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Serientäter – Meilensteine des Sports

  • Marco Heibel
Ein Olympiasieg oder eine WM-Titelverteidigung sind schon etwas ganz Außergewöhnliches. Doch was die folgenden fünf Sportler in ihrer Karriere erreicht haben, geht noch einmal darüber hinaus. Sie haben wahre Meilensteine in ihrem Sport gesetzt, die womöglich nie wieder erreicht werden.

Meilenstein Nummer 1: 1988 Steffi Graf gewinnt den „Golden Slam” im Tennis


Den „Grand Slam“ im Tennis zu gewinnen, das ist schon eine echte Rarität. Insgesamt ist es bislang lediglich fünf Menschen geglückt, in einem Kalenderjahr die Einzelkonkurrenzen bei den Australian Open, den French Open, in Wimbledon und bei den US Open für sich zu entscheiden (Don Budge, Maureen Connolly, Rod Laver, Margaret Smith Court und Steffi Graf). Wer den Grand Slam gewinnen will, darf sich von Januar bis September keine Formkrise gönnen und muss zudem sowohl auf Hartplatz, Asche und Rasen gleichsam siegfähig sein.

Zuletzt ist dieses Kunststück Steffi Graf gelungen, und zwar im Jahr 1988. Die damals 19-jährige hatte gerade erst angefangen, das Damentennis beinahe nach Belieben zu dominieren: 1987 hatte sie ihr erstes Grand Slam-Turnier gewonnen (die French Open) und erstmals die Spitze der Weltrangliste erklommen. 1988 sollte sie dieses Ergebnis aber noch einmal toppen – und im Nachhinein betrachtet den absoluten Zenit ihrer bis 1999 andauernden Tenniskarriere erreichen.



Die Australian Open im Januar ’88 gewann Steffi Graf ohne Satzverlust. Im Finale schlug sie die langjährige Nummer eins der Weltrangliste, die US-Amerikanerin Chris Evert, mit 6:1 und 7:6. Ihr Sieg bei den French Open im Juni 1988 kam beinahe einer Demontage der Konkurrenz gleich: Nachdem sie das Finale erneut ohne Satzverlust erreicht hatte, bezwang sie ihre Gegnerin Natasha Zvereva in nur 34 Minuten mit 6:0 und 6:0. Einen Monat später besiegte sie in Wimbledon im Duell der Generationen Martina Navratilova mit 5:7, 6:2 und 6:1, ehe sie im September bei den US Open mit einem Drei-Satz-Sieg gegen die Argentinierin Gabriela Sabatini (6:3, 3:6, 6:1) den begehrten Grand Slam perfekt machte.

1988 war jedoch ein besonderes Tennis-Jahr: Erstmals seit 1920 gab es in Seoul wieder ein Olympisches Tennisturnier. Mit ihrem Finalsieg, erneut gegen Sabatini, gelang Steffi Graf eine Einmaligkeit, wie sie kaum zu wiederholen sein wird – und für die es bis dato noch keinen Namen gab. Der neu eingeführte Begriff „Golden Slam“ bezeichnet seitdem die Kombination aus dem Grand Slam und Olympia-Gol in einem Jahr. Ob noch einmal jemand den Golden Slam gewinnen wird? Vermutlich sind die Chancen höher, den nun folgenden Rekord zu brechen – und selbst das erscheint unmöglich.

Meilenstein Nummer 2: Lance Armstrong gewinnt siebenmal in Folge die Tour de France


Was ist nicht alles schon über Lance Armstrong gesagt und geschrieben worden? Einer der größten Doping-Sünder des Sports sei er, ein hyperehrgeiziger Kannibale im Stile eines Eddy Merckx, ein großer Champion, und noch vieles mehr. Am besten charakterisiert man ihn aber wohl mit dem Namen „Tourminator“.

Es gab vor Lance Armstrong bereits vier Radsportler, die das bedeutendste Radrennen der Welt, die Tour des France, fünfmal gewinnen konnten: die Franzosen Jacques Anquetil und Bernard Hinault, der Belgier und Armstrong-Freund Eddy Merckx und der Spanier Miguel Indurain. Letzterer gewann die Tour sogar fünfmal in Folge (1991 bis 1995). Der US-Amerikaner Lance Armstrong sollte alle Tour-Legenden mit seinen sieben Siegen zwischen 1999 und 2005 jedoch in den Schatten stellen.

Nach seiner Genesung vom Hodenkrebs kehrte der 1993er Straßenradweltmeister Lance Armstrong im Jahr 1998 in den Profizirkus zurück, und zwar als ein anderer Typ Fahrer. War er vor seiner Krebserkrankung ein eher bulliger Fahrer gewesen, wie geschaffen für Eintagesrennen, aber ohne Chancen auf den Gesamtsieg bei großen Rundfahrten, sah man ab 1998 einen weitaus drahtigeren Lance Armstrong.

