"Ich muss mich nicht bemühen" - Interview mit Peter Neururer picture-alliance

"Ich muss mich nicht bemühen" - Interview mit Peter Neururer

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Im Interview nach dem 13. Spieltag mit unserer Partnerseite fussball24.de äußert sich Peter Neururer zur Situation in der Bundesliga, Depressionen bei Profis und erklärt, warum ein Markus Reichenberger sich besser nicht für Anschuldigungen im Wettskandal rechtfertigen sollte.

Die Bundesliga bleibt weiter spannend. Bayer Leverkusen führt weiter die Tabelle an, Bremen feiert seine jungen Wilden und der FC Bayern scheint wieder in die Erfolgsspur zu finden. Doch der Fußball-Alltag wird vom Wettskandal in Europa, der auch vor Deutschland nicht halt macht, in den Schatten gestellt. Hinzu kommen immer mehr Bundesligaspieler die nach dem Tod Robert Enkes angeben, auch selbst an Depressionen zu leiden. Peter Neururer war bereits Trainer bei 13 Profi-Klubs und kennt das Geschäft wie kaum ein anderer.

Fussball24.de:Herr Neururer, der 13. Spieltag ist rum, Leverkusen steht an der Spitze, Bremen ist zweiter- war diese Konstellation vor der Saison für Sie abzusehen?
Peter Neururer:Nun das Leverkusen schon unter Bruno Labbadia eine gute Entwicklung genommen hat, ist ja bekannt. Aber das sich das Team so stabilisiert ist schon eine Leistung und war nicht zu erwarten. Trotzdem muss man mal abwarten. Der 13. Spieltag sagt schon viel aus, er sagt aber noch lange nicht alles aus.

Das Bremen sich gut entwickelt hat ist fast normal. Nach der schlechten Leistung im letzten Jahr war ja mit einer besseren Leistung in dieser Saison zu rechnen. Die Mannschaft ist nun nicht mehr von Diego abhängig. Die Verantwortung verteilt sich jetzt auf mehrere Spieler.

Fussball24.de: Der FC Bayern verfehlt in letzter Zeit ja regelmäßig die „Big-Points“. Gegen Bremen, Hoffenheim, Hamburg, Schalke und jetzt Leverkusen, konnte nicht gewonnen werden. Sogar von der Rückkehr des „FC Hollywood“ ist die Rede. Wie sieht ihre Einschätzung zur Lage in München aus?
Neururer: Grundsätzlich muss Louis van Gaal am besten wissen wie man ein Team auf solche Spiele vorbereitet. Oder er weiß es eben nicht. Wenn ich eine Mannschaft mit dem Potential von Bayern München habe, eine auf allen Positionen dermaßen gut bestückte und teilweise auch herausragend aufgestellte Mannschaft, dann ist es mehr als enttäuschend, was Bayern München aktuell zeigt. Und da meine ich jetzt nicht den Punktabstand. Den kann man locker aufholen, aber die Leistung ist entscheidend. Und die stimmt nicht.

Fussball24.de: In der Bundesliga wurde nach dem tragischen Tod von Robert Enke zuletzt viel über Depressionen gesprochen. Zuletzt erklärten auch Josip Simunic bei Hertha oder Andreas Biermann vom FC St. Pauli, der nach eigener Aussage sogar vor vier Wochen einen Selbstmord-Versuch unternahm, dass sie betroffen seien. Läuft im Profi-Fußball grundsätzlich etwas verkehrt?
Neururer:Die Liga ist doch immer das Spiegelbild zur allgemeinen Gesellschaft. Das was in der Liga dargestellt wird ist eine Scheinwelt, wie der Profi-Sport schlecht hin. Und in der Gesellschaft kommen solche Krankheitsbilder vor, das ist normal. Die Depressionen von Robert Enke hat eben keiner, oder kaum einer, gesehen. Ein Spieler kann sich auch nicht leicht äußern. Was macht ein Trainer mit einem Spieler der zu ihm geht und sagt: „Ich möchte gerne spielen, habe aber Depressionen und gehe deshalb für acht Wochen auf Kur.“ Das ist keine leichte Sache.


