Die größten Sportskandale Teil 1 picture alliance

Die größten Sportskandale Teil 1

  • Marco Heibel
Der Sport produziert nicht nur strahlende Sieger oder tragische Verlierer. Große Skandale, die die Sportwelt in ihren Grundfesten erschüttern und es sogar zum Top-Thema in den Nachrichtensendungen und Tageszeitungen schaffen, gehören genauso dazu. Die netzathleten erinnern an die größten Eklats der Sportgeschichte.

Wie schon bei den größten Sport-Comebacks, handelt es sich auch bei den größten Sportskandalen nicht um ein Ranking im eigentlichen Sinne. Die netzathleten-Redaktion hat sich auf zehn Skandale festgelegt, an die nun in umgekehrter Chronologie (von aktuell bis zur Kategorie „Die älteren werden sich erinnern”) erinnert wird.

Das Wort „leider” ist in Verbindung mit „Skandal” zwar eigentlich unangebracht; doch einige große Skandale, wie die Affäre um den US-Pharmakonzern BALCO, der zahlreiche Spitzen-Leichtathleten über Jahre mit Dopingmitteln versorgt hat, oder die Spielmanipulationen von Olympique Marseilles Präsident Bernard Tapie in den 1990ern haben es „leider” nicht in diese Auflistung geschafft. Das liegt daran, dass der Sport leider – in diesem Fall ist das Wort nun wirklich angebracht – viel zu viele Skandale produziert hat, um sie an zwei Händen abzählen zu können.


Bereits während des Formel 1-Grand Prix von Singapur 2008 machten erste Manipulations-Gerüchte die Runde. Es war schon verwunderlich, dass gerade Renault-Pilot Fernando Alonso am meisten vom Unfall seines Teamkollegen Nelson Piqut jr. profitiert hat. Doch der Reihe nach: Bereits in Runde 12 war Alonso als erster Fahrer im Feld zu seinem ersten Boxenstopp gekommen – ungewöhnlich früh. Zwei Runden später fährt Piquet völlig unvermittlet in eine Mauer, das Safety Car kommt auf die Strecke. Während alle verbliebenen Fahrer im Rennen nun in die Box fahren, rückte Alonso, der nun urplötzlich die beste Ausgangsposition hat, Platz um Platz vor und gewinnt schließlich das Rennen.

 

Nach dem Ungarn-Grand Prix 2009 wird Nelson Piquet jr. von seinem Rennstall wegen Erfolglosigkeit entlassen. Wenige Tage später erklärt der geschasste Brasilianer, Teamchef Flavio Briatore und Chefingenieur Pat Symonds hätten ihn angewiesen, den Unfall in Singapur zu verursachen. Er selbst sei nur darauf eingegangen, um seinen Arbeitsplatz zu sichern. Im Verlauf der nächsten Wochen kommen immer mehr Details ans Tageslicht, die Briatore und Symonds so sehr belasten, dass sie schließlich von ihren Ämtern zurücktreten. Symonds wurde für fünf Jahre gesperrt, Briatore lebenslang.


Auch der Radsport hat immer wieder für Skandale gesorgt, der bislang größte von ihnen war aber wohl die Affäre um Eufemiano Fuentes. Der spanische Gynäkologe und damalige Teamarzt des Liberty Seguros-Rennstalls wurde im Mai 2006 zusammen mit Liberty Seguros-Teamchef Manolo Saiz bei einer Razzia der Guardia Civil festgenommen. Die Polizisten stießen hierbei in Fuentes’ Praxis u.a. auf Blutbeutel, Dopingmittel und eine Liste mit Codenamen von Fuentes’ vermeintlichen Kunden.

In den nächsten Wochen geben einzelne Radprofis ihren Kontakt zu Fuentes zu, ganze Rad-Teams ziehen sich zurück oder werden von Rennen ausgeschlossen. Die Geschichte spitzt sich am 30. Juni 2006 zu: Einen Tag vor dem Start der Tour de France wird den Organisatoren des Rennens eine Liste mit 58 Namen zugespielt, die allem Anschein nach zu Fuentes’ Kundenkreis zählen oder gezählt haben. Die Organisatoren beschließen, alle diese Fahrer, darunter die Favoriten Jan Ullrich und Ivan Basso, von der Tour auszuschließen.

Seitdem sind immer mehr Details aufgetaucht – mit unterschiedlichen Konsequenzen: So hat beispielsweise Ivan Basso 2007 zugegeben, mit Fuentes zusammengearbeitet zu haben. Er wurde für zwei Jahre gesperrt, fährt aber mittlerweile wieder. Jan Ullrich bestreitet bis zum heutigen Tag, jemals jemanden betrogen zu haben. Rennen gefahren ist er seit jenem 30. Juni 2006 nicht mehr. Knapp die Hälfte aller anderen verdächtigten Fahrer hat es ihm gleichgetan. Alberto Contador, der sich angeblich ebenfalls hinter einem der Codenamen verbergen soll, muss seitdem mit Dopinggerüchten leben. Trotz alledem, durfte er außer bei der Tour 2008 bei allen großen Rennen starten – und hat sie fast alle gewonnen: Tour de France 2007 und 2009; Giro d’Italia und Vuelta a Espana 2008.


