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Trainingssteuerung – worauf muss man achten?

Wer sich auf ein Sportevent vorbereitet, sollte sein Training planen. Und dabei ist es egal, ob ein Start bei Olympia oder beim Volkslauf angepeilt wird. Worauf man bei der Trainingssteuerung achten muss? Wir haben nachgefragt.
Julia Derbfuß ist selbst aktive Läuferin und Triathletin und arbeitet im Ambulanten Orthopädischen Rehazentrum saludis am Klinikum Bamberg. Dort gehört Trainingssteuerung von Profi- wie Freizeitsportlern zu ihrer täglichen Arbeit. Im Interview erklärt die Fränkin, worauf es dabei ankommt.

netzathleten.de: Julia, wie sieht die perfekte Trainingssteuerung aus?
Julia Derbfuß: Das ist individuell unterschiedlich. Es gibt verschiedene Faktoren, die bei einer Trainingssteuerung eine zentrale Rolle spielen. Da ist zum einen die Ausgangssituation. Ist jemand ein absoluter Sporteinsteiger oder will er leistungsorientiert trainieren und seine Ziele erweitern  und/oder seine Zeiten verbessern. Der zweite Punkt sind die Ziele selbst. Möchte jemand ein bisschen fitter werden und gesundheitlich orientiert Sport treiben oder ist das Ziel einen Marathon in unter drei Stunden zu laufen. Die Ziele, die man sich setzt, sollten natürlich machbar sein. In Abhängigkeit von der Ausgangssituation können sie durchaus schwierig, sollten aber realistisch sein. Anschließend nimmt man ausgehend vom Tag X des Wettkampfes, bis zum jetzigen Tage die Zeitmarge in der die Form progressiv gesteigert werden soll und erstellt einen Trainingsplan.

netzathleten.de: Wie gestaltet sich der Formaufbau selbst?
Julia Derbfuß: Hier gibt es die Möglichkeit in Zyklen zu arbeiten. Bei der Gestaltung dieser Zyklen kommt es darauf an, wie viel Zeit man für das Training zur Verfügung hat. Das Training sollte so gesteuert werden, dass es möglichst effektiv und qualitativ gut ist. Man sollte keine Einheiten machen, die einen dem Ziel nicht näher bringen und eine überflüssige Ermüdung darstellen könnten auf Kosten einer möglichen Regeneration.

Hochintensive Einheiten sind nicht zu schnell hintereinander zu setzen, um Überlastungen zu vermeiden. Wenn man zum Beispiel in der Marathonvorbereitung in der Woche ein (Schnelligkeits-)Bahntraining absolviert sowie einen Tempodauerlauf zw. 10 bis 15km, dann sollten diese beiden Einheiten möglichst viel Abstand zueinander haben.

©Julia Derbfuß; Julia Derbfuß ist selbst aktive Läuferin und Triathletin und arbeitet im Ambulanten Orthopädischen Rehazentrum saludis am Klinikum BambergDie Zyklen selbst unterteilen sich in einen Mikro-, Makro- und Mesozyklus. Man kann beispielsweise das Training so gestalten, dass man drei Wochen lang die Belastung wöchentlich steigert und dann eine Ruhewoche einplant, in der man sehr wenig macht. Damit können die gesetzten Trainingsreize wirken. Die drei Belastungswochen in sich bauen sich ebenfalls im Verhältnis 3:1 auf, also drei Tage wird die Belastung gesteigert, dann folgt ein Ruhetag. Die Gestaltung dieser Zyklen ist von Sportart zu Sportart unterschiedlich. Bei konzentrischen Sportarten, wie Radfahren oder Schwimmen, kann man auch einen 5:1-Zyklus einsetzen, da der Körper nach solchen Belastungen schneller regenerieren kann. Der gesamte Zeitraum bis zu einem Wettkampf gestaltet sich ebenfalls in verschiedene grobe Phasen. Man hat eine allgemeine Vorbereitungsphase, in der sozusagen ein Podest geschaffen wird, auf dem aufgebaut werden kann. Je näher der Wettkampf kommt, desto spezifischer wird der Formaufbau, die Umfänge werden gesteigert, dann die Intensitäten. Anschließend werden die Umfänge reduziert und Intensitäten noch beibehalten und schließlich geht man in eine Taperingphase über, in der versucht wird, den Körper nicht mehr zu ermüden, alle Speicher aufzufüllen, trotzdem aber in der Bewegung zu bleiben. Der Körper soll regenerieren können, aber dennoch eine gewisse Grundspannung halten.