Fussball24.de: Was sind denn ihrer Meinung nach die Faktoren die einen Spieler in die Depression treiben? Ist es falscher Ehrgeiz, können die Spieler ihre eigenen Erwartungen nicht erfüllen, spielt die große Öffentlichkeit eine Rolle?
Neururer: Nein, Versagens-Ängste gibt es ja nicht nur im Fußball. Sie können vielleicht der Auslöser sein, aber nicht der Hauptgrund. Es handelt sich bei Depression um eine ernsthafte Krankheit, die mit den Nerven zu tun hat.

Fussball24.de: Was sagen Sie zu Zeitungen wie der „Bild“, die Herthas 19-Jährigen Torwart Sascha Buchert als den „Torwart-Trottel“ bezeichnete, nachdem ihm zwei unglückliche Fehler passierten?
Neururer: Da hört es sich ja auch irgendwo auf. Da werden allgemein Spieler nach zum Teil hervorragenden Leistungen ans Kreuz genagelt, obwohl sie davor noch in den Himmel gelobt worden sind. Und das nur weil einer einen Fehler macht.

Das sind Dinge, die unsere Fußballgesellschaft negativ beeinflussen. Das geht einfach viel zu persönlich zu. Und da ist es uninteressant ob der Spieler jung oder alt ist. Diese Oberflächlichkeit darf einfach nicht sein.

Fussball24.de: Sie waren als Trainer schon bei 13 Vereinen tätig. Setzten Ihnen die oft schwierigen Situationen bei ihren Teams auch privat zu?
Neururer: Das setzt einem immer persönlich zu, ob es jetzt erfolgreich läuft oder nicht. Das passiert ja an jedem Tag, an dem man arbeitet. Wenn man aber die Ruhe zu Hause hat, ein funktionierendes Ehe- oder Partner-Leben hat, dann kann man auch Misserfolge auf einer normalen und guten Ebene wieder kompensieren.

Fussball24.de: In Europas Fußball sorgt ein Wettskandal für Aufsehen, der auch vor Deutschland nicht halt macht. Warum setzen Profis für ein paar tausend Euro die eigene Karriere aufs Spiel und gehen das Risiko ein dem Fußball und ihren Klubs großen Schaden anzurichten?
Neururer: Moment, da muss man sich erst mal fragen, worüber reden wir eigentlich? Über Fakten? Es gibt keine konkreten Namen. Wenn irgendwo, irgendwas geschehen wäre, was ich mir aber nicht vorstellen kann, dann wird in unserer Medienlandschaft schon wieder spekuliert.

Da muss sich dann ein Thomas Reichenberger im Stadion vors Publikum stellen und sagen: „Ich wars nicht, ich hab da nichts mit zu tun“. Ich glaube ihm das. Und trotzdem werden die Spieler gezwungen sich „für nichts“ zu rechtfertigen. Und eine Rechtfertigung an sich ist einfach nur scheiße.

Da bleibt nämlich immer irgendetwas hängen. Auch in drei oder vier Jahren wird man sich jetzt erinnern und sagen: „Moment mal, Reichenberger, der hatte doch was mit dem Wettskandal zu tun.“ Das ist eine unfassbare Vorverurteilung die da momentan abläuft. Eine Woche nach dem Tod von Robert Enke, wo klar wird, dass man miteinander mit mehr Respekt umgehen sollte, kommen solche Dinge auf. Das ist auch von meiner Seite ein riesen Vorwurf an die Staatsanwaltschaft, wie die mit der Situation umgegangen ist. Klar ist- wenn tatsächlich etwas geschehen ist, muss man knallhart dagegen vorgehen. Aber dem Ganzen schon jetzt so viel Raum für Spekulationen zu geben, das kann nicht sein.

Fussball24.de: Kommen wir noch zu ihrer Karriere. Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter? Reizt Sie die sportliche Herausforderung noch? Bemühen Sie sich um eine neue Anstellung als Trainer?
Neururer: Ich muss mich nicht bemühen. Ich habe so viele Spiele im bezahlten Fußball betreut- wenn einer meint, in welcher Situation auch immer, sie bräuchten einen Trainer, dann wird er mich schon anrufen.

Die Bundesliga wäre natürlich toll, für jeden Trainer. In der zweiten Liga muss es ein Verein mit Tradition sein, bei dem man die Chance hat etwas aufzubauen- am besten mit Ambition auf den Aufstieg. Beim Ausland müsste das dann schon etwas außergewöhnliches sein. Wenn das passen sollte, würde ich das dann auch annehmen.

Fussball24.de: Wir wünschen Ihnen gute Angebote und bedanken uns für das Gespräch.

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