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Rivalen der Arena – Große Sportduelle

  • Marco Heibel
Bereits in der Literatur der Antike waren die Menschen von großen Duellen fasziniert, wie etwa dem Kampf zwischen Achilles und Hector in Homers „Ilias“. Bis heute hat sich daran wenig geändert, auch wenn Sportler an die Stelle der Krieger getreten sind. Die netzathleten erinnern an die größten Sport-Duelle.

Rivalitäten sind für einen Sportler ein zweischneidiges Schwert. Vermutlich wünscht sich niemand, einen Gegner zu haben, der ihn bis auf das Letzte fordert. Auf der anderen Seite sorgt ein solcher Rivale dafür, dass man selber immer wieder an seine Grenzen gehen muss und so möglicherweise besser wird als man ohne diesen Konkurrenten je geworden wäre.

Was das Publikum und die Medien angeht, fällt die Bewertung da schon eindeutiger aus. Es macht einfach Spaß, wenn es irgendwo kracht und die Emotionen offen zu Tage treten. Solche Duelle, in denen sich die Sportler nichts schenken, werden später möglicherweise sogar zu so genannten „Klassikern“.

Daley Thompson gegen Jürgen Hingsen (Leichtathletik)


Die Rollen zwischen den beiden Zehnkämpfern Daley Thompson (Großbritannien) und Jürgen Hingsen (Deutschland) waren klar verteilt: Jürgen Hingsen ist, ohne ihm und seinen Leistungen zu nahe treten zu wollen, quasi zum Sinnbild der Nummer zwei geworden.

Bereits 1980 in Moskau gewann Thompson Olympia-Gold, während Hingsen aufgrund des Olympia-Boykotts der deutschen Mannschaft zum Zuschauen verurteil war. Zum ersten großen Aufeinandertreffen der beiden Widersacher kam es daher erst bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1982 in Athen: Hingsen erzielte beachtliche 8.517 Punkte, konnte sich jedoch „nur“ über Silber freuen, weil Thompson an diesen beiden Wettkampftagen über sich hinaus wuchs und mit 8.743 Punkten einen neuen Weltrekord aufstellte.

Doch auch die Tatsache, dass Hingsen bei kleineren Meetings gleich dreimal zwischen 1982 und 1984 den Thompson-Weltrekord verbessern konnte, änderte bei den nächsten Großereignissen nichts am Ausgang: Sowohl bei der Leichtathletik-WM 1983 in Helsinki als auch bei den Olympischen Sommerspielen 1984 in Los Angeles und den Europameisterschaften 1986 in Stuttgart war Gold für den Briten und Silber für den Deutschen reserviert.



Hingsens „Problem“: Im Vorfeld dieser Großereignisse hatte der Deutsche nie einen Zweifel daran gelassen, dass er Thompson schlagen werde und des Öfteren auch mal den Lautsprecher gespielt. In Interviews bezeichnete Thompson seinen Widersacher daher als „Hollywood-Hingsen.“

Das eigentliche Drama aus Hingsens Sicht ereignete sich jedoch erst bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul: Erstmals war Thompson nicht in Form, und die Goldmedaille für den Duisburger scheinbar in Reichweite. Doch anstatt die Schwäche seines großen Widersachers auszunutzen (Thompson wurde am Ende sogar nur Vierter), fabrizierte Hingsen gleich bei der ersten Disziplin, dem 100-Meter-Lauf, drei Fehlstarts und wurde vom Wettkampf ausgeschlossen.

Heike Drechsler gegen Jackie Joyner-Kersee (Leichtathletik)


Auch zwischen zwei Frauen gab es einige brisante Duelle: In gleich drei sportlichen Wettkämpfen standen sich die Weitspringerinnen Heike Drechsler (DDR) und Jackie Joyner-Kersee (USA) in einem Finale gegenüber und verlangten sich gegenseitig alles ab. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul konnte sich Jackie Joyner-Kersee mit einer Weite von 7,40 m durchsetzen, Heike Drechsler belegte mit 7,22 m Rang zwei.

