Speedstacking-Weltmeister Sascha Görtz im Interview Sascha Görtz

Speedstacking-Weltmeister Sascha Görtz im Interview

  • Christian Riedel
Speedstacking ist die Kunst, Plastikbecher in möglichst kurzer Zeit auf- und danach wieder abzubauen. Was sich einfach anhört, ist für Könner ein richtiger Sport. Im netzathleten-Interview erklärt Speedstacking-Weltrekordhalter Sascha Görtz, was das Faszinierende am Speedstacking ist und wie man es schafft, in 10 Sekunden mehr als 40 Handgriffe zu bewältigen.

netzathleten: Sascha, Du bist Weltrekordhalter im Speedstacking. Was ist das für ein Sport?
Sascha Görtz: Vereinfacht kann man Speedstacking als Becherstapeln beschreiben. Wobei es weit über normales Stapeln hinausgeht. Es ist ein Spiel, bei dem man 12 Becher zu einer oder mehreren Pyramiden auf- und danach wieder abbauen muss. Das Ganze sollte möglichst schnell passieren.

netzathleten: Wie kann man sich das vorstellen? Kann man sich selber aussuchen, welche Pyramiden man baut?
Sascha Görtz: Nein, es gibt schon klare Disziplinen. Die einfachste Form ist der so genannte 3-3-3. Dabei baut man drei Pyramiden aus jeweils drei Bechern auf und ab. Wer gut ist, schafft den 3-3-3 unter drei Sekunden. Dann gibt es den 3-6-3, bei dem man, wie der Name andeutet, eine 3-er, eine 6-er und noch einmal eine 3-er Pyramide baut. Die Königsdisziplin ist der Cycle. Dabei baut man hintereinander einen 3-6-3, dann zwei 6-er und zum Abschluss eine 10-er Pyramide. Für den Cycle benötigen gute Stacker unter 10 Sekunden, wobei man in dieser Zeit mehr als 40 Handgriffe machen muss.



netzathleten: Für so eine Zeit braucht man bestimmt viel Training. Wie oft trainierst Du?
Sascha Görtz: Das hängt immer ein bisschen davon ab, ob ich einen Wettkampf habe. Ich bin Lehrer für Mathematik und Musik. Da bleibt fürs Stapeln leider oft keine Zeit. Gerade in den Sommerferien kann es sein, dass ich einen schlappen Monat habe und gar nicht trainiere. Ansonsten gebe ich an meiner Schule die Stapel-AG, da stapeln wir einmal pro Woche. Dann versuche ich trotzdem noch eine Stunde in der Woche zu stacken. Vor Meisterschaften kann es sein, dass ich in der Woche davor jeden Tag trainiere.

netzathleten: Becher zu stapeln ist ja kein ganz alltägliches Hobby. Wie kamst Du zum Speedstacking?

Sascha Görtz: Dazu muss ich etwas ausholen aus der Zeit, bevor es youtube-Videos gab und man sich die Videos noch hin und her schickte. Ich habe zusammen mit einem Freund 2004 zum ersten Mal ein Speedstack-Video gesehen. Wir beide sind Spielernaturen und messen uns regelmäßig bei Spielen wie Darts oder Kicker. Da war für uns schnell klar, dass wir das Speedstacking auch einmal versuchen wollten, und ich bin dabei geblieben. Der Bechersport kommt eigentlich aus den USA, wo er vor allem an Schulen groß aufgezogen wird. Mit diesem Wissen bin ich zu meinem Schulleiter gegangen, um in meiner Schule eine Stapel-AG anzubieten. Zum Glück hat der Schulleiter mich unterstützt und wir haben direkt die erste Ausrüstung bestellt. 4 Wochen später habe ich dann auch gleich die Schul-AG ins Leben gerufen, die ich bis heute noch leite. Drei Monate später wurde ich dann direkt Deutscher Meister.

netzathleten: Und das hast Du ohne Anleitung und fremde Hilfe geschafft?
Sascha Görtz: Bei den Bechern liegt eine Übungs-DVD bei. Auf dieser sind die ersten Schritte beschrieben. Die Technik beherrscht man schnell. Und dann muss man halt viel üben. Für mich ist das schon fast eine kleine Sucht, immer schneller werden zu wollen.

netzathleten: Wie lange dauert es denn, bis man ein guter Speedstacker ist?
Sascha Görtz: Die Grundlagen hat man schnell. Ich gebe ja auch Workshops und habe Auftritte. Wenn ich mir einen Zuschauer auf die Bühne hole und mit ihm den 3-3-3 übe, ist der Spaß- und Suchtfaktor bereits nach einer Minute gegeben. Wenn man dann am Ball bleibt, kann man schon nach 30 Minuten die Zuschauer faszinieren.

