Interview mit Triathlon-Profi Matthias Hecht Team Commerzbank

Interview mit Triathlon-Profi Matthias Hecht

  • Christian Riedel
Der Schweizer Triathlon-Profi Matthias Hecht verbringt jeden Winter im Trainingslager in Australien. Wir haben Matthias in Noosa besucht und mit ihm über sein Training, den Ironman Hawaii und Lance Armstrong gesprochen.

Der kleine Ort Noosa an der australischen Ostküste bietet optimale Trainingsbedingungen für Triathleten. Deshalb treffen sich dort jedes Jahr von Januar bis April Top-Athleten aus der ganzen Welt, um sich gemeinsam auf die neue Saison vorzubereiten. Neben Triathlon-Legenden wie Laura und Greg Bennett oder Mirinda Carfrae, der Hawaii-Zweiten von 2009, gehört auch der Schweizer Matthias Hecht zu diesem illustren Kreis.

netzathleten: Matthias, seit wann kommst du nun zum Training nach Noosa?
Mathias Hecht: Mittlerweile seit 10 Jahren. Anfangs habe ich noch Jura studiert, da konnte ich mir nicht so lange frei nehmen, aber das habe ich jetzt erstmal unterbrochen, weil ich beim Commerzbank Triathlon Team unter Vertrag bin.

netzathleten: Wie hoch ist dein Trainingspensum und welchen Stellenwert hat die Qualität im Gegensatz zur Quantität?

Mathias Hecht: Bei mir ist das so: wenn ich über 30 Stunden trainiere, dann leidet die Qualität. Heute bin ich beispielsweise in die Hügel gefahren und hab Intervalltraining am Berg gemacht. Über eine Stunde lang immer 10 Minuten Wiederholungen. Danach könnte ich zwar locker noch anderthalb oder zwei Stunden ausfahren, aber was bringt mir das, wenn ich da so rumgurke. Da muss man auch überlegen, ist das nur Zeit die dich müde macht, oder bringt dir das etwas?

netzathleten: Welche Ziele hast du für die Saison?

Mathias Hecht: Ich will auch mal einen Ironman gewinnen, deshalb habe ich die Rennen in dieser Saison anders ausgewählt. Es muss ja nicht immer Frankfurt oder Hawaii sein. Das kann man auch so wählen, dass etwas weniger starke Konkurrenten am Start sind. In Frankfurt hast du Chris McCormack und Timo Bracht am Start, die gehören zu den besten der Welt. Für mich ist es jetzt aber wichtig, auch mal einen Ironman zu gewinnen. Deshalb mache ich dieses Jahr den Ironman Südafrika als erstes, dann kommt Abu Dhabi, das neue Rennen, bei dem die halbe Welt am Start sein wird. Und dann starte ich wieder beim Ironman in der Schweiz, weil die mediale Präsenz in der Schweiz für mich wichtig ist. Außerdem habe ich da noch eine Rechnung offen, ich war da zweimal Zweiter und will das Rennen endlich gewinnen.

netzathleten: Wie viele Rennen verkraftet man pro Saison?

Matthias Hecht: Ich versuche immer so 3 Monate Minimum zwischen den Langdistanzrennen zu haben. Dann habe ich 2 Wochen zum Regenerieren, 2 Wochen um locker zu trainieren und dann 2 Monate um mit dem normalen Training weiterzumachen.

netzathleten: Wie kriegt es ein Craig Alexander hin, über die ganze Saison Höchstleistung zu bringen? Immerhin hat er im letzten Jahr 5 von 6 70.3 Triathlons gewonnen und ist dann noch in Hawaii Sieger geworden?
Mathias Hecht: Das ist ein Riesenunterschied. Crowie macht ja vor Hawaii keinen anderen Ironman. Das macht schon viel aus. Wenn du Hawaii gewinnen willst, kannst du dir nicht erlauben, vorher 2 Ironman zu machen. Im letzten Jahr ist Crowie nur in Hawaii auf der Langdistanz gestartet.

netzathleten: Was sagst du zum Thema Lance Armstrong und Triathlon? Glaubst du, Lance hat Chancen wenn er auf Hawaii startet?
Mathias Hecht: Also wenn Lance sauber fährt, dann hat er keine Chance. Er ist zwar ein Top-Radfahrer, aber ich glaube nicht, dass er den Marathon so hinkriegt. Lance ist frisch und mit super Vorbereitung beim New York Marathon knapp unter 3 Stunden gelaufen. Das reicht beim Ironman nicht. Ich meine für den Triathlon Sport ist es das Beste, was passieren kann. Das mediale Interesse wird zwar sehr stark auf Lance fokussiert sein, aber es werden auch mhr Journalisten da sein, als je zuvor. Die Medienpräsenz wird gigantisch sein, nur weil Lance da ist. Für unseren Sport wäre das gut.

netzathleten: Wie wichtig ist für dich das Thema Ernährung? Hast du einen Ernährungsberater?
Mathias Hecht: Ich hab schon Leute, die mich beraten. Aber ich bin niemand, der einen festen Ernährungsplan hat. Ich arbeite da mehr nach Gefühl. Ich weiß, was ich so brauche. Das wäre nichts für mich, wenn ich das alles nachmessen müsste. Man kann das auch fast zu extrem machen, wenn man jede Kalorie zählt. Da bin ich vielleicht von den Australiern beeinflusst, aber irgendwo hört für mich die Wissenschaft auf. Wir Europäern machen manchmal zu viel Wissenschaft. So viele große Trainer und Athleten haben in der Vergangenheit nicht nur wissenschaftlich gearbeitet, sondern einfach hart trainiert und mit Körpergefühl gearbeitet, und es hat funktioniert.

netzathleten: Die Frage ist aber, wie das in Zukunft aussieht. Was passiert denn, wenn einer mit Hilfe der Wissenschaft einen Schritt nach vorne macht?
Mathias Hecht: Ja, aber du siehst das ja jetzt schon. Timo Bracht zum Beispiel macht sehr viel wissenschaftlich, der ist für mich einer der professionellsten Athleten und hat damit Erfolg. Der bringt seine Leistung, aber ich kenne auch andere Athleten wie Chris McCormack, die eben kein System haben. Aber kein System zu haben, ist eben auch ein System, oder? Da System von Macca funktioniert halt so, dass er schaut, wie er sich fühlt und dann so trainiert. Auch mein Teamkollege Normann Stadler ist für mich so einer. Der muss einfach hart trainieren und dann ist er top.

netzathleten: Aber in den letzten Jahren hat Normann nicht mehr an seine Topleistungen anknüpfen können, woran hat das gelegen?
Mathias Hecht: Die letzten beiden Male auf Hawaii sind nicht gut gelaufen. Das eine Mal hatte er Magenprobleme und das andere Mal Krämpfe. Das ist immer schwierig. Normann wird ja nur noch am Sieg gemessen. Der hat viel mehr Druck, wenn er ins Rennen geht, für ihn gibt es ja nur Siege. Das alleine ist schon eine extrem schwierige Situation. Und das Niveau im Triathlon ist seitdem ja auch noch mal gestiegen. Obwohl ich immer noch glaube, dass man Normann nie abschreiben darf. Ich habe mit Normann 2008 in San Diego trainiert, er ist körperlich eines der größten Talente im Triathlon. Das ist schon krass, wenn du mit Normann Rad fährst, was der für eine Power hat.

Vielen Dank für das Interview.

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