Teil 2 des Interviews mit Stephan Keck – Raus bei minus 40 Grad www.stephan-keck.at

Teil 2 des Interviews mit Stephan Keck – Raus bei minus 40 Grad

  • Derk Hoberg
Im zweiten Teil unseres Interviews berichtet Extrembergsteiger Stephan Keck von seiner aktuellen Expedition zum Dhaulagiri (8.167 Meter) in Nepal und wie solch ein Aufstieg verläuft. Wie überwindet man die Kälte und: Ist der Moment auf dem Gipfel wirklich der wichtigste?

 

netzathleten: Jetzt im April brichst Du nach Nepal auf, zu einer Skiexpedition zum Dhaulagiri (8.167 m). Wie suchst Du Dir Deine Ziele eigentlich aus?

Stephan Keck: Im Prinzip sucht man sich die Berge nach der Schönheit der Natur aus. Ich bin inzwischen so weit, wie jetzt beim Dhaulagiri, dass der Berg für mich persönlich passen muss. Zum einen von der Route her, zum anderen sollten nicht 2.000 Leute im Basislager rumturnen. Und es sollte keine Probleme mit der Regierung dort vor Ort geben, so dass man dann vielleicht gar nicht erst bis zum Berg kommt. Zuerst wollten wir zum Nanga Parbat (Pakistan) gehen, da es dort aber politische Probleme gibt, haben wir uns für den Dhaulagiri entschieden.

netzathleten: Wie lange dauert insgesamt die Vorbereitung auf solch eine Expedition wie Du sie jetzt vor hast?
Stephan Keck: Körperlich ist es ein laufender Prozess, man trainiert ja das ganze Jahr hindurch. Organisatorisch gesehen habe ich bei meiner ersten Expedition fast ein ganzes Jahr gebraucht. Inzwischen lässt sich das Ganze aber innerhalb von zwei bis drei Monaten umsetzen. Man hat die Kontakte zu den Agenturen vor Ort, man hat Cargo-Partner, man hat Flug-Partner.


netzathleten: Insgesamt bist Du vom 11. April bis zum 27. Mai in Nepal unterwegs, dazu der mühselige Aufstieg, die ganze Vorbereitung, die Nacharbeit. All das für eine halbe Stunde auf dem Gipfel…
Stephan Keck: Wenn ich Glück habe und das Wetter passt, wird es eine halbe Stunde, ja.

netzathleten: Wie erhebend ist dieser Moment? Entschädigt er für alles? Oder ist der Weg auch ein Stück des Ziels?
Stephan Keck: Der Weg selbst ist für mich persönlich ein ganz schönes Ziel. Alles vorzubereiten und dem Gipfel näher zu kommen, das gehört dazu. Das eigentliche Ziel, der Gipfel, ist ein wahnsinnig schönes emotionales Erlebnis. Weil man sich lange vorbereitet hat und die Möglichkeit nicht so oft besteht, auf solch einem Gipfel zu stehen. Auf der anderen Seite hat man auf dem Gipfel auch erst die Hälfte der Strecke zurückgelegt und die meisten Bergsteiger sterben beim Abstieg. Im Basislager bist Du dann quasi erst wirklich am Ziel, da ist man dann zwei bis drei Stunden total glücklich. Dann kommt aber schon wieder der Punkt, wo einem bewusst wird, dass man etwas erreicht hat. Damit kommt dann auch eine gewisse Leere. Man beginnt quasi schon hier mit der Suche nach den nächsten Zielen.

Vielleicht ein Beispiel: In Alaska auf dem Denali (Mount McKinley, 6.193 Meter, Anm. d. Red.) hat es normalerweise minus 40 bis minus 50 Grad. Wir sind zu zweit aufgestiegen und haben damals einen Tag erwischt, an dem es windstill war und es „nur“ minus 30 Grad hatte. Da haben wir fast eine Stunde auf dem Gipfel gesessen - am höchsten Punkt Nordamerikas. Man schaut über Alaska – es gibt nichts Höheres um einen herum – und genießt das Gefühl, das aus eigener Kraft geschafft zu haben.

netzathleten: Habt Ihr in dieser Stunde dort oben viel gesprochen?
Stephan Keck: Nein.

