Paralympicssieger Teuber bezwingt 6000er Privat -- Bergführer Israel Emilio Paez, Michael Teuber und Thilo Komma-Pöllath betreten das Gipfelplateau des Chimborazo
Beispiel für gelebte Inklusion und Lebensmut

Paralympicssieger Teuber bezwingt 6000er

Der 5-malige Paralympicssieger, Laureus-Botschafter und Sparkassen-Radrennfahrer Michael Teuber hat als erster Querschnittsgelähmter den Gipfel des 6.268 Meter hohen Chimborazo in Ecuador bestiegen.
In einer Bergsteigergruppe des DAV Summit Club unter der Führung der südamerikanischen Bergsteigerlegende Marco Cruz geben Teuber und sein Seilpartner Thilo Komma-Pöllath, Freund und Co-Autor seiner Autobiografie „Aus eigener Kraft“, ein Beispiel für gelebte Inklusion. Maßgeblich unterstützt wurde die Expedition durch Teubers langjährigen Hauptsponsor, die Sparkasse Dachau und den DAV Summit Club. Michael Teuber nach der Gipfelbesteigung: „Der Chimborazo war für mich die Grenze des Machbaren. Umso glücklicher bin ich über diesen Gipfelerfolg."

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, bevor die Bergriesen des Himalaya entdeckt wurden, hielt man den Chimborazo für den höchsten Berg der Welt. Und würde man die Höhe der Berge vom Erdmittelpunkt aus messen, so wäre der nahe des Äquators gelegene Chimborazo tatsächlich die höchste Erhebung der elliptisch geformten Erde, denn sein Gipfel ist ziemlich genau zwei Kilometer weiter vom Erdmittelpunkt entfernt als der des Mount Everest. Die Höhenberechnungen der Wissenschaftler und das Scheitern des deutschen Naturforschers Alexander von Humbolt im Jahr 1802 begründeten den Mythos des Chimborazo, der bis heute anhält. Der Grund, warum Michael Teuber sich gerade diesen Berg zum Ziel nahm: „Der Chimborazo ist ein bedeutender, majestätischer Gipfel, aber leichter zu machen als ein 8000er, er zog mich geradezu magisch an. Dennoch ist er bis heute für jeden Bergsteiger eine äusserst schwierige Aufgabe, zumal für einen mit gelähmten Beinen."

michael teuber
Michael Teuber


Wer den höchsten Berg Ecuadors in Angriff nehmen will, muss in jedem Fall mental stark sein und eine außergewöhnliche Kondition mitbringen. Bergsteiger können nur nach hervorragender Höhenanpassung auf einen Gipfelerfolg hoffen. Für die Akklimatisierung und das Training in großer Höhe hatten Teuber, sein Kompagnon Komma-Pöllath sowie die anderen 11 Expeditionsteilnehmer neun Tage Zeit. Nach einem dreitägigen Aufenthalt in Quito, der mit 2.850 Metern höchst gelegenen Hauptstadt der Welt, wurden die auf 4.000 Meter Höhe gelegenen Hütten der südamerikanischen Bergsteigerlegende Marco Cruz (72) zum Basislager für Akklimatisations-Touren bis in 5.450 Meter Höhe. Cruz, der seinen „Chimbo" in den letzten 59 Jahren über 1.000 Mal bestiegen hat, gilt als der erfahrenste Expeditionsleiter in den Anden. Sein Spitzname: „Der Messner Südamerikas“.

Am zehnten Tag begann die eigentliche Gipfelexpedition: Mit großem Rucksack ging es zunächst auf der Westseite des Berges in das Hochlager auf 5.300 Metern Höhe. Gegen Mitternacht starteten die 3er-Seilschaften dann bei Temperaturen um -15° und windigen Bedingungen zum finalen Aufstieg. Teuber bildete mit Thilo Komma-Pöllath (45) und dem leitenden Bergführer Israel „Emilio" Paez (41) ein Gipfelteam. Zunächst ging es ausgesetzt entlang der Felsbastion „El Castillo“, dann über eine sechs Meter hohe Kletterpassage, die Teuber nur mit Hilfe des Bergführers überwinden konnte, auf eine Höhe von 5.600 Metern. Es folgten die schier endlosen, steilen Gletscherhänge des höchsten Berges der ecuadorianischen Anden. Ohne ein einziges Flachstück ging es über den eisigen Westgrat im 45-Grad-Winkel die letzten 700 Höhenmeter hinauf. Für den 49-jährigen Teuber, dessen Beine von der Hüfte ab teilweise und von den Knien ab komplett gelähmt sind, war der Aufstieg mit Steigeisen extrem schwierig und nur im Verbund einer Seilschaft mit einem erfahrenen Bergführer machbar. Neben den technischen Schwierigkeiten war für Teuber beim nächtlichen Aufstieg unter sternenklarem Himmel die Kälte an den gelähmten Füßen das größte Problem. Dazu kamen die stets drohenden Symptome der Höhenkrankheit, die ihn als Leistungssportler genauso treffen konnten wie die anderen Bergsteiger. Aber am Ende hatte es die inklusive Seilschaft geschafft: gegen 7:30 Uhr morgens betraten Teuber, Komma-Pöllth und Paez unter dem Jubel 7 weiterer Expeditionsteilnehmer und der Bergführer das Gipfelplateau. Vier Bergsteiger der Gruppe erreichten den Gipfel dagegen nicht.

Nach nur einer Viertelstunde auf der Bergspitze musste die Seilschaft um Teuber wegen der drohenden Schneeschmelze wieder den Rückweg antreten. In einem Wechsel aus gesichertem Abstieg und verschiedenen Abseilungstechniken über die steilsten Passagen und Kletterstellen kehrten Teuber und Bergführer Paez in rund vier Stunden als letzte in das Hochlager zurück. Zeit für eine größere Rast blieb keine, schnell musste die im Lager verbliebene Hochlager-Ausrüstung verpackt werden, bevor der Abstieg zur auf 4.800 Meter Höhe gelegenen Carrell-Hütte individuell fortgesetzt wurde. Erst nach etwa 14 Stunden war die Chimborazo-Besteigung für Teuber sicher beendet.

Teuber zur Expedition: „Im Radsport bin ich Einzelkämpfer, am Chimborazo war von vorne herein klar, dass ich den Gipfel wegen der großen Schwierigkeiten und Gefahren nur im Team schaffen kann. Die Herausforderung war riesig, aber je schwieriger die Aufgabe, desto größer ist die Zufriedenheit, wenn Du es trotzdem schaffst! Als Mensch mit Handicap musste ich Hilfe in Anspruch nehmen, aber ich habe auch die Motivation und Erfahrungen eines Hochleistungssportlers an meine Seilschaft weitergeben können, damit wir den Gipfel erreichen. Thilo und ich wollten zeigen, dass ein Athlet mit Handicap und ein normal trainierter Mensch sich gegenseitig so unterstützen können, dass sie am Ende gemeinsam den höchsten Punkt der Erde erreichen, das ist für mich gelebte Inklusion. Für uns beide war es eine existentielle Erfahrung, die wir so nie zuvor gemacht haben. Klar ist aber auch, dass ich am Chimbo über meine persönlichen Grenzen gegangen bin, denn ohne die Hilfe und Sicherung von Bergführer Emilio wäre die Tour für mich nicht zu schaffen gewesen. Last but not least mein Appell: Gebt Euch auch bei den größten Rückschlägen niemals auf und blickt immer nach vorne! Wer, wie ich, immer wieder seine Komfortzone verlässt, vergrößert seine Möglichkeiten. So kann jeder auch die größten Schwierigkeiten im Leben meistern!“

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