netzathleten: Gibt es dafür eine spezielle Technik?
Sascha Görtz: Man muss mit beiden Händen arbeiten und darf immer nur an einer Pyramide arbeiten, kann also erst mit einer Pyramide anfangen, wenn die andere schon fertig ist. Das Schwierige dabei ist, beide Hände zu benutzen. Ich habe das Gefühl, dass einige Menschen erst beim Stacken bemerken, dass sie überhaupt eine linke Hand haben. Insofern ist das Speedstacking eine gute Koordinationsübung zur Stärkung der schwächeren Hand. Ansonsten benötigt man noch eine gute Reaktionsfähigkeit und eine große Konzentrationsfähigkeit.

netzathleten: Reichen mir handelsübliche Plastikbecher, wenn ich jetzt auch mit Speedstacken anfangen möchte?
Sascha Görtz: Auf keinen Fall. Die Becher, die wir benutzen, sind speziell fürs Speedstacking hergestellt. Sie können nicht verkanten und haben kleine Löcher, damit sich kein Vakuum bildet und die Becher sich nicht aneinander festsaugen können. Man könnte versuchen in normale Plastikbecher Löcher in den Boden zu schneiden - aber wer nicht mit richtigen Speedstacking-Bechern trainiert, wird schnell frustriert aufgeben. Im Übrigen kostet ein Set nur rund 15 bis 20 Euro, ist also eigentlich für jeden bezahlbar.



netzathleten: Kann man denn Speedstacking als Sport bezeichnen?

Sascha Görtz: Das würde ich schon sagen. Beim Sport geht es ja darum, an seine eigene Leistungsgrenze zu gehen. Die liegt bei uns klar in der Zeit. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch und versuche, immer schneller zu werden und trainiere dafür hart. Wenn ich eine halbe Stunde lang Becher stapele, schmerzen die Arme und ich bin Schweiß überströmt. Man darf die Anstrengung nicht unterschätzen. Zudem ist auch der Anspruch an die Konzentration sehr hoch. Auch der Teamgedanke spielt beim Speedstacking eine Rolle. Denn bei uns gibt es auch Staffel- oder Doppel-Wettbewerbe, bei denen man gemeinsam die Pyramiden baut und jeder Stacker nur eine Hand benutzen darf.

netzathleten: Wird das Speedstacking für Dich nicht irgendwann einmal langweilig?

Sascha Görtz: Auf keinen Fall. Ich bin zwar Weltrekordhalter, aber ich kann mich immer noch verbessern. Im Training benutze ich eine Hochgeschwindigkeits-Kamera, die jeden kleinen Fehler aufdeckt. Oft sehe ich, dass ich einen Arm fast einen halben Meter bewege, obwohl ich ihn nur wenige Zentimeter hätte bewegen müssen. Daran kann ich arbeiten. Im Training habe ich beispielsweise schon Circle-Zeiten von 8,0 Sekunden geschafft. Mein Weltrekord in der Altersklasse 35 bis 44 liegt aber bei 9,7 Sekunden. Ich arbeite daran, die Trainingszeit auch einmal im Wettkampf zu schaffen. Und wie gesagt: Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, obwohl ich wegen der Schule und meiner Familie leider nicht so viel Zeit zum Stapeln habe.

netzathleten: Mal Hand aufs Herz. Wird man für so ein Hobby nicht belächelt?

Sascha Görtz: Am Anfang war das schon ab und zu der Fall. Für viele gilt man schon als ein wenig verrückt, und das bin ich vielleicht auch. Aber das Stacking macht mir Spaß, und durch Workshops und Auftritte im Fernsehen oder bei Galas kann ich mir ein Paar Euro dazu verdienen. Das gleicht das wieder aus.

netzathleten: Welche Tipps würdest Du denn jemandem geben, der das Speedstacking ebenfalls einmal versuchen möchte?
Sascha Görtz: Am besten, man kauft sich ein Becher-Set und schaut sich die Übungs-DVD an. Danach muss man eigentlich nur noch trainieren. Dazu gehört auch, nicht nur zu stapeln, sondern sich zunächst mit dem Becher vertraut zu machen, ihn in den Händen zu bewegen und die Art und Weise, wie er sich bewegen lässt, kennen zu lernen. Auch jonglieren hilft dabei, die kleinen Bewegungen besser zu schulen.

Das Interview führte Christian Riedel


Sascha Görtz ist mehrfacher Welt-, Europa- und Deutscher Meister. Er ist Weltrekordhalter in der Klasse 35-44 Jahre in den Disziplinen 3-3-3, 3-6-3, Cycle, Doppel (ISSF) und Cycle, Doppel (WSSA). Sascha Görtz ist Lehrer für Mathematik und Musik. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Seine Wettkampf-Bestzeiten:

3-3-3: 2,58 sek
3-6-3: 3,20 sek
Cycle: 9,27 sek

Mehr zu Sascha Görtz gibt es unter www.stapelmeister.de

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