Bringt Druck was oder nicht? – Neue Fakten zur Kompression im Sport Marco Heibel

Bringt Druck was oder nicht? – Neue Fakten zur Kompression im Sport

  • Marco Heibel
Das Thema Kompressionsbekleidung im Sport ist fast schon ein Evergreen. Und das, obwohl (oder gerade weil) die Sportwissenschaft bis heute noch keine allgemeingültigen Erkenntnisse gewonnen hat. Zumindest zeichnen sich Trends ab. Wir bringen Euch auf den aktuellen Stand der Forschung.

Kompressionsstrümpfe, -tights und -tops sind seit Jahren ein Verkaufsschlager bei Läufern. Die Hersteller versprechen dem Träger eine bessere Leistung und eine schnellere Regeneration. Das ist zwar nicht falsch – schließlich wurden all diese Effekte schon einmal in Studien nachgewiesen – aber doch arg pauschalisiert.

Kompression: Objektiver Vergleich kaum möglich

Das Problem: Der Ansatz in den Studien zur Kompressionsbekleidung war häufig völlig unterschiedlich. Ging es in der einen Studie um Ganzkörperkompression, war in der nächsten Untersuchung die untere Körperhälfte das Thema und in der dritten nur die Unterschenkel. Außerdem wurden die Probanden häufig unterschiedlich gefordert: mal auf der Bahn, dann auf dem Laufband, dem Ergometer oder dem Rennrad. Auch die Intensität schwankte zwischen dem Regenerationsbereich und der Belastungsgrenze. Ganz zu schweigen davon, dass die Testpersonen mal Untrainierte und mal Leistungssportler waren. Kurzum: Die bisherigen Studien zum Nutzen von Kompressionsbekleidung sind nur bedingt vergleichbar.

Gesicherte Erkenntnisse zur Kompression

Nur in wenigen Aspekten ist sich die Wissenschaft einig. Zum Beispiel darin, dass Kompression den venösen Rückstrom verbessern kann. Davon profitieren aber in erster Linie Menschen mit einem Venenleiden oder einer Bindegewebsschwäche. Nicht umsonst werden seit Jahrzehnten Kompressionsstrümpfe in Krankenhäusern zur Thrombose-Prävention verwendet.

Interessanter für Läufer ohne ein solches Handycap ist da schon, dass das Tragen von Kompressionsbekleidung an den Beinen Krampfadern vorbeugen kann. Diese können entstehen, wenn die inneren Leitvenen mit dem Rücktransport des Blutes überfordert sind. Gewissermaßen als Notlösung wird das Blut dann über die oberflächlichen Venen umgeleitet, was die Krampfaderbildung begünstigt. Durch Druck auf das Unterhautvenensystem von außen ist das Blut dagegen gezwungen, den Weg durch die inneren Leitvenen zu nehmen. Krampfadern haben so kaum eine Chance.

Ebenfalls als gesichert gilt mittlerweile, dass weniger gut trainierte Sportler mehr von Kompressionsbekleidung profitieren als Leistungssportler.

Zudem verringert Kompressionsbekleidung Muskelvibrationen. Ein Fakt, der in Sportarten in denen Präzision gefragt ist (z.B. beim Wurf auf den Korb im Basketball) durchaus Vorteile bringen kann.

Weitgehende Einigkeit besteht außerdem darin, dass Kompressionsstrümpfe das Sprunggelenk stützen und durch die größere Wärmeentfaltung gegenüber normalen Laufsocken Muskel-, Sehnen-, Bänder- und Gelenkbeschwerden vorbeugen können.

Wie groß der psychologische Effekt ist, ist immer noch offen. Dass Träger, die an den Zweck von Kompressionsbekleidung glauben, zumindest ein besseres Körpergefühl haben, ist jedoch unbestritten.

Kompression: Leistungssteigerung nur wegen Schmerzreduktion?

Doch wie sieht es nun mit den wichtigsten (Kauf-)Argumenten für einen Sportler aus? Was bewirkt Kompressionsbekleidung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der Regeneration?

Eine aktuelle Studie der Deutschen Sporthochschule Köln, die einen relativ breiten Ansatz gewählt hat, bricht nicht gerade eine Lanze für die Kompressionsbekleidung. Bei der Untersuchung, die im April 2010 im Journal of sports science veröffentlicht wurde, wurden 15 gut trainierte Ausdauersportler submaximal und maximal belastet. Hierbei liefen sie mit Ganzkörperkompression, Unterkörperkompression, Unterschenkelkompression und ohne Kompression. Leistungsunterschiede waren nicht festzustellen. Die Forscher vermuten, dass Kompression allenfalls ab extrem langen Distanzen (Langdistanz-Triathlons, Ultraläufe) einen Vorteil bringt, weil sie die Schmerzen mindern könnte.

Der Einfluss von Kompression auf die Regeneration spielte bei dieser Untersuchung keine Rolle. Interessant ist jedoch ein Einwurf von Studienleiter Dr. Billy Sperlich, wonach eine beschleunigte Regeneration auch von Nachteil sein könne, etwa wenn man den Muskelaufbau anregen möchte. Dann wären nämlich Marker im Blut (Laktat, Anschwellen der Muskeln etc.) essentiell.

Überhaupt, die Regeneration. Speziell diesem Thema hat sich die University of Exeter in einer Studie aus dem April 2010 (veröffentlicht im European Journal of applied physiology) angenommen. Getestet wurde der Nutzen von Kompressionsbekleidung für die gesamte untere Körperhälfte nach intensiver sportlicher Belastung. Probanden waren Leistungssportlerinnen aus verschiedenen Sportteams der Universität. Das Ergebnis: Die Sportlerinnen, die Kompressionsbekleidung zur Regeneration trugen, fühlten sich am nächsten Tag weniger erschöpft und erzielten bei Maximalkraft- und Schnellkrafttests die besseren Ergebnisse.

Nichts genaues weiß man (noch) nicht

Um auf die Eingangsfrage des Artikels „Bringt Druck was oder nicht“ zurückzukommen, steht immer noch in Frage, ob man wirklich schneller, ausdauernder und besser durch Kompressionsbekleidung wird. Mit Sicherheit macht sie einen Sportler nicht langsamer und mit großer Wahrscheinlichkeit kann sie die Erholung beschleunigen. Zumindest gibt es keinen Grund, nicht in Kompressionsbekleidung zu sporteln, solange die Kompression nicht zu stark ist. Von optischen und finanziellen Aspekten einmal abgesehen.

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