Juventus Turin war in den späten 90ern und frühen 00er Jahren einer der erfolgreichsten Fußball-Clubs Europas: Zwischen 1995 und 2006 gewannen die Norditaliener einmal die Champions League und erreichten weitere drei Male das Finale. Hinzu kamen fünf italienische Meisterschaften – obwohl es genau genommen sieben waren. Doch die letzten beiden Scudetti aus den Jahren 2005 und 2006 wurden Juve im Nachhinein aberkannt. Und es kam noch viel schlimmer: Zwangsabstieg in die Serie B. Was war geschehen?

Im Mai 2006 kam die italienische Polizei einem weit verzweigten Manipulationsnetzwerk auf die Schliche. Darin involviert: Diverse Schiedsrichter aus dem Land des späteren Weltmeisters sowie einige Clubverantwortliche, u.a. von den Top-Teams Juventus Turin, AC Mailand und AC Florenz, die in Absprache mit den (Un)Parteiischen systematisch Spiele verschoben haben. Im Laufe der Ermittlungen kam heraus, dass Juventus Turin in Person seines Generalmanagers Luciano Moggi am tiefsten in diese Machenschaften involviert war.

Was folgte, war eine beinahe endlose Reihe von Prozessen und Berufungsverhandlungen, in deren Konsequenz Juventus Turin die Meistertitel 2005 und 2006 aberkannt wurden und der Verein in die zweite Liga zwangsabsteigen musste, während die anderen Clubs mit (immer weiter reduzierten) Punktabzügen davon kamen. Zahlreiche Manager, Funktionäre und Schiedsrichter wurden mit empfindlichen Sperren belegt.


K.O.-Spiele haben immer einen besonderen Reiz – erst recht, wenn es um so etwas Wichtiges geht wie eine WM-Teilnahme. So geschehen in der Relegation um den letzten freien Platz bei der WM 2006 in Deutschland zwischen der Türkei und der Schweiz in Istanbul. Die Schweizer hatten das Hinspiel in Basel mit 2:0 gewonnen, die Türken brauchten also einen Sieg mit drei Toren Vorsprung, um sich noch zu qualifizieren. Das hart umkämpfte Rückspiel endete 4:2 für die Türkei, die Schweizer waren wegen der mehr erzielten Auswärtstore für die WM qualifiziert.

Die Stimmung war bereits während des Spiels aufgeheizt, doch nach dem Abpfiff entluden sich die Emotionen in einer für europäische Verhältnisse nie dagewesenen Aggressivität: Rangeleien und tätliche Angriffe zwischen Spielern, Betreuern und Ordnern beider Lager auf dem Feld und im Kabinengang. Nach Ansicht des Videomaterials sprach die FIFA empfindliche Sperren gegen einzelne Spieler aus (bis zu sechs Spiele) und belegte die Türkei zudem mit einer Platzsperre von drei Heimspielen.

In der ersten DFB-Pokalrunde der Saison 2004/05 zwischen dem Drittligisten SC Paderborn und dem Erstligisten Hamburger SV ging es schon etwas seltsam zu: Der HSV hatte das Spiel im Griff, bis der junge Schiedsrichter Robert Hoyzer umstrittene Entscheidungen fällte: Rot gegen Hamburgs Mpenza sowie zwei äußerst fragliche Elfmeter zu Gunsten der Paderborner. Paderborn gewann letztlich mit 4:2. Die Leistung des Schiedsrichters wurde zwar diskutiert, geriet aber in der schnelllebigen Welt des Fußballs bald in Vergessenheit. Fall scheinbar erledigt.

Im Januar 2005 wurde dann bekannt, was zunächst keiner glauben wollte. Vier Schiedsrichter-Kollegen Hoyzers informierten den DFB, dass sie Bestechungsgerüchte über diesen aufgeschnappt hätten. Über Nacht wurde Hoyzer bekannt, tingelte durch Talk-Shows und wehrte sich vehement gegen die Vorwürfe. Peu à peu kam jedoch die Wahrheit ans Licht: Hoyzer (und seinem Berliner Schiedsrichter-Kollegen Dominik Marks) konnten Verbindungen zur kroatischen Wettmafia in Berlin nachgewiesen werden. Hoyzer hatte insgesamt sechsstellige Summen angenommen, um mindestens 11 Spiele nach dem Gusto seiner Auftraggeber zu beeinflussen – mit unterschiedlichem Erfolg.

Am 27. Januar 2005 legte Hoyzer ein umfassendes Geständnis ab. Später wurden zwei Verfahren gegen Hoyzer angestrengt: eines vom DFB (Strafmaß: lebenslange Sperre sowohl als Schiedsrichter als auch als Spieler, Trainer oder Betreuer) sowie ein strafrechtliches (Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 5 Monaten ohne Bewährung durch das Landgericht Berlin wegen Beihilfe zum Betrug). Mittlerweile hat Hoyzer seine Strafe verbüßt, der Imageschaden für den deutschen Fußball knapp ein Jahr vor der WM im eigenen Land war jedoch riesig.

Marco Heibel

Im zweiten Teil: Haarspalterei, Knabbereien und die Mutter aller Skandale

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