Das Wetter spielt nicht mit - Stephan Kecks Tagebuch Teil 6 www.stephan-keck.at

Das Wetter spielt nicht mit - Stephan Kecks Tagebuch Teil 6

  • Derk Hoberg
Stephan Kecks Dhaulagiri Expedition stand zuletzt auf der Kippe. Der Wetterbericht ließ nur ein kleines Zeitfenster für den Versuch, den Gipfel zu erreichen, offen. In seinem Tagebuch vom Dhaulagiri (8167 m) erfahrt Ihr nun, warum es besser war, den Aufstieg letztlich nicht zu wagen. Ein tragischer Unfall überschattet den Aufstieg der chinesischen Gruppe.

10. Mai - Wir sind guten Mutes

Zeitig um 4:00 verlassen wir unseren Schlafsack. Purna und Chandra erwarten uns schon mit einem guten Frühstück. Um 5:00 ist es dann so weit, wir brechen ein letztes Mal auf Richtung Lager I. So wie wir den Wetterbericht laut Tabelle deuten konnten, sollten wir keine schlechten Chancen haben, den Gipfel zu erreichen. Wie immer versuchen wir, die Gefahrenstellen unter dem Eiger und im darauf folgenden Gletscherbecken so schnell wie möglich zu begehen. Wir kommen sehr gut voran und sind bereits um 9:00 im Lager I. Das Wetter ist bestens und wir nutzen den Tag zum Erholen, Essen und Trinken. Ich mag besonders den Cirkuhealth Schoko Drink, immer eine nette Abwechslung - Kakao auf dem Berg. Am Nachmittag gibt es einige Wolken und wieder etwas Schneefall, doch das Ganze hält sich noch in Grenzen. Auch die Nacht verläuft sehr ruhig.

11. Mai - Das Zelt ist weg!

Wir wachen heute ganz erholt um 6:00 auf. Nach einem gemütlichen Frühstück packen wir unsere Sachen. Das Wetter meint es wirklich gut mit uns, strahlend blauer Himmel und überhaupt kein Wind. Auch heute kommen wir im Aufstieg sehr gut voran. Zeitgleich mit uns ist eine Chinesische Bergsteigergruppe unterwegs. Die Gruppe ist so aufgeteilt, dass es pro Bergsteiger einen Sherpa gibt. Ab Lager II gehen dann alle aus dieser Gruppe mit Sauerstoff. Für uns ist das nicht schlecht, denn das heißt, wir haben 16 Menschen mit Sauerstoff rund um uns, davon 8 Sherpas, die beim Spuren helfen. Diese Konstellation ist nicht unbedingt von Nachteil. Etwa 1 Stunde bevor wir Lager II erreichen, beginnt es zu schneien und der Wind wird stärker. Wir erreichen Lager II nach vier Stunden Aufstieg um 13:00. Inzwischen ist der Wind schon sehr stark. Unser Zelt ist nicht mehr da! Es ist völlig im Schnee versunken. Auch die Zelte der Schweizer Gruppe sind fast verschwunden, das heißt, es schaut nur noch ein wenig vom Dach des Zeltes heraus. Für unser Ziel schaut es in diesem Moment wirklich nicht mehr gut aus. Meine ganze Gipfelausrüstung ist mit unserem Zelt verschwunden.


Wir beschließen, eines der Zelte einer anderen Gruppe freizuschaufeln, damit wir wenigstens über Nacht ein Dach über dem Kopf haben. Paul beginnt mit dem Ausgraben und ich mache mich derweil auf die Suche nach unserem Zelt. Inzwischen haben wir Sturm auf 6650 Metern. Nach drei Stunden schaufeln, hat Paul das Zelt der Kobler-Gruppe ohne Schaden freigelegt. Auch mir ist es inzwischen gelungen, unser Zelt zu finden. Unser Black Diamond Zelt liegt zwei Meter unter pickelhartem und windgepresstem Schnee - aber es ist ganz. Keine Stange ist gebrochen und auch die Hülle ist unversehrt. Wir haben Glück, dass wir es gefunden haben. Somit sind alle unsere Sachen, wie Essen, Bekleidung, ein Zelt für Lager III, etc., gerettet. Um 16:00 kriechen wir bei sehr starkem Wind zufrieden, aber erschöpft ins Zelt. Nun beginnt die Arbeit mit Schnee schmelzen, essen und kochen. Schon bald wird es dunkel. Der Wind lässt diesmal leider nicht nach und es beginnt etwas zu schneien. Wir sind immer noch guter Hoffnung. Die Chinesen haben derweil ihr Lager II etwa 50 Meter höher auf einer kleinen Ebene eingerichtet. Paul hat das Kochen sehr gut im Griff und im Nu sind alle Gefäße mit Flüssigkeit gefüllt.

Glück gehabt
Der Wind da draußen wird immer stärker und wir versinken langsam im Schnee. Wir müssen also immer wieder raus, um das Zelt freizulegen. Im Schnitt trifft es uns abwechselnd alle 15 bis 45 Minuten zum Schöpfen. Damit haben wir nicht gerechnet. Gegen Mitternacht wird es dann sternenklar, aber der Wind lässt nicht nach. Einmal sind wir für kurze Zeit beide eingenickt. Paul ist dann munter geworden, da er auf die Toilette musste. Das war unser Glück. In der kurzen Zeit war das Zelt bereits einen halben Meter unter dem Triebschnee verschwunden. Die Luftöffnung am Einstieg war komplett zu. Es ist zwar sehr angenehm, da wir den Sturm nicht mehr hören konnten, aber eine halbe Stunde mehr und wir wären eventuell nicht mehr munter geworden. Von diesem Zeitpunkt an verbrachten wir die Nacht ohne Schlaf mit abwechselndem wachen, schaufeln und auf den Morgen warten.

