Rezension: „Timo Boll – Mein China“ istockphoto.com/dwphotos; Marco Heibel

Rezension: „Timo Boll – Mein China“

  • Marco Heibel
Einem Sprichwort zufolge gilt der Prophet im eigenen Land nichts. Ganz so schlimm ist es im Fall von Timo Boll nicht. Dennoch: Die Popularität des besten deutsche Tischtennisspieler in China ist so groß, dass sein Standing in Deutschland in keinem Verhältnis dazu steht. Doch das ist nicht alles, was das Buch „Timo Boll - Mein China“ dem Leser vermittelt.

Kein Land dominiert eine einzelne Sportart derart wie China das Tischtennis. Timo Boll ist einer von ganz wenigen Ausländern, die den Chinesen in den letzten Jahrzehnten Paroli bieten konnten. Als erstem deutschen Tischtennisspieler gelang es dem 30-jährigen Odenwälder im Jahr 2003, Platz eins der Weltrangliste zu erobern. Anfang 2011 wiederholte er dieses Kunststück. Dafür wird er in China keinesfalls gehasst oder verachtet, vielmehr respektieren und verehren ihn die Chinesen dafür. Er ist dort ein gefeierter Star, populärer noch als die Fußballer David Beckham und Cristiano Ronaldo und fast so beliebt wie die eigenen Sportgrößen.



Der Sportjournalist Friedhard Teuffel durfte den Tischtennisstar auf einer seiner zahllosen China-Reisen begleiten. Im Schlepptau des beliebtesten Deutschen in Asien erhielt der Autor einen Einblick in das „Doppelleben“ des 30-jährigen Odenwälders. In China kann sich Timo Boll – oder „Bor“, wie die Chinesen seinen Namen aussprechen – nicht in der Öffentlichkeit bewegen, ohne gleich von einer Menschentraube umringt zu werden. In Deutschland ist er zwar auch ein Star, hier kann der scheue Wahl-Düsseldorfer aber ein vergleichsweise ruhiges Leben führen.

Mehr als eine Biographie


Aufhänger des Buchs ist ein Schauturnier der besten Spieler Asiens gegen die besten Spieler Europas in Peking. Auf dieser Reise hat Timo Boll die Muse, Teuffel ganz nah an sich ran zu lassen und ihm „sein China“ zu zeigen. In vielen Gesprächen, aber auch in ganz alltäglichen Situationen wird deutlich, wie Timo Boll über Land und Leute denkt und warum er trotz des Rummels um seine Person immer wieder gerne hierher kommt.

Darüber hinaus erzählt das Buch in Episoden immer wieder vom Aufstieg eines einstmals pummeligen Tischtennis-Talents aus dem Odenwald, dem zuliebe ein ganzer Verein, der TTV Gönnern, in den 1990ern seinen Trainingsschwerpunkt in Bolls 160 Kilometer entfernten Heimatort Höchst verlegte. Die vielen Höhe- und wenigen Tiefpunkte in Timo Bolls Karriere werden beschrieben – auch das ist natürlich undenkbar, ohne immer wieder die Brücke zu den Chinesen zu schlagen, gegen die Boll seine größten Siege errungen hat.

Viele Weggefährten, vom Vater über die Vereins- und Bundestrainer bis hin zu Mitspielern und Konkurrenten, ermöglichen einen Blick von außen auf den Protagonisten. Mit Lob und Anerkennung wird dabei nicht gegeizt – Dinge, die Timo Boll über sich selber nie äußern würde.

In „Mein China“ wird weiterhin jede Menge über Technik und Taktik beim Tischtennis philosophiert. Boll und seine Weggefährten erklären, was das chinesische Tischtennis ausmacht, wie es aber trotzdem möglich sein kann, einer ganzen Armada von Topspielern die Stirn zu bieten.

„Mein China“ ist nicht nur für Boll-Fans, Tischtennis-Freaks und Freunde von Reiseberichten interessant. Auch Tischtennis-Laien erhalten einen Einblick in den enormen Facettenreichtum des Spiels. Man erahnt zumindest, warum Tischtennis viel mehr ist als das Anschneiden und Schmettern von Bällen und warum es dem Schachspiel, aber auch dem Poker ähnlicher ist, als man zunächst vermutet.

Über das Buch

Friedhard Teuffel: „Timo Boll – Mein China“. 320 Seiten, 32 Seiten Bildteil. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2011. Preis: 19,95 Euro. Weitere Infos unter http://www.schwarzkopf-verlag.de/

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