Dirk Nowitzki - Das Ende der Loyalität? picture-alliance

Dirk Nowitzki - Das Ende der Loyalität?

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Am Morgen nach dem erneuten Playoff-Aus der Dallas Mavericks ist nichts mehr wie es einmal war. Nach zwölf Jahren im Mavs-Jersey könnte Dirk Nowitzkis Zeit in Dallas zu Ende gehen. Steht sein Abschied bevor?

Als nach 48 Minuten Hoffnung und Bangen im AT&T Center zu San Antonio der Buzzer erklingt und 18.500 Zuschauer den Sensationssieg der Spurs in der ersten Runde der Playoffs 2010 feiern, bleibt Dirk Nowitzki nichts anderes übrig, als seinen Konkurrenten zu gratulieren.

Wieder einmal gingen er und seine Dallas Mavericks mit der optimalen Ausgangssituation eines zweiten Platzes in der Conference, dem Heimvorteil im Rücken und großen Erwartungen in eine Postseason und abermals stürzten alle Pläne, alle Erwartungen und Träume letztendlich doch nur wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Die 97:87-Schlappe im sechsten Spiel der Serie gegen die Spurs bedeutet für Nowitzki und seine Mavericks das dritte Erstrunden-Aus in den letzten vier Jahren und nach der brutalen Niederlage gegen die seiner Zeit 2007 an Platz Nummer acht gesetzten Golden State Warriors den zweiten überraschenden Abgang in einer Erstrundenserie gegen einen schlechter platzierten Konkurrenten.

Auf ein klares Bekenntnis zu der Franchise, bei der das German Wunderkind seine Karriere vor fast zwölf Jahren begonnen hatte, ließ er Fans und Presse nach dem Spiel vergeblich warten. Enttäuscht teilte er mit, dass die Erlebnisse momentan noch zu frisch seien und er seine persönliche Zukunft bisher noch nicht überdacht habe.

"Ich schätze, dass ich jetzt Zeit haben werde, um über ein paar Dinge nachzudenken", sagte Nowitzki dann vor versammelter Presse und hatte dabei wohl eine bestimmte Klausel in seinem eigentlich noch bis 2011 laufenden Vertrag in Dallas im Sinn. Wo er vor wenigen Wochen noch mit dem Gedanken spielte, seinen Kontrakt in Texas vorzeitig zu verlängern, dürfte für ihn nach der erneuten Enttäuschung nun immer mehr die Möglichkeit in den Vordergrund rücken, die ihm zustehende Vertragsoption nicht zu ziehen und bereits in diesem Sommer die Gewässer der Free Agency auszutesten.

Der Deutsche steht nun, in den kommenden Monaten, am Scheidepunkt seiner Karriere. Mit seinen 31 Jahren befindet er sich zwar noch im besten Basketballalter, doch die biologische Uhr läuft mittlerweile gegen ihn. Für den einstigen MVP geht es nicht mehr nur darum, die Franchise zum Ruhm zu führen, für die er in den letzten Jahren alles gegeben hat, sondern auch um seinen persönlichen Platz in den Annalen der besten Basketballliga der Welt und darum, endlich einen NBA Championship-Ring sein Eigen nennen zu können.

Inwiefern er dieses Ziel in den nächsten Jahren mit den Mavericks erreichen kann, ist fragwürdig. Dallas-Besitzer Mark Cuban versucht seit Jahren, das zweitteuerste Team der Liga als echten Titelanwärter zu etablieren, holte in den letzten Jahren Legenden wie Jason Kidd, All-Stars wie Shawn Marion und versuchte das Team im Februar mit einem Trade für Caron Butler und Brendan Haywood abermals aufzuwerten, doch wieder schlugen alle Versuche fehl.


Sollte sich Nowitzki für die Vertragsauflösung entscheiden, würde er zu einer elitären Gruppe stoßen, die mit LeBron James, Dwyane Wade, Chris Bosh, Joe Johnson, David Lee und Ray Allen bereits mit einigen Hochkarätern besetzt ist. Zahlreiche Franchises, darunter ehemalige Champions wie die Chicago Bulls und die New York Knicks, haben in Erwartung dieser Marktsituation bereits für Platz unter ihrem Gehaltslimit gesorgt.