Der Sieg bei der Tour de France war von nun an sein offizielles Saisonziel, dem er alles andere unterordnete. Armstrong fuhr nicht mehr bei den Frühjahrsklassikern, von denen er zuvor einige gewinnen konnte. Er zeigte sich auch nicht beim Giro d’Italia, sondern bereitete sich mit zahlreichen Trainingseinheiten in den Alpen und Pyrenäen und mit nur wenigen Teilnahmen bei Rennen im Mai/Juni gezielt auf die Tour de France vor – eine Strategie, die heute von vielen Rundfahrern mit Sieg-Ambitionen bei der Großen Schleife angewandt wird, und zwar aus gutem Grund.

Denn in den Jahren 1999 bis 2005 konnte kein anderer Radrennfahrer dem Texaner bei der Tour de France das Wasser reichen. Weder Alex Zülle, noch Fernando Escartin, Jan Ullrich, Joseba Beloki, Andreas Klöden oder Ivan Basso waren in der Lage, Armstrong vom Thron zu stoßen. Armstrong konnte einfach alles ein bisschen besser als die Konkurrenz: Zeitfahren, Klettern, Rollen und wenn es sein musste sogar Sprinten.

Seine sieben Tour de France-Siege in Folge bedeuten eine Marke, die kaum zu brechen sein wird. Allenfalls (offizielle) positive Dopingtests aus den Jahren 1999 bis 2005 könnten daran etwas ändern – auch auf die Gefahr hin, dass dadurch jemand zum Sieger würde, der möglicherweise ebenfalls etwas nachgeholfen hätte…

Meilenstein Nummer 3: Michael Schumacher wird fünfmal in Folge Formel-1-Weltmeister


Michael Schumacher hält alle wichtigen Rekorde in der Formel 1. Und der wichtigste von allen ist natürlich der mit den meisten WM-Titeln: Zwischen 1994 und 2004 wurde der Kerpener siebenmal Weltmeister. Und derzeit arbeitet er ja daran, dass es noch mehr Titel werden. Doch selbst wenn das Schumacher-Comeback so erfolgreich verlaufen sollte, wie er es sich selbst wünscht, wird er nach Menschenermessen zumindest unseren Meilenstein Nummer 3 nicht knacken können:

Zwischen 2000 und 2004 dominierte Michael Schumacher im Ferrari die Konkurrenz nach Belieben. Einige werden sagen, dass dies die langweiligste Phase in der Geschichte des Motorsports war (vor allem die britische Yellow Press und Schumachers Ex-Teamkollege Eddie Irvine taten sich hier hervor). Doch seien wir mal ehrlich: Was kann Herr Schumacher dafür, wenn er seine Hausaufgaben um Einiges besser macht als die Konkurrenz? Und immerhin musste er dafür ja auch vier Jahre Aufbauarbeit bei Ferrari leisten.

Als er nämlich 1996 als frischgebackener Doppelweltmeister zu den „Roten“ stieß, war das Team vom WM-Titel etwa so weit entfernt wie die Fußball-Nationalmannschaft San Marinos von einer WM-Teilnahme. Doch Jahr für Jahr rückte der Ferrari näher an die Konkurrenz von Williams und McLaren heran, ehe die Scuderia im Jahr 2000 erstmals das beste Auto im Feld stellte.

Von da an fuhr Schumacher die Klasse seines Vehikels dann schlicht und einfach aus. 48 Grand-Prix-Siege in fünf Jahren, also im Schnitt fast 10 pro Saison, sprechen eine deutliche Sprache. Am eklatantesten war Schumachers Überlegenheit in den Jahren 2002 und 2004, wo er mit 144 bzw. 148 WM Punkten in einer Saison jeweils einen neuen Punkterekord aufstellte. 2002 sorgte er zudem für die schnellste WM-Entscheidung der Geschichte: Bereits am 21. Juli, nach dem 11. von 17 Rennen, lag Schumacher in der Fahrerwertung uneinholbar vorne.

Der Bruch kam dann 2005. Die Kombination Ferrari/Bridgestone (Reifenpartner) büßte seinen uneinholbar scheinenden technischen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz in einem Winter ein und hatte gegen die mit Michelin bereiften Renault und McLaren keine Chance. Schumacher hatte zu keinem Zeitpunkt der Saison realistische Aussichten auf den WM-Titel. Und auch seinen einzigem Saisonsieg in jenem Jahr hatte er glücklichen Umständen zu verdanken: Beim Skandalrennen von Indianapolis mussten alle mit Michelin bereiften Teams aus Sicherheitsgründen ihre Fahrzeuge zurückziehen. An den Start gingen nur die drei Bridgestone-Teams Ferrari, Jordan und Minardi. Wer hat da wohl gewonnen? Und wen wundert’s da, dass die Amerikaner mit der Formel 1 nie so richtig warm wurden?

Meilenstein Nummer 4: Sven Hannawald gewinnt alle Springen der Vierschanzentournee


Die Vierschanzentournee der Skispringer wird nicht zu Unrecht mit dem Grand Slam im Tennis verglichen. Die Schanzen in Oberstdorf und Bischofshofen etwa sollen ungefähr so viel gemeinsam haben wie ein Tennisspiel auf Asche mit einem auf Rasen – von der Bedeutung des Events einmal ganz abgesehen.