netzathleten: Wie muss man sich denn generell den Aufstieg in der Zweiergruppe vorstellen? Macht Ihr auch manchmal Späße, habt Grund zum Lachen?
Stephan Keck: Ich gehe ja eigentlich lieber allein. In gewissen Situationen ist es aber ratsam, einen starken Partner dabei zu haben. Die objektiven Gefahren, wie ein Spaltensturz, sind einfach zu groß. Es ist natürlich auch viel unterhaltsamer, wenn man im Hochlager zu zweit beim Eisschmelzen sitzt und irgendwelchen Blödsinn machen kann. Da gibt es ganz witzige Momente, die man sich noch Jahre später erzählt.


netzathleten: In Kanada, am Denali, musstet Ihr eine Höhle ins Eis graben, weil es tagelang zu kalt und zu windig war. Ihr habt dort sieben Tage verbracht. Eigentlich wart Ihr auf dem Weg nach oben, habt nach der Freiheit auf dem Berg gestrebt. Das ist doch in gewisser Weise auch paradox, schließlich wart Ihr in der Höhle gefangen…
Stephan Keck: Ja, wir haben eine Höhle unter die Schneedecke gegraben und dort drei Kammern gebaut. Am ersten Tag haben wir sie uns zu vierzehnt geteilt. Die anderen haben den Aufstieg dann teilweise abgebrochen, so dass wir am Schluss eine Kammer zu zweit hatten. Mein Partner hat in der Eishöhle schon einen kleinen Koller bekommen, er ist wie in einem Zeichentrickfilm nur mehr auf und ab gelaufen. Ich bin da aber eher so, dass ich mich in den Schlafsack lege und 20 Stunden am Tag schlafe. Ich kann das eine ganze Woche, wie ein Bär im Winterschlaf. Ein großes Problem war, dass wir in den letzten drei Tagen nichts mehr zu essen hatten, aber dieses Pokerspiel ging letztlich auch gut aus. Wasser hatten wir ja genug in Form von Eis.

netzathleten: Wie ist es denn um die Körperhygiene auf dem Berg bestellt? Dort herrschen schließlich eiskalte Temperaturen?
Stephan Keck: Nicht vorhanden. Es gibt sogar Leute, die sich auch im Basislager fünf bis sechs Wochen nicht waschen. Zu denen gehöre ich aber nicht. Am Berg ist es aber sogar schon mühsam, das WC-Geschäft zu erledigen, da ist an Waschen nicht zu denken.

netzathleten: Wenn Ihr Euer Lager aufschlagt, auf Geröll, Eis oder Schnee – ist das bequem? Bei einem so anstrengenden Aufstieg ist die Regeneration doch immens wichtig…
Stephan Keck: Das ganze Höhenbergsteigen ist in dieser Hinsicht problematisch. Ab 5.500 Metern regeneriert der Körper nicht mehr. Man kann essen oder trinken so viel man will, man baut nur noch ab, auch wenn man liegt. Was das Schlafen auf Geröll und Eis angeht, das ist nicht so problematisch wie man denkt. Es gibt sehr gute Isomatten und Schlafsäcke und das Basislager richtet man sich sowieso so komfortabel wie möglich ein. Man hat dort für einen Bergsteiger einen recht großen Lebensraum von etwa vier Quadratmetern. Und ich kann ja immer gut schlafen. Auf dem Everest habe ich beispielsweise auf 8.000 Metern Höhe auf dem Südsattel vier Stunden durchgeschlafen. Schlimmer ist, dass man keinen Hunger und keinen Durst hat und sich zwingen muss, etwas zu sich zu nehmen.

Oder auf der Gipfeletappe, wenn man sich nachts um Elf auf den Weg machen muss. Dann zieht man sich in einem Zelt, das innen voller Eis ist, an und muss dann raus in eine Temperatur von minus 40 Grad. Das kostet wirklich viel Überwindung und Motivation. Wenn also jemand sagt, Höhenbergsteigen ist nur schön und super, dann ist das eine große Lüge.


Das Interview führte Derk Hoberg

Details

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  • Star Vita: Stephan Keck (25.09.1973), geboren in Schwaz in Tirol, ist Bergführer, Tourenguide, Ski- und Snowboardlehrer, sowie Mental- und Motivationstrainer. Der Extrembergsteiger ist auf den höchsten Bergen der Welt unterwegs, unter anderem auf dem Mount Everest und dem Nanga Parbat war er schon. Für die die nächsten Jahre hat er zahlreiche weitere Projekte geplant. Er gründete das Hilfsprojekt step 0.1 mit dem er sich sozial engagiert.
  • Star Erfolge: Shisha Pangma (2004), Nanga Parbat (2006), Mount Everest (2008), uvm.

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