Interview mit Christiane Reppe - Vom Schwimmen zum Handbiken Oliver Kremer
Paralympics 2016

Interview mit Christiane Reppe - Vom Schwimmen zum Handbiken

Christiane Reppe ist eine der deutschen Medaillenhoffnungen bei den Paralympics in Rio. Im Interview spricht die Handbikerin über Licht und Schatten bei Olympischen Spielen und Paralympics –  von der Faszination Olympisches Dorf bis zum Umgang mit Dopingsündern.
netzathleten.de: Momentan laufen in Rio die Olympischen Spiele. Verfolgst Du, was in Rio passiert?
Christiane Reppe: Auf jeden Fall. Ich gucke die Spiele wann immer es geht. Und da sie in diesem Jahr eh meistens abends und nachts dran sind, passt das ganz gut. Schließlich muss ich da selbst nicht trainieren. Vor allem Schwimmen schaue ich gern.

netzathleten.de: Steigert das auch Deine Vorfreude auf die Paralympics?
Christiane Reppe: Ja, doch. Ich mache mich zwar noch nicht verrückt. Aber je näher die Paralympics kommen, mit der Einkleidung und so weiter, desto mehr steigt natürlich die Vorfreude.

netzathleten.de: Für Dich sind es die dritten Paralympics, schon in Athen und London warst Du dabei. Was ist das Besondere an Paralympischen Spielen?
Christiane Reppe: Erstmal finden sie natürlich nur alle vier Jahre statt, allein dadurch sind sie etwas Besonderes. Ansonsten finde ich das olympische Dorf immer sehr beeindruckend. Alle Nationen, alle Sportler sind hier zusammen. Bei WM und EM ist man ja doch von der Sportart her immer unter sich. Und es macht einfach echt Laune, die anderen zu beobachten. Es ist ein tolles Gefühl, ein Teil davon zu sein.

netzathleten.de: Wie läuft das ganze Treiben dort ab? Worüber tauscht Ihr Euch aus? Holt man sich vielleicht auch mal den einen oder anderen Trainingstipp von anderen Sportlern?
Christiane Reppe: Ne, über das Training reden wir eigentlich wenig. Klar, man unterhält sich, gerade auch mit Sportlern, die man auch von früher kennt. Und man trifft natürlich immer wieder Sportler, die man vielleicht schon mal im Fernsehen gesehen hat oder die etwas besonders gut können. Das ist dann schon aufregend. Und bei uns werden immer fleißig Ansteckpins unter den Sportlern getauscht.

netzathleten.de: Du warst selbst erfolgreiche Schwimmerin, unter anderem Bronzemedaillengewinnerin, hast dann den Leistungssport praktisch schon ad acta gelegt. Nun fährst Du nach Rio – als Handbikerin. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Christiane Reppe: Schon während der Paralympics in London habe ich eigentlich beschlossen, dass es für mich mit dem Schwimmsport vorbei ist. Das hatte mehrere Gründe. Ich war ein bisschen „satt“, was das Schwimmen betrifft. Das Training war echt hart. Vor London haben wir sechs, teilweise sieben Stunden am Tag trainiert. Da ging nichts anderes mehr. Und letztlich habe ich mich mit meinem Trainer überworfen. Es war dann einfach Zeit zu gehen. Fast ein Jahr habe ich dann praktisch gar keinen Sport gemacht, sondern ganz normal in der Firma von meinem Vater gearbeitet. Ich wollte mir das Ganze mal ansehen und habe mir gedacht, vielleicht wird das ja meine Zukunft. Aber nach einem Jahr habe ich gemerkt, dass das nicht meine Welt ist. Ich habe mich ohne den Sport einfach nicht komplett gefühlt.

netzathleten.de: Und wie kam es dann ausgerechnet zum Handbiken?
Christiane Reppe: Ich habe nach Sportarten geschaut, die mir vielleicht gefallen könnten und eventuell auch liegen. Handbiken hatte ich schon immer im Hinterkopf, ohne mich damit groß beschäftigt zu haben. Ich hatte mal eines ausprobiert und es hat mir viel Spaß gemacht. Ich habe mich also mit verschiedenen Handbikern in Verbindung gesetzt und dann ging es total schnell. Ich war relativ schnell im Team Sopur, in dem ich jetzt immer noch fahre. Den Teamchef hatte ich einmal zufällig kennengelernt. Der war direkt begeistert und hat mir nach ein paar Monaten einen Vertrag vorgelegt und gefragt, ob ich bei ihnen mitfahren will.

netzathleten.de: Wie ist Dir die Umstellung gelungen? Es ist ja doch ein Unterschied ob man Schwimmen oder Handbiken trainiert.
Christiane Reppe: Die größte Umstellung sind eigentlich die Einheiten selbst. Wir trainieren auf dem Bike auch vier, manchmal fünf Stunden, aber im Gegensatz zum Schwimmen fahren wir diese auch am Stück. Beim Schwimmen trainiert man zwar auch mehrere Stunden, schwimmt aber einfach immer wieder seine 100 Meter und hat zwischendrin Pausen. Außerdem trainiert man beim Handbiken natürlich draußen. Da muss man dann schauen, dass man gute Strecken findet, auf denen man auch mit Tempo unterwegs sein kann. Fahrradwege beispielsweise sind eher ungünstig, wir fahren je teilweise mit 30 km/h und mehr. Das erwarten die anderen Radfahrer in der Regel ja nicht.