Im Unterschied zum Grand Slam im Tennis, galt der Vierfach-Sieg eines Springers bei der Tournee jedoch lange Zeit nicht nur als schwierig, sondern sogar als Ding der Unmöglichkeit. Mehr als einer Handvoll Springern war es bereits gelungen, die ersten drei Springen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck zu gewinnen, doch beim letzten Springen in Bischofshofen flatterten ihnen allen die Nerven – zumindest bis zur Vierschanzentournee 2001/2002, zu der Sven Hannawald aus Hinterzarten im Schwarzwald in der Form seines Lebens antrat.

Hannawald strotzte in jenem Jahr vor Selbstvertrauen, dominierte sämtliche Trainings und ließ vor jedem Springen die Qualifikation aus. Auf diese Weise musste er bei jedem Wettkampf im ersten Durchgang im letzten Duell gegen den Sieger der Qualifikation antreten. Doch Hannawald sah das nicht als Nachteil. Schließlich konnte er so auch schon einschätzen, wie stark die Konkurrenz war, und wusste, wie weit er zur Bestweite fliegen musste.

So beendete Hannawald dann auch in jedem der vier Springen den ersten Durchgang als Führender, ging jeweils als Letzter (sprich: Bestplatzierter) in den zweiten Durchgang und hielt jedes Mal dem Druck stand – er gewann letztlich als erster und bisher einziger Skispringer alle vier Wettbewerbe. Nach diesen acht Sprüngen betrug Hannawalds Vorsprung auf den Tournee-Zweiten Matti Hautamäki (Finnland) in Weite umgerechnet fast 32 Meter. Auch das ist natürlich Rekord.

Meilenstein Nummer 5: Michael Phelps holt in Peking acht Mal Olympiagold und wird erfolgreichster Olympionike aller Zeiten


Es gibt vermutlich Schlimmeres, als sich bereits mit 23 Jahren erfolgreichster Olympionike aller Zeiten nennen zu dürfen. Nachzufragen wäre das bei Michael Phelps. Der US-Schwimmer hatte bereits bei seiner ersten Olympiateilnahme in Athen 2004 als 19-jähriger sechs Goldmedaillen (bei acht Starts) gewonnen. Schon damals hatte er das Ziel ausgegeben, den Uralt-Rekord seines Landmanns Mark Spitz zu brechen. Dieser hatte 1972 in München bei sieben Starts jeweils das Optimum erreicht. Doch zwei dritte Plätze über 200 Meter Freistil und mit der 4x100-Meter-Freistilstaffel verhinderten dieses Ziel zumindest vorübergehend.

Vier Jahre später in Peking gelang es Phelps nämlich letztlich dann doch, bei acht Starts achtmal als Sieger das Becken zu verlassen (fünf Mal im Einzel und drei Mal in der Staffel). Mit insgesamt 14 Gold- und zwei Bronzemedaillen bei 16 Starts machte er sich nebenbei gleich mit weitem Abstand zum erfolgreichsten Olympiateilnehmer aller Zeiten. Und da Phelps aller Voraussicht nach auch in London 2012 noch einmal dabei sein wird, könnte er seinen Vorsprung auf die russische Kunstturnerin Larissa Latynina weiter ausbauen. Diese hat zwischen 1956 und 1964 „nur“ neun Mal Gold gewonnen.

Weitere "Serientäter": Von Heiden bis Björndalen


Nicht vergessen sollte man im Falle von Michael Phelps, dass ein Schwimmer – erst recht, wenn er so vielseitig ist wie Phelps – natürlich wesentlich mehr Chancen auf Gold hat als etwa ein Stabhochspringer.

Neben Phelps gibt es nämlich noch einige andere Sportler, die „voll abgeräumt“ haben: Neben dem bereits erwähnten Mark Spitz ist hier vor allem die Schwimmerin und heutige ZDF-Moderatorin Kristin Otto zu nennen, die 1988 in Seoul sechs Mal Gold für die DDR gewann. US-Eisschnellläufer Eric Heiden gewann 1980 in Lake Placid bei seinen einzigen Olympischen Spielen fünf Mal Gold bei fünf Starts.

Und auch der erfolgreichste Biathlet der Geschichte, Ole Einar Björndalen, der allein wegen der unglaublichen Zahl von bis dato 92 Weltcupsiegen (91 im Biathlon, 1 im Langlauf) einen eigenen Eintrag verdient hätte, gewann 2002 in Salt Lake City alle vier möglichen Goldmedaillen im Biathlon. Im Motorsport sind die insgesamt 15 WM-Titel, die der Italiener Giacomo d’Agostini in verschiedenen Motorrad-Klassen erringen konnte, sicher ein weiterer uneinholbarer Meilenstein.

Material für eine Fortsetzung wäre also vorhanden. Doch Fortsetzungen sind nicht zwangsläufig so gut wie das Original, nachzufragen bei den Machern diverser Filme. Darum sollte manchmal der erste Teil auch der letzte sein…

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