Interview mit Jan Jagla - „Ich liebe die großen Turniere“ DBB/Camera 4

Interview mit Jan Jagla - „Ich liebe die großen Turniere“

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Jan Jagla bekam bei der EM in Polen endlich die Chance, auf die er im Schatten Dirk Nowitzkis so lange warten musste. Im Anschluss an die EM sorgte der 28-jährige mit seinem Wechsel zum polnischen Spitzenklub Prokom für Aufsehen und setze in der Euroleague zuletzt einige Duftmarken. Im Interview mit Crossover berichtet Jagla exklusiv von der EM, dem Leben in Polen und seinen Zielen für die nächsten Jahre.

Nach einem starken Auftritt bei der EM in Polen spielt Jan Jagla in der laufenden Saison auch für einen polnischen Klub: Bei Asseco Prokom kämpft der 2,13 Meter große Flügelspieler aus Deutschland um Punkte für die polnische Meisterschaft, den Pokal und in der Euroleague.

In einer individuell stark besetzten Truppe hat sich Jagla dabei vor allem in der Euroleague rasch durchsetzen können und kommt bisher auf Werte von 11,8 Punkten und 4,5 Rebounds pro Partie. Neben in Europa etablierten Stars wie David Logan, dem einst als nächsten Tracy McGrady gehandelten Qyntel Woods oder Abräumer Pape Sow lieferte der 28-Jährige bereits mehrere bärenstarke Auftritte und bereut es nicht, hauptsächlich der Euroleague wegen nach Polen gewechselt zu sein.

Im Interview mit Crossover berichtet Jan von seinem Alltag in Polen, seinen Eindrücken von der EM und den Zukunftsaussichten seines Kumpels Robin Benzing.

Crossover: Wie zufrieden bist Du mit dem Verlauf der EM in Polen?
Jan Jagla: Die EM war eine schöne Erfahrung. Zum einen haben wir gezeigt, dass wir starke Nachwuchsspieler haben und dass es auch in Zukunft guten deutschen Basketball geben wird. Auch wenn wir nur ein Spiel gewonnen haben, haben wir gegen große Mannschaften bis zum Ende mitgehalten und das war ein großes Ausrufezeichen. Persönlich habe ich das erste Mal Verantwortung in der Nationalmannschaft übernehmen dürfen und obwohl ich gerne etwas konstanter gespielt hätte, bin ich alles in allem doch recht zufrieden.

Hat dieses Turnier Deinen Appetit auf die Nationalmannschaft eher verstärkt oder denkst Du in Deinem Alter schon wieder ans Aufhören bzw. einen Rücktritt?
Nein, ich bin jemand, der es braucht, sich mit den Besten zu messen. Ich liebe es, mich im Sommer auf den großen Turnieren beweisen zu müssen und auch immer alte Teamkollegen zu treffen. Solange ich merke, dass mein Körper die Doppelbelastung verträgt, sehe ich keinen Grund, nicht Teil der Nationalmannschaft zu sein, solange man mich dort haben will.

Viele Beobachter fanden das Mannschaftspiel Eures Teams ohne Dirk Nowitzki wesentlich attraktiver, sahen mehr Teambasketball, Bewegung und Leidenschaft. Wie ging Dir das als Spieler und ehemaliger Backup von Dirk?
Dirk ist ein großartiger Spieler und ich glaube, dass man manchmal selber gucken will, was er als nächstes Verrücktes macht und somit seine eigene Bewegung vergisst. Es war von absoluter Notwendigkeit, dass wir uns als Mannschaft präsentieren, sonst hätten wir null Chancen gehabt. Ich glaube, wir haben es geschafft, uns als Team zu finden und so zu spielen, aber ob es besser oder schlechter ist, kann ich nicht beurteilen. Ich denke, ein Nowitzki kann jeder Mannschaft nur helfen, vielleicht müssen wir einen Weg finden beides zu verknüpfen.

Welcher der jungen, neuen Spieler im Nationalteam hat Dir am meisten imponiert?
Ich denke, alle haben viel Talent gezeigt und auch die Jungs, die "nur" in Leverkusen dabei waren, haben sich ausgezeichnet gemacht. Allerdings hab ich ein besonderes Verhältnis zu Robin Benzing bekommen und war sehr beeindruckt, wie er sich auf dem Niveau zurecht gefunden hat. Er hat Talent, das ist keine Frage, aber er hat auch den Willen und den Kopf sich durchzusetzen. Ich glaube, aus ihm wird noch ein ganz Großer.