Drei Jahre später bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Tokio gewann die Amerikanerin wieder gegen die nun für das vereinigte Deutschland startende Heike Drechsler im Finale. Dieses Mal behielt die US-Amerikanerin mit 7,32m abermals die Oberhand, wenn auch „nur“ um 3 Zentimeter.

Bei den Olympischen Spielen in Barcelona 1992 konnte sich Heike Drechsler für die zwei verlorenen Weitsprungfinals jedoch revanchieren und siegte mit einem Sprung von 7,14 m über ihre langjährige Rivalin Jackie Joyner Kersee.

Boris Becker gegen Michael Stich (Tennis)


Boris Becker hatte sich zu aktiven Zeiten mit einigen Konkurrenten große Duelle geliefert. Da wäre Pete Sampras zu nennen, aber auch Andre Agassi, Stefan Edberg, Ivan Lendl oder John McEnroe. Doch wenn man ehrlich ist, gibt es aus deutscher Sicht nur ein Duell, das es verdient, hier genannt zu werden: Boris Becker gegen Michael Stich.

Becker gegen Stich, das hatte etwas was von dem Eroberer und der ein paar Jahre später eintreffenden Nachhut, die nun Ansprüche auf das Königreich erhebt: Obwohl beide Sportler fast gleich alt sind, betrat Becker bereits 1985 die Weltbühne des Tennis. Becker war es, der bereits 5 Grand-Slam-Turniere und zweimal den Davis Cup gewonnen, sowie einen gewaltigen Tennis-Boom in Deutschland ausgelöst hatte, als Stich im Jahr 1990 seinen ersten Turniersieg feierte.

Dementsprechend war auch die Experten- und Sympathielage, als sich Becker und Stich im Wimbledonfinale 1991 gegenüber standen. Obwohl Becker die meisten Sympathien genoss, gewann Stich in vier Sätzen und brachte Becker mehrfach zur Verzweiflung („Drüber, drüber“). In den folgenden drei Jahren gelang es Stich sogar, Becker sportlich ein wenig den Rang abzulaufen; 14 Titel auf der ATP-Tour, die ATP-WM 1993 und der Sieg im Davis Cup im selben Jahr belegen das. Doch die Sympathien der deutschen Fans gehörten auch weiterhin mehrheitlich Becker.

Wirklich grün wurden sich Becker und Stich dann auch nie. So war es eher eine Seltenheit, beide im gleichen Team zu sehen. Nur zwei Ausnahmen gab es: 1992 gewann sie im Doppel in Barcelona Olympisches Gold für Deutschland. Und 1995 kehrte Becker nach jahrelanger Abstinenz ins Davis Cup-Team zurück. Mit den beiden Weltklassespielern Becker und Stich sollte der 4. Titel her – doch bereits im Halbfinale war Schluss. Danach trennten sich die Wege wieder.

Nach dem Rückzug vom Profisport hat man dann aber doch irgendwann zueinander gefunden. Schaukämpfe zwischen den beiden erfolgreichsten deutschen Tennisspielern aller Zeiten sind nach wie vor ein Renner bei einem nostalgisch-wehmütigen Publikum und werden teilweise sogar live im TV übertragen.

Michael Schumacher gegen Damon Hill (Formel 1)


Deutsche und Engländer verbindet im Sport eine Hassliebe mit jahrzehntelanger Tradition. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zu diesem Gefühlsgemisch hat sicherlich das Duell zwischen Michael Schumacher und Damon Hill (Sohn des 1962er und 1968er Weltmeisters Graham Hill) in der Mitte der 1990er Jahre und besonders im Jahr 1994 geleistet.

