Interview mit Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp „Besser spielen als in Bern“ by Oliver Mothes, Eishockey-Magazin.de

Interview mit Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp „Besser spielen als in Bern“

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Wenige Tage vor dem Deutschland Cup (6. – 8. November in München) stellte sich Bundestrainer Uwe Krupp zum Interview. Dabei sprach er neben dem bevorstehenden Turnier auch über die kommenden Herausforderungen, wie die Olympischen Winterspiele und die WM im eigenen Land 2010.

Frage: „Beim Deutschland-Cup ab Freitag in München steht die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft erstmals seit der verkorksten WM in der Schweiz wieder auf dem Eis. Ist Wiedergutmachung angesagt?“
Uwe Krupp: „Wenn es im Verein mal zwei, drei Spiele nicht gut läuft, hast du schnell die nächsten Aufgaben und kannst schon innerhalb von ein paar Tagen alles wieder gut machen. In der Regel stimmt es, dass man immer so gut ist wie sein letztes Spiel. Unsere Nationalmannschaft hat erst jetzt – ein halbes Jahr später – diese Chance. Die wollen wir natürlich nutzen. Wir wollen uns gut verkaufen und besser spielen als in Bern.“

Frage: „Was sind die Lehren aus der WM in Bern? Ist der Stamm der Mannschaft doch nicht so stark, wie Sie dachten?“
Krupp: „Wir haben auch bei den Erfolgen der letzten Jahre nie den Blick für die Realität verloren und immer gewusst, dass eine gute Portion Glück dazu gehört, um so abzuschneiden wie 2006, 2007 und 2008. Bei den Weltmeisterschaften 2007 und 2008 sind wir über uns hinaus gewachsen. Wenn du das einmal nicht schaffst, bist du ganz schnell in der Abstiegsrunde, und man kann gegen Österreich verlieren. Unsere Fachleute vergessen recht schnell, dass großartige Multifunktionsarenen und fragwürdige Ansprüche, was die Stärke unserer Liga angeht, auf dem Eis niemanden interessieren.Wir sind immer noch die gleiche Mannschaft, die aus deutschen Spielern zusammengestellt ist, denen mit wenigen Ausnahmen untergeordnete Rollen in der DEL zugeschrieben sind. Die Mannschaft ist immer noch genau so stark wie in Moskau und Halifax, und Personalentscheidungen sind in erster Linie verletzungsbedingt gewesen. Das hat nichts mit dem Stamm der Mannschaft zu tun. Dies sind die Spieler, die jetzt die dominierende Generation im deutschen Eishockey sein sollten. Wir haben nicht 20 andere Spieler, die wir nehmen können. Über ein oder zwei Spieler kann man immer diskutieren. Aber kein einziger Spieler in unseren Reihen setzt so viele Akzente, dass er uns Spiele allein gewinnen kann. Unser Erfolg steht und fällt mit dem Mannschaftsgefüge. Im Prinzip stellt sich die Mannschaft von selbst auf. Dennoch versuchen wir immer wieder, neuen Spielern wie z. B. Rob Zepp, Jakub Ficenec, Thomas Holzmann oder auch Patrick Reimer, der schon mal dabei war, die Chance zu geben, uns zu zeigen, ob sie uns besser machen.“

Frage: „Was haben Sie als Trainer aus der WM in der Schweiz gelernt? Was machen Sie jetzt anders?“
Krupp: „Du versuchst, jedes Jahr mehr zu machen, weil du davon ausgehst, dass die Mannschaft relativ eingespielt ist und das Spielsystem kennt. Wir haben versucht, ein paar weitere spielerische und taktische Variationen mit der Mannschaft zu automatisieren, und das ist uns in den Vorbereitungsspielen auch gut gelungen. Das endgültige WM-Team jedoch, in das dann noch kurzfristig die Halbfinal- und Final-Teilnehmer aus der DEL hinzukamen, konnte diese Aufgaben ohne Trainingslager und gemeinsame Vorbereitungsspiele nicht umsetzen. Die Lehre war, dass uns ohne Vorbereitungszeit die Hände gebunden sind. Wir werden weniger über taktische Details reden als zuletzt, die Zeit dazu hat man im deutschen Eishockey nur im Verein, nicht mit der Nationalmannschaft.“

Frage: „Was hat die Mannschaft gelernt?“
Krupp: „Die Führungsspieler haben mir gesagt: Das wird uns nie mehr passieren. Aber das ist Quatsch. In jedem Turnier und jeder Liga der Welt gewinnen Mannschaften jede Woche gegen stärkere und besser platzierte Teams. Das ist Fakt und wird auch so bleiben. Du musst als Mannschaft einfach mehr gewinnen wollen als der Gegner, und kein Preis darf zu hoch sein, sonst bist du Zweiter. Es darf in dem Moment, wenn wir spielen, nichts Wichtigeres für uns geben, als den nächsten Zweikampf zu gewinnen. Wenn wir genug Spieler mit dieser Einstellung haben, erreichen wir unsere Ziele. Wenn nicht, dann verlassen wir uns darauf, dass der Gegner einen schlechten Tag hat, und das ist eine schlechte Wette, die in meiner Erfahrung nach meistens in die Hose geht.“

Frage: „War das Ziel Viertelfinale zu hoch gesteckt?“
Krupp: „Mit dem positiven Abschneiden bei den letzten zwei Weltmeisterschaften war es ganz natürlich, nach oben zu schauen und mehr zu erwarten. Das Problem war, dass die Franzosen bei unserer Planung nicht mitgespielt haben, und damit wird das Kartendeck neu gemischt. Erfolg und Misserfolg hängen bei uns am seidenen Faden, und das haben wir in Bern schmerzlich erlebt.“

Frage: „Bei der Heim-WM im nächsten Jahr werden Sie Ihre Ziele also vorsichtiger formulieren?“
Krupp: „Der Erfolg der WM 2010 steht und fällt mit dem, was auf dem Eis passiert. Im Moment sollten wir bescheiden sein. Dann können wir uns konzentriert und mit Ruhe auf das nächst anstehende Spiel vorbereiten. Wenn wir das gewinnen, kommt die Euphorie von ganz allein.“

Frage: „Vorher haben Sie bei Olympia in Vancouver noch die Möglichkeit, mit den deutschen NHL-Profis Werbung in eigener Sache zu machen.“
Krupp: „Das ist eine Riesenchance, aber auch eine sehr schwierige Aufgabe. Alle Gegner sind gespickt mit NHL-Stars, wir sind total krasser Außenseiter, egal wie wir es drehen.“

Frage: „Sind alle zehn deutschen NHL-Profis für Olympia gesetzt?“
Krupp: „Es gibt keine Freifahrtscheine. Nur weil man in Nordamerika spielt, heißt das nicht, dass man automatisch besser für unsere Nationalmannschaft ist als ein Spieler in Deutschland. Ich fliege nach dem Deutschland-Cup rüber, sehe mir einige Spiele unserer NHL- und AHL-Profis an, spreche mit ihnen und werde dann, mit den Aufschlüssen dieser Scouting-Tour, unsere Olympia- Mannschaft zusammenstellen.“

Das Interview führte Thomas Lipinski

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