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Frauen-WM 2011 – Torhüterin Lisa Weiß im Interview

  • Redaktion
Sie stand bis zum Eröffnungsspiel noch auf Abruf für den Weltmeisterschafts-Kader bereit. Dass es am Ende nicht gereicht hat, akzeptiert die 23-Jährige Lisa Weiß von der SG Essen-Schönebeck ohne Wenn und Aber. Im netzathleten-Interview spricht die Torhüterin über ihre bisherige Karriere, ihre Ziele und die deutsche Mannschaft.

netzathleten.de: Wie hat Deine fußballerische Karriere angefangen?

Lisa Weiß: Ich habe schon mit vier Jahren angefangen bei den Jungs des SV Lohausen, einem kleinen Dorfverein in Düsseldorf, Fußball zu spielen. Bei den Jungs habe ich sogar ein Jahr mit Sondergenehmigung gespielt, weil ich gar nicht zu den Mädchen wollte. Anschließend habe ich dann aber doch noch ein Jahr bei den Frauen des SV Lohausen in der Verbandsliga gespielt, bevor ich im Alter von 18 Jahren zum FCR Duisburg gewechselt habe. Nach einem weiteren Jahr dort, in dem wir mit der zweiten Mannschaft in die 2. Bundesliga aufgestiegen sind, kam ich dann zur SG Essen-Schönebeck, wo ich nun seit fast vier Jahren spiele.

netzathleten.de: Studierst Du noch nebenher?

Lisa Weiß: Momentan nicht mehr. Ich bin inzwischen bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Das Studium habe ich erst einmal auf Eis gelegt, weil ich mich voll und ganz auf die WM-Vorbereitung konzentrieren wollte. Aber das werde ich irgendwann auf jeden Fall wieder in Angriff nehmen, vielleicht auch in Form eines Fernstudiums. Ich weiß, dass ich nicht mein ganzes Leben Fußball spielen werde und damit Geld verdienen kann. Deshalb darf ich das Thema Studium und Beruf auch nicht ganz aus den Augen verlieren.

netzathleten.de: Hast du von Beginn an im Tor gespielt?

Lisa Weiß: Ja. Damals beim SV Lohausen wollte keiner der Jungs ins Tor und dann haben sie zu mir gesagt, ich soll mich doch ins Tor stellen. Das habe ich dann auch gemacht und mein Trainer war ganz begeistert, weil ich mich so gut angestellt habe. Zwischendurch habe ich auch mal zwei Jahre im Sturm gespielt, aber bin dann wieder ins Tor zurück, weil mir das einfach mehr gelegen hat.

netzathleten.de: Als Torhüterin ist man schnell mal der „Buhmann“, aber auch schnell der „Held“ – Wie empfindest Du diesen Spagat?

Lisa Weiß: Ich finde das generell eigentlich ganz gut. Für mich macht gerade das den Reiz aus, dass man Spiele mit entscheiden kann. Wenn man aber nicht damit umgehen kann, dass man auch schnell einmal der Buhmann ist, wäre das denke ich die falsche Position. Man muss die Rolle als Torhüterin einfach voll annehmen.

netzathleten.de: Was waren Deine schönsten Erlebnisse als Spielerin?

Lisa Weiß: Mein bisher schönstes Erlebnis war die Europameisterschaft 2009 in Finnland. Obwohl ich da nicht gespielt habe, war das einfach etwas ganz Besonderes, das ich miterleben durfte. Auch wenn es nicht so einen Hype gab, wie jetzt in Deutschland. Das war schon Wahnsinn. Vor allem natürlich das Finale, das wir dann gewonnen haben und uns somit den Europameistertitel gesichert haben. Ich habe mich damals wie in einem Film gefühlt und das war mit das schönste, was ich bisher im Fußball erlebt habe.

netzathleten.de: Was sind Deine persönliche Ziele für die Zukunft und welche mit Deinem Verein, der SG Essen-Schönebeck?