Dabei deutete Anfang der 1994er Formel 1-Saison zunächst alles auf einen Durchmarsch Schumachers hin: Nach sieben Rennen hatte er 66 von 70 möglichen Punkten auf dem Konto, Damon Hill lediglich 29. Das Blatt wendete sich jedoch beim Großen Preis von England in Silverstone, nach welchem der Boulevard Schumacher den Spitznamen „Schummel-Schumi“ geben sollte: In der Einführungsrunde überholte Schumacher den Pole-Setter Damon Hill – ein klarer Regelverstoß. Schumacher ignorierte während des Rennens jedoch sämtliche von der Rennleitung ausgesprochenen Strafen inklusive der Schwarzen Flagge, welche die sofortige Disqualifikation bedeutet.

Die Folge: Schumacher wurden nicht nur die 6 in Silverstone errungenen Punkte abgezogen, sondern er musste zur Strafe auch noch zwei Grand Prix aussetzen. Hill gewann beide und war plötzlich wieder auf Tuchfühlung zu Schumacher. Dieser kultivierte sein Schummel-Image weiter, etwa durch eine zu dünne Holzplatte am Unterboden, wegen der ihm der Sieg beim Großen Preis von Belgien aberkannt wurde.

So kam es, dass Schumacher vor dem Saisonfinale im australischen Adelaide nur noch einen Punkt Vorsprung auf Hill hatte. 36 Runden lang jagte der Brite den führenden Schumacher, bis dieser nach einem Fahrfehler die Mauer touchierte, jedoch sofort wieder auf die Strecke zurückkehrte. Es kam zur Kollision, nach der beide aufgeben müssen. So gewann Michael Schumacher seinen ersten WM-Titel nach einer überaus turbulenten Saison.

In der Folgesaison 1995 sann Hill auf Revanche und sprach offen vom WM-Titel, zumal sein Williams-Renault Schumachers Benetton-Renault zu Saisonbeginn eindeutig überlegen war. Nach drei Rennen führte Hill dann auch in der WM-Wertung, doch Schumacher und seine Techniker entwickelten ihr eigenes Auto im Lauf der Saison immer weiter, während der Williams keine sichtbaren Fortschritte mehr machte. So drückte Schumacher dem Geschehen ab dem Frühsommer deutlich den Stempel auf und zwang Hill zu Fehlern: Ausgerechnet bei dessen Heimspiel, dem Großen Preis von Großbritannien in Silverstone, riskierte Hill ein aussichtsloses Überholmanöver gegen Schumacher, bei dem er sich und seinen Widersacher ins Aus beförderte.

Dieses Rennen markierte die endgültige Trendwende zu Gunsten Schumachers, der seinem Widersacher durch einige spektakuläre Siege (in Spa nach Startplatz 16, am Nürburgring nach zwischenzeitlich fast einer Minute Rückstand auf den führenden Jean Alesi) im Herbst endgültig den Zahn zog und bereits im drittletzten Rennen seinen zweiten WM-Titel unter Dach und Fach brachte.

Danach kühlte die Rivalität deutlich ab. Schumacher wechselte zu Ferrari und musste erst einige Jahre Entwicklungsarbeit leisten, ehe er mit den Roten ab der Saison 2000 eine neue Ära begründen konnte. Hill blieb noch ein Jahr bei Williams und gewann 1996 seinen so heiß ersehnten WM-Titel. Sein einziger ernsthafter Konkurrent hieß Jacques Villeneuve und kam aus dem eigenen Team – eben jener Villeneuve, mit dem sich Michael Schumacher ein Jahr später bildlich gesprochen einen Kampf bis aufs Messer um dem WM-Titel liefern sollte.

Lance Armstrong gegen Jan Ullrich (Radsport)


Die Franzosen haben eine Vorliebe für den ewigen Zweiten. Raymond Poulidor, der die Tour de France achtmal auf dem Podium beenden konnte, jedoch in Paris nie ganz oben auf dem Treppchen stand, war in unserem Nachbarland deutlich populärer als Jacques Anquetil, der Poulidor mehrfach den Sieg vor der Nase wegschnappte.