netzathleten.de: Wie erreicht man die gewünschte Belastungsverträglichkeit, wie kann man sie und damit das Training steuern?
Julia Derbfuß: Zur Trainingssteuerung gibt es verschiedene Stellschrauben, an denen man drehen kann. Diese sind: Belastungsintensität, Belastungsumfang, die Dichte der Reize und schließlich die Trainingshäufigkeit. Je weniger Zeit zur Verfügung steht, desto intelligenter sollte sie genutzt werden. Intelligentes Training bedeutet, so an den Stellschrauben zu drehen, dass man sich von seinem Ausgangsleistungsniveau verbessert und sich während dieser Verbesserung nicht überlastet. Das Ziel ist immer die individuelle Bestleistung für den ausgesuchten Wettkampf.

Die Trainingsreize an sich sollten stark sein. Ein zu schwacher Reiz verleitet den Körper dazu, keine Anpassung vorzunehmen. Der Körper ist immer bemüht, ein dynamisches Gleichgewicht zu erhalten zwischen den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, und der Belastbarkeit. Training bedeutet praktisch auf der Waagschale der Anforderungen ein paar Pfund draufzupacken. Als Reaktion möchte der Körper das Gleichgewicht wieder herstellen und erhöht seinerseits die Belastbarkeit. Je nach den gesetzten Anforderungsreizen reagiert er mit einer Erhöhung der geforderten Fähigkeit. Das kann beispielsweise die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit sein, oder Kraft, oder Koordination.

netzathleten.de: Um das Training richtig steuern zu können, muss man zunächst den Status quo der Leistungsfähigkeit ermitteln. Welche Analysemöglichkeiten gibt es hier?
Julia Derbfuß: Die Methode, mit der wir hier in Bamberg in der Sportmedizin arbeiten, ist die Spiroergometrie. Dabei wird ein Zwölf-Kanal-Belastungs-EKG abgeleitet, das heißt man lastet den Sportler voll aus, sieht gleichzeitig, ob Herz und Lunge richtig zusammenarbeiten oder ob es Auffälligkeiten in puncto Herzarbeit, Atemvolumen oder Atemkraft gibt. Der Sportler atmet während der Spiroergometrie in eine Maske, wodurch eine sehr genaue Bestimmung seiner aerob-anaeroben Schwelle möglich ist. Zusätzlich nehmen wir aber auch Laktat ab, um mehrere Parameter im Blick zu haben. Sich nur auf das Laktat zu verlassen, kann problematisch sein. Ein Beispiel. Wir betreuen bei uns die Kletternationalmannschaft. Kletterer haben eine sehr hohe Kapazität anaerobe Belastungen wegzustecken, sie haben also eine sehr hohe Laktattoleranz. Aber sie haben nicht die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit. Würde man nun ein Ausdauertraining für sie über das Laktat steuern, würde man sie überlasten.

netzathleten.de: Gibt es auch einfachere Möglichkeiten als eine Spiroergometrie, um die Trainingsbereiche zu ermitteln?
Julia Derbfuß: Es gibt zum einen natürlich die Laktatmessung. Aber auch einfache Formeln, mit denen man die Bereiche berechnen kann, zum Beispiel die Karvonenformel [THF = RHF + (MHF – RHF) x % der Intensität; Anm. d. Red.]. Bei allen Formeln gibt es aber das Problem der Ungenauigkeit. Je besser ein Sportler trainiert ist, desto weniger funktionieren die pauschalen Formeln.

netzathleten.de: Wie häufig wird eine solche Diagnostik durchgeführt?
Julia Derbfuß: In der Regel ermitteln wir die Werte ein- bis zweimal im Jahr. Freizeitsportler und ambitionierte Hobbyathleten kommen einmal im Jahr. Für Kaderathleten sind zwei Termine im Jahr verpflichtend, auch um sportmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen durchführen zu können.

netzathleten.de: Welche Aspekte spielen neben dem eigentlichen Training bei der Trainingssteuerung mit rein. Spielt etwa die Ernährung auch eine Rolle?
Julia Derbfuß: In meinen Augen gehört das alles zusammen, ist aber auch immer etwas von den Zielen und den Wettkämpfen / Sportarten abhängig. Es ist von der Versorgung her ein Unterschied wie lange der Wettkampf geht und unter welchen Bedingungen, zum Beispiel Hitze oder Natriumverlust. Die Ernährung ist ein sehr komplexes, für sich stehendes Thema. In jedem Fall zentral ist eine korrekte Bewegungsausführung, entsprechend ist für mich auch eine Bewegungsanalyse ein wichtiger Baustein einer Trainingssteuerung.

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