Kletterschuhe – welche Rolle spielt die Orthopädie bei der Entwicklung? thinkstockphotos.com

Kletterschuhe – welche Rolle spielt die Orthopädie bei der Entwicklung?

Kletterschuhe sind für die Füße eine harte Nummer, sind sie doch extrem eng geschnitten und haben gewisse Vorspannungen. Dennoch wird bei ihrer Produktion immer auch die Anatomie des Fußes beachtet und orthopädische Maßstäbe angesetzt.
Ein Kletterschuh ist für den Fuß kein Erholungsurlaub. Ab einem bestimmten Level kann er das auch gar nicht mehr sein. Zu wichtig ist die Kraftsteuerung über den Schuh. Ein Kletterschuh muss das Stehen auf kleinen und kleinsten Tritten ermöglichen, er muss das Hooken unterstützen und darf dennoch nicht zu hart sein.

Unterschiedliche Schuhe für unterschiedliche Einsatzbereiche

Wie genau ein Schuh konzipiert ist, hängt aber von seinem Einsatzgebiet ab. „Wenn man in den Spitzenkletterbereich geht, ist der Schuh nicht mehr so physiologisch wie im Freizeitbereich“, erklärt Prof. Dr. med. Volker Schöffl. Der Leiter der Sektionen Sportorthopädie, Sporttraumatologie, Sportmedizin und Chirurgie der oberen Extremität am Klinikum Bamberg ist beim Schuhhersteller Lowa als Experte in der Kletterschuh-Entwicklung beteiligt.

Bei einem Freizeit- oder Anfängerschuh wird viel Wert auf Komfort gelegt. Entsprechend wird der Leisten konzipiert. „Bei einem Profischuh wird die gesamte Druckbelastung auf die Großzehe geleitet. Das ist für den Anfänger natürlich schwierig, weil ihm die Kraft dafür fehlt. Also schaut man, dass man den Druck auch auf den zweiten und dritten Zeh verteilt“, erklärt Schöffl. Auch in puncto Vorspannung unterscheiden sich die Schuhtypen. „Bei einem Profischuh wird die Spannung über das Fußmittelgewölbe aufgebaut, im Sinne eines Downturns. So extrem gespannt ist ein Freizeitschuh nicht, denn auch im Mittelfuß fehlt einem Anfänger in der Regel die Kraft im Plantarismuskel, um die Spannung halten zu können“, sagt der Mediziner.

Unterschiedliche Schuhe für unterschiedliche Füße

Da im Einsteigerbereich viel Wert auf die Bequemlichkeit gelegt wird, lässt sich gerade hier noch mehr am Leisten drehen als bei Profischuhen. Die Entwicklung ist dennoch ähnlich. Ausgehend von einem Rohleisten aus Holz, häufig dienen hier die Leisten vorheriger Modelle als Basis, überlegt das Entwicklungs- und Testteam, was man verändern möchte und wie man den Schuh noch optimieren kann. Anschließend wird der Basisleisten entsprechend bearbeitet, Material hinzugefügt oder weggenommen – im Millimeterbereich.

So erhält man verschiedene Leisten, auf denen immer der gleiche Schuh gebaut wird. Dann geht es ans Testen, bis man den idealen Leisten gefunden hat, der bei allen Testern am besten funktioniert hat. „Man wird nie einen Leisten entwickeln können, der wirklich jedem optimal passt“, betont der Orthopäde die Individualität aller Klettererfüße. „Die verschiedenen Fußformen müssen abgebildet werden. Es gibt ja den ägyptischen, römischen und griechischen Fuß. Man muss also einen Leisten finden, der zumindest etwa 85 Prozent der Leute passt“, sagt Schöffl. „Bei Lowa haben wir zudem einen Extra-Frauenleisten angefertigt, der die Anatomie des weiblichen Fußes berücksichtigt.“

Der getestete und für gut befundene Leisten bildet nun gewissermaßen das Fundament für den neuen Schuh und es wird der Schuh selbst entwickelt. Auch hier wird wieder überlegt, welche Anforderungen der Kletterschuh erfüllen muss. Eine Tüftelei dabei ist die Materialwahl. Leder oder Kunstleder? Innenfutter oder nicht? In welchem Bereich soll der Schuh eingesetzt werden? Sportklettern? Bouldern? Alpine Kletterei?

In einem Kletterschuh steckt also extrem viel Entwicklungsarbeit, immer mit Fokus auf gute Passform. Je professioneller der Schuh aber wird, desto mehr Kompromisse muss man in puncto Komfort zugunsten einer guten Performance eingehen. Und ein orthopädischer Gesundheitsschuh wird ein Kletterschuh niemals werden.

Lesetipp: Worauf muss man beim Kauf von Kletterschuhen achten?

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