Wird das, was für viele Mavericks-Fans vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar schien, in diesem Sommer zur bitteren Realität, dürfte das Interesse an Nowitzki gewaltig sein. Chris Bosh und Dirk Nowitzki zusammen im Jersey der New York Knicks? Oder bleibt Dwyane Wade in Miami und lotst den Deutschen in den Sonnenstaat Florida? Die Möglichkeiten sind nicht nur vielfach, sondern teilweise auch vielversprechend.

In Chicago beispielsweise könnte Nowitzki zum entscheidenden Puzzle-Stück werden, dass die einst glorreiche Franchise aus der Windy City wieder zum alljährlichen Titelanwärter werden lässt. Denn während der junge Stamm der Bullen um Derrick Rose, Kirk Hinrich, Joakim Noah und Luol Deng im Sommer intakt bleiben wird, wird die Franchise die Verträge von Brad Miller, Jerome James und Tim Thomas los, die zuvor einen Großteil der Salary Cap eingenommen hatten, und schafft damit den Platz für einen weiteren Star-Spieler. In der Eastern Conference, in der die Leistungsdichte unter den Teams traditionell niedriger ist als im Westen der Liga, könnte Nowitzkis Erfahrung den Bulls helfen, sich wieder in der Spitze zu etablieren.

Oder nehmen wir das Szenario eines Wechsels zu den New Jersey Nets an, die im Sommer wohl nicht nur an erster Stelle des NBA-Drafts den Spielmacher John Wall verpflichten werden, sondern mit dem russischen Milliardär Mikhail Prokhorov auch einen neuen Besitzer bekommen werden, der bereit ist, das nötige Geld zu investieren, um die Nets in ihrem neuen, wohl 2012 fertigen eine Milliarde Dollar teuren Barcley's Center auch sportlich wieder zu einem Gewinner zu machen. Mit nur 22 Millionen Dollar auf der fixen Gehaltsliste hätte Prokhorov theoretisch die Möglichkeit, gleich zwei Superstars nach Brooklyn zu locken und könnte somit der Gewinner im Kampf um die Dienste von LeBron James werden, falls die Cavaliers auch in diesem Jahr vorzeitig aus den Playoffs ausscheiden sollten. Die Kombination aus John Wall, Devin Harris, Dirk Nowitzki und LeBron James würde ein Gerüst darstellen, das mit der sinnvollen Ergänzung von Rollenspielern wohl in den nächsten fünf oder sechs Jahren um einen Titel mitspielen würde.

Bis zum 1. Juli wird Nowitzki nun Zeit haben, sich nicht nur das Szenario eines Verbleibs in Dallas durch den Kopf gehen zu lassen, sondern sich auch Gedanken darüber zu machen, ob das Gras auf der anderen Seite nicht tatsächlich grüner ist, als in der Einöde der texanischen Wüste. Fest steht, dass der nächste Vertrag, den er unterschreiben wird, wohl zugleich auch sein letzter in der NBA sein wird. Der Frage, ob er bei einem Team bleiben möchte, dass in den letzten zwölf Jahren vergeblich versuchte, sich als echter Titelanwärter zu etablieren, muss er sich deswegen stellen. Trotz aller Verbundenheit zur Franchise, trotz aller Verbundenheit zu Besitzer und Freund Mark Cuban, die Frage drängt sich auf, ob Nowitzki auf der Jagd nach seinem Traum nicht woanders besser postiert wäre.

Nicht nur, um erneut enttäuschende Auftritte in den Playoffs in Zukunft zu minimieren, sondern auch um dafür zu sorgen, dass der Großteil seiner Konkurrenten demnächst ihm zum Erreichen der nächsten Runde gratulieren wird.

Dirk Nowitzki befindet sich im besten Basketballalter. Zeit also, endlich seinen Traum zu verwirklichen.

Max Selow

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