Vergleichbar, wenn auch in etwas abgeschwächter Form, waren die Sympathien der Franzosen vor allem in den frühen 2000er Jahren verteilt. Zwischen 2000 und 2005 waren sich die Experten im Vorfeld stets einig, dass eigentlich nur Jan Ullrich den extrem ehrgeizigen Lance Armstrong bei der Tour de France bezwingen könne. Das Resultat war Jahr für Jahr das Gleiche: Sechs Tour-Auflagen, sechs Armstrong-Siege (nicht mit eingerechnet der aus dem Jahr 1999, als Ullrich verletzt passen musste). Armstrong gehörten die Siege, Ullrich zumindest die Sympathien.

In nackten Zahlen liest sich die Bilanz dieser sechs Tour-Auflagen wie folgt: Sechs Siege für Lance Armstrong, drei zweite, ein dritter und ein vierter Platz für Jan Ullrich. 19 Etappensiege für Lance Armstrong, einer für Jan Ullrich. 72 Tage im Gelben Trikot für Lance Armstrong, 0 für Jan Ullrich.

Doch ganz so dramatisch war es nun auch wieder nicht: 2003 etwa war Ullrich bis zum vorletzten Tag der Tour noch in Reichweite. Erst ein Sturz im Einzelzeitfahren machte seine Hoffnungen zunichte. Am Ende betrug sein Rückstand 61 Sekunden. Dafür konnte Ullrich Armstrong zumindest bei mehreren Zeitfahr-Weltmeisterschaften sowie bei den Olympischen Spielen von Sydney in die Schranken weisen.

Oliver Kahn gegen Jens Lehmann (Fußball)


Die beiden Torhüter haben seit dem Nationalmannschafts-Rücktritt von Andreas Köpke nach der WM 1998 um den Stammplatz im deutschen Tor gekämpft. Zunächst konnte Oliver Kahn das Duell für sich entscheiden, er stand im deutschen Tor sowohl bei den Europameisterschaften 2000 und 2004, sowie bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea, wo er maßgeblich zum Finaleinzug der deutschen Nationalmannschaft beitrug, als er in sechs Spielen nur einmal bezwungen werden konnte.

Erst nach dem Rücktritt des Trainergespanns Völler/Skibbe, als Reaktion auf das Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal, wendete sich das Blatt: Der neue Bundestrainer Jürgen Klinsmann rief zwischen den beiden Weltklassekeepern Kahn und Lehmann einen offenen Konkurrenzkampf aus, der zu einem zwei Jahre dauernden Psychokrieg ausartete, den beiden Keeper und deren Trainer durch ihre (tatsächlich bzw. angeblich getätigten) Aussagen noch befeuerten.

Am Ende hatte Lehmann die Nase vorn, er durfte bei der Heim-WM 2006 im deutschen Tor stehen – eine Entscheidung, die die Fußballnation spaltete. Die einen sagen, dass Lehmann schlicht und einfach in der Vor-WM-Saison der Bessere der beiden war. Andere behaupten, dass Kahn unter Klinsmann nie eine faire Chance hatte. Was auch immer der Wahrheit entspricht scheint zweitrangig: Lehmann spielte eine starke WM und Kahn gab den fairen Sportsmann. Freunde wurden sie allerdings trotzdem nicht mehr.

Übrigens: Gerüchten zufolge könnte es bald wieder zu einem „Duell“ der beiden alten Widersacher kommen. Lehmann, der im Mai (voraussichtlich) seine Karriere beenden wird, gilt als heißer Kandidat auf die Nachfolge von Günter Netzer als ARD-Experte. Kahn hat den Experten-Job beim ZDF bereits seit 2008 inne.

Marco Heibel/Nils Hilchenbach

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