Interview mit Dragoslav Stepanovi? – Lebbe geht weider! gettyimages

Interview mit Dragoslav Stepanovi? – Lebbe geht weider!

  • Derk Hoberg
Nur wenige Menschen werden so mit einer einzigen Aussage in Verbindung gebracht, wie Fußballtrainer Dragoslav Stepanovic. Wir sprachen mit „Stepi" über sein „Lebbe", schließlich erschien unlängst seine Biographie, die nur einen Titel haben konnte: Lebbe geht weider!

netzathleten: Stepi, Du blickst auf eine bewegte Karriere zurück. Was davon blieb denn bis heute am meisten in Erinnerung?
Dragoslav Stepanovi?: Am meisten ist mir in Erinnerung geblieben, dass ich schwer zu kämpfen hatte, meine Eltern zu überzeugen, um Profifußballer zu werden. Ihnen zu beweisen, dass ich das schaffe. Ich habe von morgens bis abends Fußball gespielt, um das zu erreichen, bin ich fast zu Hause rausgeflogen. Mein Vater wollte mich dann sogar beim Militär unterbringen als Flugzeugmechaniker. Meine Mutter hat die ganze Nacht geweint und das hat ihn dann wohl doch noch umgestimmt. Er hat alle Anmeldungspapiere zerrissen und gesagt: Dann werde halt Fußballer. Diese Entscheidung hat mir natürlich tolle Erlebnisse beschert, eine Karriere, wie sie im Buch steht. Sowohl als Aktiver, als auch als Trainer.

netzathleten: Als Trainer bist Du quasi aus dem Nichts in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt gewechselt. Branco Zebec hatte Dir zuvor den Rat gegeben, darauf zu achten, wie Du als Trainer anfängst. Sinnbildlich: Ein Jugendtrainer bleibt Jugendtrainer, Co-Trainer bleibt Co-Trainer, werde gleich Cheftrainer. Stimmt dieser Satz noch heute?

Dragoslav Stepanovi?: Das ist heute noch so, ja. Michael Henke, ehemaliger Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld, ist da ein gutes Beispiel. Er hat nie Zeit bekommen, sich irgendwo als Cheftrainer durchzusetzen. Ich wäre damals gerne der Co-Trainer von Branco Zebec geworden. Jedoch sagte er auch, ich solle zunächst mal den Trainerschein machen, damit ich nicht Co-Trainer oder Teamchef werden müsse. Da hatte ich überhaupt keine Lust drauf, ich konnte keine Schule mehr sehen. Aber es war richtig so, und ich bin Zebec sehr dankbar dafür. So konnte ich direkt als Cheftrainer anfangen, und weil meine Frau und meine Tochter nicht zurück nach Jugoslawien wollten, haben wir gewartet, bis hier ein gutes Angebot kam. Man sollte da beginnen, wo man meint, gute Arbeit leisten zu können. Und das habe ich dann ja auch bewiesen, bin mehrfach fast Meister geworden.

netzathleten: Wie würdest Du denn Deinen Arbeitsstil als Trainer beschreiben?
Dragoslav Stepanovi?: Akribisch und organisiert. Ich bereite mich jetzt mit 65, wenn ich manchmal neunjährige Jungs trainiere, genauso vor, als seien das Nationalspieler.

netzathleten: Organisiert sagst Du? Häufig wurdest Du aber auch als Instinkttrainer bezeichnet, weil Du gerne mal junge und unerfahrene Fußballer ins Spiel geworfen hast und aus dem Bauch heraus entschieden hast…

Dragoslav Stepanovi?: Ich habe da ein Händchen für junge Spieler, das stimmt. Aber die bringe ich auch gerne, die sind unverdorben. Wenn ich denen sagen würde: Hole mir eine Packung Zigaretten aus Darmstadt, dann machen die das einfach. Ein älterer Spieler meckert erst mal rum, sagt, die gibt es doch auch hier in Frankfurt. Junge Spieler sind ehrgeizig. Wenn die Atmosphäre in der Mannschaft stimmt und sie auf der richtigen Position eingesetzt werden, dann danken sie es einem mit Leistung. Man muss natürlich die richtige Mischung finden zwischen erfahrenen und jungen Spielern. Hinter solchen Entscheidungen steckt also nicht nur der Instinkt.

netzathleten: Lebbe geht weider. Ein Satz, der Bundesligageschichte geschrieben hat. Wer gab Dir diese Weisheit mit auf den Weg?
Dragoslav Stepanovi?: Meine Mutter war das. Sie sagte immer zu mir: Mein Sohn, wenn es mal irgendwann nicht weitergeht, in einer Lebenssituation nichts mehr zu holen ist, mach deinen Frieden damit, denn das Leben geht weiter. So habe ich meinen Spielern 1992 vor dem berühmten Schicksalsspiel der Eintracht in Rostock und in der Halbzeitpause auch gesagt, wir haben jetzt Zeit, zu versuchen alles zu holen. Nach dem Spiel war daran nichts mehr zu machen, wir hatten die Meisterschaft für die Eintracht vergeigt. Da gab es nichts mehr zu ändern, nichts mehr zu holen. Daher gab es für mich damals auch nur die logische Konsequenz: Keine Tränen oder Trauer, Lebbe geht weider!