Lisa Weiß: Nach den vergangenen zwei Jahren hoffe ich, dass wir mit Essen nicht wieder gegen den Abstieg spielen müssen. Das ist schon sehr zermürbend, wenn man das mehrere Jahre hintereinander macht. Wir haben für die kommende Saison viele junge Spielerinnen, mit denen wir hoffentlich eine gute Runde spielen werden. Vielleicht sind wir ja gleich im ersten Spiel gegen den 1.FFC Frankfurt für eine Überraschung gut. (lacht) Persönlich hoffe ich, dass ich in Zukunft wieder Fuß in der Nationalmannschaft fassen, mich in den Lehrgängen wieder beweisen und empfehlen kann. Im nächsten Jahr stehen ja schon die Olympischen Spiele an. Das wäre natürlich etwas ganz besonderes dort dabei zu sein.

netzathleten.de: Du hast beinahe die gesamte WM-Vorbereitungmitgemacht, was macht das Team um Silvia Neid aus?

Lisa Weiß: Ich denke, dass wir eigentlich die beste Mannschaft sind und auch die Mannschaft, die am besten vorbereitet ist, weil das gesamte Trainerteam sich auf jeden Gegner akribisch vorbereitet und monatelang beobachtet. Dazu haben viele andere Teams gar nicht die Möglichkeit. Ansonsten denke ich, dass die Mischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen, die sich zeigen wollen, stimmt. Auch nach den bisher weniger überzeugenden Spielen glaube ich deshalb immer noch zumindest an eine Finalteilnahme. Alles andere wäre eine Überraschung für mich.

netzathleten.de: Was hast Du in der Vorbereitung auf solch ein Großereignis für Dich gelernt?

Lisa Weiß: Die Trainingseinheiten und Lehrgänge sind für jeden im Team natürlich sehr anstrengend. Aber die Vorbereitung macht man in erster Linie für sich selbst und hinterher weiß man auch wozu das Ganze gut war. Auch wenn ich jetzt nicht bei der WM dabei bin, kann ich vieles aus der Vorbereitung mitnehmen. Wahrscheinlich bin ich auch schon fitter, als die meisten Mannschaftskolleginnen aus Essen. Man versucht dort auch, das gelernte, den Elan und den Schwung seinen Mannschaftskolleginnen mit auf den Weg zu geben.

netzathleten.de: Geht es in solch einer Vorbereitung intensiver zu als im Verein?

Lisa Weiß: Ja, auf jeden Fall. Das Niveau insgesamt ist natürlich ein ganz anderes als im Verein. Die Qualität jeder einzelnen Spielerin ist da sehr hoch. Ich habe das ganz extrem erlebt, als ich nach der EM in Finnland wieder in den Verein zurückkam. Von Essen hatte ich da die ganze Vorbereitung, unter anderem aufgrund von Lehrgängen, verpasst. Und wenn man dann wieder in den Verein kommt, merkt man schon, dass da keine Birgit Prinz, Inka Grings oder Nadine Angerer mehr ist, die mit einem trainieren, bei denen das Niveau konstant hoch ist. Der Unterschied zum Verein ist da schon enorm.

 

netzathleten.de: Was waren die Gründe, dass Du nach der Vorbereitung letztlich nicht für den Kader nominiert wurdest?

Lisa Weiß: Die Gründe, die mir vom Trainerteam mitgeteilt wurden, waren zum einen, dass Almuth Schult vom SC 07 Bad Neuenahr momentan eine bessere Spieleröffnung hat, unter anderem auch durch ihre weiteren Abschläge. Zum anderen hat sie wohl in den Einheiten mit der Mannschaft eine größere Präsenz gezeigt.

netzathleten.de: Wie geht es für die deutsche Mannschaft nach den eher schwachen Leistungen nun weiter bei der WM?

Lisa Weiß: Es ist ja noch nichts verloren. Die Mädels haben zwei Mal gewonnen und stehen im Viertelfinale. Die Mannschaft muss sich natürlich ganz klar steigern, um nicht frühzeitig aus dem Turnier auszuscheiden. Aber ich denke, Silvia Neid wird die richtigen Worte finden und die Fehler ansprechen. In der Partie gegen Frankreich kann die Mannschaft jetzt eigentlich befreit aufspielen und sich hoffentlich das Selbstvertrauen wieder zurückholen. Dann bin ich überzeugt, dass es die Mädels ins Finale schaffen können und auch der Titel möglich ist.

netzathleten.de: Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview und wünschen Lisa Weiß für die Zukunft alles Gute!

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