Wieso bist Du im Frühherbst ausgerechnet nach Polen gewechselt? Hattest Du andere Angebote, beispielsweise auch aus Deutschland? Wie wichtig war es Dir, bei einem Euroleague-Teilnehmer zu spielen?
Polen war anfangs keine leichte Entscheidung. Ich war von der heimischen Liga nicht sonderlich angetan. Doch die Möglichkeit, wieder in der Euroleague zu spielen, war ausschlaggebend. Es ist ähnlich wie mit der Nationalmannschaft, hier kann man sich auf höchstem Niveau messen und zeigen, dass man dazu gehört. Ich wollte immer schon auf dem höchst möglichen Level spielen und das wurde mir hier geboten. Es gab andere Angebote, allerdings keines aus Deutschland. Aber ich glaube, im Nachhinein die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Wie gefällt es Dir bisher?
Es gefällt mir gut hier, meine Verlobte und ich haben eine schöne Wohnung an der Ostsee und auch wenn es nicht Barcelona ist, lässt es sich hier doch gut leben. Basketballerisch bin ich langsam angekommen. Anfangs musste ich mich erst eingewöhnen, in ein Team, das schon seit dem letzten Jahr zusammen ist. Heute habe ich jedoch eine wichtige Rolle und kann vor allem in den Euroleague Spielen dem Team helfen.

Erlaubt es Dir die Distanz zwischen Gdynia und Deutschland an spielfreien Tagen nach Berlin zu kommen?
Leider nein, es sind immer noch sieben Stunden Autofahrt und Berlin wird wohl nur zu Weihnachten besucht werden.

Euer Team ist individuell verdammt stark. Wie steht es um die Chemie bei so vielen guten Individualisten und mit wem verbringst Du am meisten Zeit?
Ich denke, die Chemie ist das Wichtigste, doch ich glaube wir haben sie langsam gefunden. Ich hoffe, dass wir auch noch ein bis zwei Siege in der Euroleague holen können. Ab und zu treffe ich mich mal mit Ronnie Burell, der ja auch schon in der BBL (Bonn) gespielt hat.

Was ist Qyntel Woods für ein Typ? Ihm wurde eine goldene Zukunft in der NBA prophezeit, aber dann lief einiges schief, obwohl man sein großes Potenzial meines Erachtens noch immer sieht, wenn er auf dem Spielfeld steht. Ist so ein Spieler wirklich zufrieden damit, in Polen zu spielen?
Das müsste man ihn selber fragen, ich denke, er hat soviel "god given" Talent wie kaum ein Zweiter. Allerdings hat er sich, glaube ich, bei einigen Klubs etwas unbeliebt gemacht. Ich denke, er ist glücklich hier in der Euroleague zu spielen und macht ja auch das ein oder andere gute Spiel für uns.

Wie würdest Du Euren Coach Tomas Pacesas beschreiben? Ist er ein Players Coach oder eher ein harter Hund? Wie schafft er es, Euer Team zu kontrollieren?
Der Coach ist ja selber lange Spieler gewesen und weiß daher ganz gut, wieviel Training gut oder schlecht ist. Auf dem Feld und in der Kabine kann er jedoch schon ziemlich laut werden und das ist seine Art, die Jungs alle bei der Stange zu halten.

Wie siehst Du selbst Deine Rolle in Eurer Mannschaft?
Ich habe mittlerweile eine ganz gute Rolle, ich komme zwar von der Bank, aber ich bin schon in der entscheidenden Phase meist auf dem Feld. Man erwartet von mir ein bisschen von allem, natürlich Rebounds und Punkte, aber auch Verteidigung und den ein oder anderen Assist soll ich beisteuern. Ich denke, ich bin ein wichtiger Teil der Mannschaft.

Was sind Eure Ziele für die laufende Saison?
Es gibt drei klare Ziele hier: Das sind zum einen die Meisterschaft und der Pokalsieg und dann auch die nächste Runde der Euroleague.

Wer noch mehr von Jans Erlebnissen in der Euroleague und seine eigenen Gedanken zum Basketball weltweit erfahren möchte, sollte regelmäßig auf www.lumaniblog.eu vorbeischauen. Hier schreiben Jan, aber auch andere Basketballer und Coaches über ihre Vergangenheit, Pläne für die Zukunft, aber auch andere Spieler oder besondere Momente in ihrer Karriere.

Das Interview führte Peter Bieg

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