Anzeige
Der schnelle Mann aus der zweiten Reihe: Frontrunner Wilfried Paulitschke ASICS, Wilfried Paulitschke (Mitte)

Der schnelle Mann aus der zweiten Reihe: Frontrunner Wilfried Paulitschke

  • Redaktion
Wilfried Paulitschke hat viel Interessantes zu erzählen oder besser gesagt Überraschendes. Seine Stimme ist knarzig, seine Sätze provokant, aber dahinter steckt wohl ein Mann, der vieles durchdacht hat in seinem Leben. Wie Dieter Baumann bezeichnet er sein Leben, er ist 54 Jahre alt, als Lebens-Lauf. Dieter Baumann, ohnehin eine Person, die Paulitschkes Lebenoft kreuzt. „Wir sind gleich groß, gleich schwer.“ 1,78 m, 63 Kilogramm. „Viele bezeichnen mich als Dieter Baumann für Arme!“

Es gibt kaum einen Tag in den vergangenen Jahren, an dem Wilfried Paulitschke nicht lief. „Höchstens mal, wenn ein Zahn-OP anstand oder…“ Viel mehr fällt ihm nicht ein. Es ist aber auch nicht so, das Laufen ihn anstrengt. „Ich quäle mich höchstens ein bis zweimal im Jahr, der clevere Läufer verausgabt sich nicht.“ Paulitschke gehörte und gehört zur ersten Läufergarde Deutschlands, früher als Profi, heute als Hobbyläufer. Nationale Meistertitel hat er gesammelt, wie Kinder vierblättrige Kleeblätter, für die internationalen Titel war Paulitschke, wie er selbst analysierte zu sensibel, da fehlte ihm die „Rampensau“ im Hirn.

Seine Erkenntnis aus gut 40 Jahren Leistungssport: „Ich bin ein Mann der 2. Reihe.“ Damals, zu seiner Zeit als er für Bayer Leverkusen startete, hat ihn das beschäftigt. „Ich dachte immer, wenn Du nur lang genug mit dem Wühlbeck trainierst, dann bist Du irgendwann genauso gut. Es hat wirklich eine Weile gedauert, bis ich geschnallt habe, dass es nicht so ist.“ Warum er nicht in der ersten Reihe landete, erklärte ihm einmal Paul-Heinz Wellmann, Olympiadritter von Montreal. „Er sagte damals, du hast das Talent, aber du musst auch alleine auf dem Hotelzimmer die Nervenstärke habe, am nächsten Tag aufzustehen, zum Wettkampf zu gehen und daran zu glauben, dass du Unmögliches schaffst. Dein Talent und mein Kopf, das wäre es.“

War es aber nicht – und heute ist Paulitschke zufrieden, so wie es ist, wie es war. Er liebt Vergleiche. „Wenn Franz Beckenbauer der Star war, bin ich Katsche Schwarzenbeck, der Ballzuträger. Wie viele Läufer wären glücklich, so nah dran gewesen zu sein oder auch jetzt noch zu sein.“ Oder auch: „Michael Schumacher fährt jetzt mit seinem Mercedes hinterher, warum? Weil er Rennfahrer ist, nie etwas anderes war. Weil ich Läufer bin, laufe ich.“

Mit seiner Frau Eva, sie ist Forscherin, lebt er seit 36 Jahren zusammen. Sie ist keine Läuferin. „Wir sind DINKS – Double INcome, No Kids. Das mag jetzt nach Egoist klingen, aber es hat sich einfach nicht ergeben. Und heute können wir in den Urlaub fahren, spontan, zum Beispiel. Ich vermisse nichts. Ok, ich habe niemanden, der mich im Altersheim besucht. Aber weiß ich, ob ich besucht werden würde, wenn ich Kinder hätte?“

Während des Laufens denkt Paulitschke viel nach. Manchmal weiß er nicht, ob er das Laufen braucht, um seinen Gedanken freien Lauf zu lassen oder Läufer geworden ist, um zu denken. Ihn beschäftigt viel, der junge Mann, der in der Berliner U-Bahn zusammen getreten wurde, dort, wo er selbst vor kurzem stand. Er weiß nicht warum ihn Opernmusik so anrührt, dass er manchmal gar nicht aufstehen mag, auch wenn die letze Verbeugung längst vorbei ist.

Sein nächster großer Wettkampf ist der Hamburg Marathon. Sein Ziel? Er denkt länger nach, murmelnd. Dann: „Den Marathon genießen, den Wettkampf annehmen.“ Übrigens, Wilfried Paulitschke startet aus der ersten Reihe

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten