Sieger ohne Schnellster zu sein? – Alternative Wertungen im Sport istockphoto.com/vndrpttn

Sieger ohne Schnellster zu sein? – Alternative Wertungen im Sport

  • Marco Heibel
Im Laufsport gibt es mittlerweile einige wenige Wettkämpfe, bei denen der Erste im Ziel nicht zwangsläufig der Sieger ist. Alternative Wertungssysteme machen es möglich. Eine interessante Idee, die vor allem „Mara-Tonnis“ ganz neue Möglichkeiten eröffnet.

Der Halbmarathon im oberbayerischen Altötting zählt – bei aller Wertschätzung – ebenso wenig zur Crème de la Crème der internationalen Laufszene, wie der Forster Gewichtslauf (Lausitz). Was beide Wettbewerbe vereint, ist jedoch eine gewisse Vorreiterrolle. Denn bei diesen beiden Läufen fällt die Entscheidung über den Sieg erst, wenn alle Starter im Ziel sind.

Halbmarathon Altötting: Alter schützt vor Leistung nicht


Beim Altöttinger Halbmarathon (nächste Auflage: 4. September 2011) ist Zeit wirklich relativ. Sieger dieses Rennens ist, wer am nächsten an den Streckenrekord seiner Altersklasse kommt oder diesen sogar übertrifft.

So kam der Gesamtsieger des Altöttinger Halbmarathons im Jahr 2005 aus der Altersklasse M 75. Mit seiner Zeit von fast 1:40 Stunden war ein gewisser Walter Bittmann zwar knapp 36 Minuten langsamer als der erste Läufer im Ziel, der Kenianer Vincent Krop auf der männlichen Hauptklasse (MHK). Doch Bittmanns Zeit war nur um 4,46 Prozent langsamer als der Streckenrekord seiner Altersklasse, während Krop um 5,06 Prozent hinter der Bestmarke der MHK zurückblieb. Und bei den Damen gelang es dank dieser Altersregel einer Frau aus der AK 50, zwischen 2006 und 2009 die wesentlich jüngere Konkurrenz in Schach zu halten.



Fazit: Dieses Wertungssystem macht das Rennen „gerechter“, weil theoretisch jeder Starter gewinnen kann, auch wenn er nicht mehr zu absoluten Topzeiten in der Lage ist. Allerdings hängen die Siegchancen auch stark mit dem Streckenrekord zusammen. Würde beispielsweise im nächsten Jahr ein ehemaliger Weltklasseläufer in der AK 50 an den Start gehen und seinen Altersrekord „pulverisieren“, würde er die Siegchancen für Starter aus dieser Altersklasse deutlich verringern.

Forster Gewichtslauf: Jedes Gramm kann zählen


Bei vielen Laufwettbewerben herrscht kurz vor dem Startschuss an den Dixi-Klos ein ähnlich großes Gedränge wie in den Startblocks. Beim Forster Gewichtslauf über 10 Kilometer (nächste Auflage: 18. März 2011) kann der Gang zum Klo jedoch in die Hose gehen. Denn hier wird der Sieger durch einen Quotienten aus Zielzeit und Körpergewicht (Volle Minuten geteilt durch volle Kilogramm) ermittelt. Und da kann jedes Gramm über Sieg oder Niederlage entscheiden.

So konnte sich im vergangenen Jahr der 93 Kilogramm schwere Thomas Rosse mit einer Zeit von 40:14 Minuten den Sieg sichern (Quotient 0,430). Der schnellste Läufer des Wettbewerbs, Zoltan Senczyszyn, erreichte das Ziel zwar bereits nach 35:09 Minuten, doch er erzielte mit 0,432 lediglich den zweitbesten Quotienten aller Starter, weil er „nur“ 81 Kilogramm auf die Waage brachte.

Noch bemerkenswerter sind die nackten Zahlen des Drittplatzierten Wolf-Ulrich Raffel beim Forster Gewichtslauf. Der brachte nämlich stolze 108 Kilogramm auf die Waage und erreichte das Ziel nach 51 Minuten. Der Quotient von 0,472 bescherte Raffel somit den dritten Rang, obwohl er das Ziel erst als 26. erreicht hatte.

Fazit: Dieses Wertungssystem begünstigt „Mara-Tonnis“, die trotz ihres hohen Gewichts relativ flott unterwegs sind. Ein leichter Läufer hätte in Forst nie im Leben eine Siegchance. Zur Verdeutlichung: Marathon-Weltrekordler Haile Gebrselassie aus Äthiopien bringt in Wettkampfphasen ungefähr 55 Kilogramm auf die Waage. Um 2010 in Forst zu gewinnen, hätte er unter diesen Voraussetzungen eine Zeit von unter 24 Minuten erzielen müssen. Der 10.000m-Weltrekord, gehalten von Kenenisa Bekele,  liegt bei 26:17Minuten – und zwar auf der wesentlich schnelleren Bahn.

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