschließen, dass am Niederrhein bald wieder Tristesse herrscht.

Europa League, wir kommen


In Leverkusen ist man gut darin, Enttäuschungen klein zu reden. So war es nach dem desaströsen 1:7 in Barcelona in der Champions League, so war es nach der letztlich enttäuschenden Saison in der Bundesliga. Mit der Mannschaft, die Bayer zur Verfügung hat, wäre Platz vier Pflicht gewesen. So beendet die „Werkself“ eine biedere Saison – unattraktiver hat Leverkusen seit Menschengedenken nicht gespielt – auf Platz fünf und tingelt 2012/13 durch die osteuropäische Provinz, anstatt sich mit London oder Barcelona zu messen. Das ist nicht nur finanziell wenig attraktiv.

Anders ist die Gemütslage beim Sechsten aus Stuttgart und beim Siebten aus Hannover. Für beide ist die Teilnahme an der Europa League ein Erfolg. Vor allem die Schwaben haben wieder einmal ihrem Ruf alle Ehre gemacht, eine schwache Hin- mit einer starken Rückrunde kontern zu können. Und Hannover hat bewiesen, dass der vierte Platz der Vorsaison keine Eintagsfliege war. Nicht immer spektakulär, aber mit sehr viel Herz hat 96 in der Liga und der Europa League (Viertelfinaleinzug) eine konstant gute Saison gespielt.

Irgendwo im Nirgendwo


Auch bei den Vereinen, die die Saison „jenseits von Gut und Böse“ beendet haben, fällt die Bewertung unterschiedlich aus: Für Freiburg und Augsburg, die im Winter noch erwartungsgemäß auf die Abstiegsplätzen standen, bedeuten Rang 12 bzw. 14 eine Sensation. Allerdings sind sie auch der verdiente Lohn harter Arbeit.

Enttäuscht haben dagegen vor allem die Nordclubs: Werder Bremen verpasste nach guter Hinrunde die Europa League letztlich klar und verdient. Die Mannschaft steht vor einem Umbruch und dürfte sich in der kommenden Saison in der unteren Tabellenhälfte einfinden. Der Hamburger SV hat den Umbruch bereits vor einem Jahr vollzogen und musste trotz Zwischenhochs lange um den Klassenerhalt zittern. Das einzige Glück des HSV war, dass drei Vereine noch schlechter waren. Last but not least der VfL Wolfsburg: Felix Magath, der Mann mit dem Blanko-Scheck und der Blanko-Strategie, hat alles versucht, 26(!) Neue für 51 Millionen geholt und hätte mit dieser Harakiri-Taktik fast Erfolg gehabt. Das Urteil in Wolfsburg muss lauten: Mit etwas mehr Konzept wäre auch mit weniger Geld mehr drin gewesen als Platz 8.

Fehlen noch Nürnberg und Hoffenheim. Die Franken haben sich mit kleinen Serien zur rechten Zeit stets aus dem Gröbsten herausgehalten. Platz 10 ist ein Erfolg für eine Mannschaft, die Jahr für Jahr ihre besten (Leih-)Spieler abgeben muss. Hoffenheim schließt im vierten Erstliga-Jahr zum vierten Mal eine Saison im grauen Mittelmaß ab. Nun der nächste Anlauf: U.a. Tim Wiese und Eren Derdiyok sollen dem Verein mehr Profil geben und sportliche Erfolge bringen. Aber Hand aufs Herz: Interessiert sich überhaupt noch jemand für Hoffenheim?

Eine Galgenfrist und zwei Enttäuschte


Der Kampf gegen den Abstieg war in dieser Saison eher ein Wachkoma. Das Schlusslicht aus Kaiserslautern, das zwischenzeitlich mehr als ein halbes Jahr auf einen Sieg wartete, taumelte zielsicher wie selten zuvor ein Erstligist der Zweitklassigkeit entgegen. Manchmal ist es halt wirklich so, dass ein Zweitligakader nicht mehr hergibt als den Abstieg in die Zweite Liga. Ausnahmen (Freiburg, Augsburg) bestätigen die Regel. Nun der abermalige Neuaufbau im Unterhaus. Ob wir die klammen Pfälzer rasch in der Beletage wiedersehen?

Auch der Abstieg des 1.FC Köln war nur logisch und folgerichtig. Nach einer soliden Hinrunde (Platz 10) sind Mannschaft und Verein in der Rückrunde auseinandergebrochen: Possen, Machtspiele, Eitelkeiten, private Eskapaden neben dem Platz, unerklärliche Zusammenbrüche auf dem Spielfeld – der erste Bundesligameister hat sich 2011/12 mehr denn je der Lächerlichkeit preisgegeben und steigt verdient ab. Nun der große Umbruch: Der Wechsel von Vereins-Ikone Lukas Podolski stand ohnehin längst fest. Weitere teure „Leistungsträger“ werden gehen. Immerhin: Der Abstieg bietet die Chance zum „Kehren mit dem eisernen Besen“ und zur Neuausrichtung. Doch diese Chance hatte der FC zuvor schon vier Mal – und hat sie vier Mal ungenutzt verstreichen lassen…

Dass die „Geißböcke“ bis zum 34. Spieltag überhaupt noch Chancen auf das Erreichen der Relegation hatten, war allein der Tatsache zu verdanken, dass Hertha BSC Berlin sich genauso blöd anstellte. Die Parallelen zwischen den beiden Großstadtclubs sind frappierend: Auch Hauptstädter waren im Spätherbst im Mittelfeld der Tabelle. Dann begann das Theater im Umfeld, das sich auf die Mannschaft übertrug. Am Ende wirkten alle irgendwie blockiert. Der umstrittene Manager Micheal Preetz überwarf sich mit dem erfolgreichen Aufstiegscoach Markus Babbel und ersetzte ihn durch Michael Skibbe. Der musste nach sechs Pflichtspielpleiten in Serie bereits wieder gehen. Auch die „Ultima Ratio“ Otto Rehhagel brachte den Hertha-Dampfer nur schwerlich auf Kurs. Erst durch ein 3:1 gegen Hoffenheim am letzen Spieltag retteten sich die Berliner in die Relegation gegen Düsseldorf. Dort haben sie die Chance, eine völlig verkorkste Saison doch noch irgendwie zu retten. Verdient wäre das nicht.

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