netzathleten.de: Heißt, ihr seid dann meistens auf der Straße unterwegs?
Christiane Reppe: Genau, Landstraßen in Regel. Noch ein Unterschied zum Schwimmen sind natürlich die Wettkämpfe selbst. Klar sind beim Schwimmen links und rechts noch andere Schwimmer neben einem, aber im Grunde schwimmt man für sich und gegen die Uhr. Beim Handbiken hast du noch viele andere Sportler neben dir stehen mit denen du zusammen startest. Das macht mir extrem viel Spaß.

netzathleten.de: Es ist also auch genau dieser Wettkampf Frau gegen Frau, der den Reiz für Dich ausmacht?
Christiane Reppe: Absolut. Dieser direkte Kampf, mal jemanden nicht vorbeilassen, sich gut positionieren, das ist einfach klasse.

netzathleten.de: Nun bist Du als ehemalige Schwimmerin relativ kräftig, auch im Vergleich zu Deinen Konkurrentinnen auf dem Handbike. Vor- oder Nachteil?
Christiane Reppe: Ich würde sagen, es ist ein Vorteil. Als ich mit dem Handbiken angefangen habe, kamen viele zu mir und sagten, ich sei doch viel schwerer als die anderen Mädels und müsse noch zehn, fünfzehn Kilo abnehmen. Ich habe zwar noch ein wenig abgenommen, aber durch die Kraft, die ich in den Armen habe, gleiche ich mein Gewicht locker wieder aus. Insofern sehe ich es als Vorteil.

netzathleten.de: Nun bist Du bereits Weltmeisterin im Handbiken geworden. Es geht zu den Paralympics. Kann es ein anderes Ziel als Gold geben?
Christiane Reppe: Also für mich nicht (lacht). Im Straßenrennen ist mein Ziel definitiv Gold, im Zeitfahren bin ich aber mit einer anderen Klasse zusammengelegt. Diese Klasse fährt im Knien, nicht im Liegen wie ich. Dadurch können sie viel mehr Watt drücken, haben aber auch mehr Windwiderstand. Da muss man dann sehen, was rauskommt. Aber ein Medaillenplatz wäre drin, wenn alles gut läuft.

netzathleten.de: Medaillen sind die Währung, in der häufig abgerechnet wird. In letzter Zeit wurde immer wieder Kritik an der bloßen Medaillenzählerei und an Medaillen-Zielvorgaben laut. Wie stehst Du dazu?
Christiane Reppe: Ich glaube, es wird nie um etwas anderes gehen. Es ist Leistungssport und es geht um Medaillen. Man muss aber in der Berichterstattung immer schauen, was der einzelne Sportler für ein Ziel hat. Was wäre überhaupt möglich gewesen? Ich kann nicht jemandem, der zu den Spielen fährt, mit dem Ziel das Finale zu erreichen, vorwerfen, dass er keine Medaille geholt hat. Das ist natürlich Quatsch. Da muss man einfach differenzieren. Ich glaube aber, dass man als deutscher Sportler bei den Olympischen Spielen schon eine sehr dicke Haut braucht. Da tun mir die Jungs und Mädels manchmal schon ein bisschen leid. Aber natürlich ist es auch schwierig, von Anfang an zu sagen, es geht nicht um Medaillen.

netzathleten.de: Die Jagd nach Medaillen gestalten nicht alle mit fairen Mitteln. Stichwort Doping. Für große Furore hat das nachgewiesene Staatsdoping in Russland gesorgt. IOC und IPC haben unterschiedlich reagiert. Das IOC hat den Ball in puncto Ausschluss russischer Athleten an die Sportverbände zurückgespielt, das IPC hat die russische Mannschaft komplett ausgeschlossen. Ist das IPC damit konsequenter im Anti-Doping-Kampf?
Christiane Reppe: Das ist eine schwierige Frage. Ich habe eine Meinung dazu, weiß aber nicht, ob ich die öffentlich machen will. Vielleicht so viel: Ich finde es ehrlich gesagt schade, dass man einfach alle Russen gesperrt hat. Ich finde es schade, weil ich glaube, dass es sehr viele gibt, die nichts nehmen. Für mich persönlich ist es auch schade, weil es meine direkte Konkurrenz betrifft und ich auch gerne gegen sie fahren würde. Ich glaube aber nicht, dass man insgesamt sagen kann, dass die paralympischen Sportverbände besser oder weiter sind im Anti-Doping-Kampf. Ich, beispielsweise, bin in diesem Jahr bisher einmal getestet worden. Bei der WM im letzten Jahr hatten wir soweit ich weiß gar keine Tests.

netzathleten.de: Es gibt aber auch diejenigen Sportler, die trotz eines früheren Dopingvergehens wieder bei Wettkämpfen starten dürfen. Wie stehst Du dazu?
Christiane Reppe: Ich denke, dass ein Athlet, der erwischt wird, lebenslang gesperrt werden und nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen dürfen sollte.




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