12. Mai - Die Nacht war zu hart

Am Morgen hat der Sturm dann ein wenig nachgelassen. Paul verbrachte die letzte Nacht mit Schüttelfrost und ich habe mich im Zuge des Zeltausgrabens einmal übergeben. Trotz Sonnenschein und wolkenlosem Himmel mussten wir bei starkem Wind eingestehen, dass es für uns ohne Sauerstoff nicht möglich ist, bzw. nicht sehr sinnvoll ist, weiter zugehen. Wir hatten unsere Chance und der Wind ist leider doch stärker als erhofft. Nach kurzem Überlegen haben wir beschlossen, abzusteigen. Ein weiterer Aufstieg ist bei diesen Bedingungen und nach so einer Nacht ein nicht mehr kalkuliertes Risiko, sondern eher Harakiri. Wir packen unsere gesamten Sachen und machen uns bei bereits wieder stärker werdendem Wind auf ins Lager I. Schweren Herzens verlassen wir den Berg. Im Lager I laden wir dann die restlichen Sachen noch einmal auf unsere Rucksäcke und dann geht es mit je 30 kg Richtung Basislager. Die Chinesen arbeiten sich in derselben Zeit mit Sauerstoff Richtung Lager III vor. Wir erreichen gegen Mittag das Basislager. Erschöpft und froh, dass wir heil angekommen sind, brauchen wir den Nachmittag, um uns von der letzten Nacht zu erholen. Am Abend erfahren wir, dass die Chinesen im Lager III angekommen sind, aber im Wind 2 Zelte verloren haben. Für uns wäre so eine Situation wohl ziemlich schlecht ausgegangen. Immer noch sehr müde kriechen wir gleich nach dem Abendessen wieder in den Schlafsack.

13. Mai - Die Zeit ist abgelaufen

Der heutige Tag beginnt wieder mit Sonnenschein und so wie es ausschaut mit sehr wenig Wind, zumindest im Basislager. Wir beginnen damit, das Lager abzubauen und unsere Sachen zu verpacken. Das nächste gute Wetterfenster sollte laut jetzigen Angaben erst wieder um den 21./22. Mai sein. Das ist für uns leider zu spät, unsere Zeit ist somit abgelaufen. Nun haben wir schon fast alles gepackt. Am Berg herrscht inzwischen wieder Sturm. Wie wir soeben mitbekommen haben, sind einige der Chinesen mit ihren Sherpas am Gipfel gewesen. Wir hoffen, dass alle wieder heil im Tal ankommen. Für uns wäre das heute bei diesem Wind ohne Sauerstoff sicher nicht möglich gewesen.


Wie auch immer, dieser Berg steht noch länger. Für uns war es ein schönes Erlebnis und im Anbetracht der objektiven Gefahren am Dhaulagiri sind wir froh, dass wir nun gesund die Heimreise antreten können. Eventuell kommen schon morgen unsere Träger, d.h. wir werden in ca. 3 Tagen Pokara erreichen und wenn alles klappt, sind wir zu Pfingsten wieder zu Hause. Einen letzten Bericht über das Trekking retour und die Heimreise werden wir zu Hause machen. Wir bedanken uns bei allen Freunden, die uns auf dieser Reise gedanklich begleitet haben und freuen uns schon auf zu Hause.

Schöne Grüsse aus dem Dhaulagiri Basislager
Stephan und Paul

Chinesen beim Abstieg verunglückt

Wie wir inzwischen (16. Mai) erfahren haben, kam ein Bergsteiger aus der chinesischen Gruppe beim Abstieg vom Gipfel des Dhaulagiri ums Leben und vier weitere Bergsteiger aus dieser Gruppe verletzten sich. Die chinesische Gruppe kam beim Abstieg wohl in starken Nebel und verunglückte. Die chinesische Botschaft in Nepal hat mittlerweile zwei Hubschrauber geschickt, um die Überlebenden der Expedition zu retten. Somit war Stephans und Pauls Entscheidung, den Gipfel bei diesen Wetterbedingungen nicht anzugehen genau die richtige. Das tragische Schicksal der chinesischen Bergsteiger verdeutlicht das verantwortungsvolle Handeln Stephans, nicht um jeden Preis auf die Gipfel dieser Erde zu kommen.

 

Details

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  • Star Vita: Stephan Keck (25.09.1973), geboren in Schwaz in Tirol, ist Bergführer, Tourenguide, Ski- und Snowboardlehrer, sowie Mental- und Motivationstrainer. Der Extrembergsteiger ist auf den höchsten Bergen der Welt unterwegs, unter anderem auf dem Mount Everest und dem Nanga Parbat war er schon. Für die die nächsten Jahre hat er zahlreiche weitere Projekte geplant. Er gründete das Hilfsprojekt step 0.1 mit dem er sich sozial engagiert.
  • Star Erfolge: Shisha Pangma (2004), Nanga Parbat (2006), Mount Everest (2008), uvm.

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