netzathleten: Mit diesem lockeren Spruch konnten die Fans der Eintracht auf den Gedanken kommen, Dir hätte der Titel nichts bedeutet. Gab es deswegen damals auch Vorwürfe?
Dragoslav Stepanovi?: Ja natürlich. Aber man muss sich als Trainer schon von vorneherein bewusst sein, dass ein Drittel der Fans immer gegen dich ist – ohne zu wissen warum. Das Drittel, das für dich ist, weiß auch nicht warum. Man kämpft als Trainer also um das Drittel in der Mitte, darum, dieses Drittel auch noch auf seine Seite zu ziehen.

netzathleten: Mittlerweile haben sich sogar viele Eintracht-Fans dieses Lebensmotto zu Eigen gemacht, bei der sportlichen Berg- und Talfahrt des Vereins in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Wie verfolgst du die Entwicklung der Hessen?

Dragoslav Stepanovi?: Die Frankfurter Eintracht war mein erster Verein im Ausland und ich fühle mich noch immer sehr wohl in Hessen. So lange ich lebe, liebe ich diesen Verein und fast wäre ich ja wirklich in die Geschichte dieses Vereines eingegangen. Und ich bin froh, wie es in dieser Saison für die Eintracht gelaufen ist und dass sie sich für das internationale Geschäft qualifiziert hat. Das ist enorm wichtig für das Renommee eines Vereines und für die Finanzen. Wenn man sich das Potential des Vereins anschaut, mit einem Schnitt von 48.ooo Zuschauern, mit der jungen Mannschaft, dann muss das das Ziel für die nächsten Jahre sein.

netzathleten: Du machst keinen Hehl daraus, wieder trainieren zu wollen, hast aber das Image des Zampanos. Verhindert das womöglich ein neues Engagement im Profifußball?
Dragoslav Stepanovi?: Ich sehe mich nicht als Zampano. Wenn ich früher samstags mit dem Anzug und mit Zigarillo an der Seitenlinie gestanden habe, dann nur deshalb, weil ich das genießen wollte. Den Grundstein für ein gutes Spiel haben wir immer in der Woche gelegt. Und ich habe die Spieler hart trainieren lassen, weil ich wollte, dass sie bis zum Schluss rennen können. So wie Dortmund und Bayern das gerade tun. Dieses Image des Zampanos hat mir Rainer Calmund verpasst. Und wenn wir das vergleichen wollen, dann sehe ich ihn als Chefkoch in der Küche. Ich weiß nicht, was er damit bezwecken wollte, denn ein Zampano hat meiner Meinung nach einen schlechten Charakter. Und was den Trainerjob angeht, würde ich gerne mal Nationaltrainer eines Landes werden, das ist noch ein Ziel von mir. Fünfmal stand ich kurz davor, dann hat doch immer jemand anderes den Job bekommen. Vielleicht klappt es ja doch noch.

netzathleten: Warum gibt es heute keine solchen Typen mehr, wie Du einer bist?
Dragoslav Stepanovi?: Heute sind schon beim Training 10 Kamerateams dabei, deshalb wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Das hat dazu beigetragen, dass sich die Trainer und Spieler heute bedachter äußern.

netzathleten: Abschließend noch zu einem Highlight Deiner Karriere, das Spiel gegen Brasiliens Nationalmannschaft mit Pelé. Wie hast Du den besten Fußballer aller Zeiten erlebt?

Dragoslav Stepanovi?: Damals habe ich das gar nicht so richtig realisiert, das ist mir heute erst bewusst, wie bedeutend das war. Vor 180.000 Zuschauern beim Abschiedsspiel von Pelé dabei gewesen zu sein. Der größte Spieler aller Zeiten hat uns dazu eingeladen, das war eine einmalige Sache, die mir ewig und drei Tage in Erinnerung bleibt. So viele Journalisten wie da habe ich auch noch nie gesehen. Alle 180.000 haben geweint, als Pelé dann zum letzten Mal ausgewechselt wurde. Die Kamera ging hinter ihm her, das Spiel wurde gar nicht mehr gezeigt. Es gab ja auch nur die eine Kamera damals. Ich habe mir inzwischen die DVD von dem Spiel besorgt, die hört mitten in der zweiten Halbzeit auf, das Fußballspiel haben sie vergessen.

netzathleten: Vielen Dank Stepi!

Seit ein paar Tagen ist stepiswelt.de online, auf der Dragoslav Stepanovi? zukünftig regelmäßig das aktuelle Fußballgeschehen kommentieren wird. Stepi plant zusätzlich, künftig auf youtube eine Video-Kolumne zu veröffentlichen.

Buchvorstellung: Lebbe geht wieder – Das Leben des Dragoslav Stepanovi?

 

Die beiden Autoren Peter C. Moschinski und Martin Thein zeichneten die Lebensgeschichte von Dragoslav Stepanovi? auf. In zehn Sitzungen à acht Stunden berichtete Stepi ihnen aus seinem bewegten Leben.

Steckbrief des Buches
Lebbe geht weider
224 Seiten, 13,9 x 21,2 cm, Hardcover, Fotos
Erschienen im Verlag Die Werkstatt
ISBN: 978-3-7307-0016-7
Preis: 19,90

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