Eine etwas andere Karriere – Die Fußballer-Doku „Tom meets Zizou“ picture alliance

Eine etwas andere Karriere – Die Fußballer-Doku „Tom meets Zizou“

  • Marco Heibel
In der Literatur gibt es das Genre des Bildungsromans: Der junge Held durchlebt eine Entwicklung, er setzt sich mit seiner Umwelt auseinander und reflektiert sein Verhalten. Der Film „Tom meets Zizou – Kein Sommermärchen“ widmet sich in ähnlicher Weise dem Werdegang von Fußballer Thomas Broich. Prädikat: absolut sehenswert.

„Tom meets Zizou“ ist mehr als das Porträt des Fußballprofis Thomas Broich. Filmemacher Aljoscha Pause ist in acht Drehjahren (2003-2011) eine erstaunliche Studie der Profifußballszene in Deutschland gelungen. Aufstieg und Fall, mit all ihren Begleiterscheinungen, werden am Beispiel des zunächst gehypten und dann als „ewiges Talent“ abgestempelten Thomas Broich abgebildet. Doch erst der Protagonist mit all seinen Facetten macht diesen Film zu dem, was er ist. Broichs teilweise zerrissenes und wankelmütiges Wesen sorgt dafür, dass der rund 130-minütige Streifen alles andere ist als ein Loblied auf die vermeintliche Glamourwelt Bundesliga.

Aufstieg…


Wir schreiben das Jahr 2003. Der deutsche Fußball befindet sich in einer spielerischen Talsohle. Die Hoffnungsträger im Lande heißen Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski – und auch Thomas Broich. Das Spielmachertalent von Zweitligist Wacker Burghausen hat soeben bei Borussia Mönchengladbach seinen ersten Vertrag im Oberhaus unterschrieben. Bereits nach einer Halbserie in der 1. Bundesliga sehen nicht wenige in dem Techniker einen kommenden Nationalspieler.



Dem steilen Aufstieg Broichs widmet der Film einen großen Anteil. Schnell weiß er Granden des Geschäfts von sich einzunehmen, wie Ex-Bundestrainer Berti Vogts oder den vielfachen Meistertrainer Udo Lattek. Vor allem aber erfährt er Unterstützung von Michael Oenning, der sich als Co-Trainer in Mönchengladbach mit Broich anfreundet, später in Nürnberg sein Cheftrainer ist und deswegen gewissermaßen die Rolle eines Nebendarstellers in „Tom meets Zizou“ einnimmt. Auch die Medien feiern „Mozart“, den etwas anderen Fußballer, der Bücher liest, klassische Musik hört und dann auch noch mit der Kugel umgehen kann.

…und Fall des "etwas anderen Fußballers"


Doch die Rückschläge bleiben nicht aus. Broich hat immer wieder Probleme mit seinen Trainern, entwickelt sich nicht so schnell wie andere und verpasst die Heim-WM 2006 letztlich klar. Sein Image als „Mozart“, das er zuvor gerne bedient hatte, indem er sich in Opernhäusern oder bei der Lektüre ablichten ließ, wird in Zeiten des Misserfolgs zum Bumerang. Mit 26 ist er sportlich in der Sackgasse angekommen, spielt Zweite Liga statt Nationalmannschaft.

Privat befreit sich Broich aber erstmals – zumindest teilweise. Mit einem Wechsel ins Ausland, am liebsten weit weg von der Bundesliga, beschäftigt er sich nun ernsthaft. Letztlich geht die Reise dann doch „nur“ von Mönchengladbach nach Köln. Doch mit seinem Wechsel in die Domstadt emanzipiert sich Thomas Broich ein Stück weit: Er beginnt ein Studium, zieht trotz seines Millionensalärs in eine Wohngemeinschaft und geht auf Partys. Neben dem Platz führt er das Leben eines Studenten, mit seinem Beruf und dessen Begleiterscheinungen hat er aber immer mehr Probleme: „In Interviews erzähl‘ ich nur noch die gleiche Sch… wie 70 Prozent der Mannschaft, und es scheint zu funktionieren“, sagt er in dieser Phase. Die Resignation nimmt zu, auch die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln in der Vergangenheit und den Mechanismen des Geschäfts.

Thomas Broichs persönliches Happy End


2010 wechselt Thomas Broich dann tatsächlich ins Ausland, trotz sportlich und finanziell besserer Angebote zieht es ihn in die A-League nach Australien. In der vergangenen Saison brillierte er am anderen Ende der Welt im Trikot von Brisbane Roar, gewann den Meistertitel und war bester Spieler seines Teams. Anno 2011 ist der Fußballprofi Thomas Broich endlich wieder mit sich im Reinen – auch (oder gerade weil) es ein weniger beachtetes Glück ist.

Ein Film aus der Sicht des kritischen Spielers


Natürlich erzählt „Tom meets Zizou – Kein Sommermärchen“ eine Geschichte aus der Perspektive von Thomas Broich. Die Probleme, die er mit den Gepflogenheiten des Bundesliga-Geschäfts hat, sind seine ganz persönlichen und nicht exemplarisch für das Gros seiner Kollegen. Überhaupt sähe der Film ganz anders aus, wenn Aljoscha Pause Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger mit der Kamera begleitet hätte. Es wäre eine Erfolgsgeschichte eines jungen deutschen Spielers geworden, die ihren vorläufigen Höhepunkt im „Sommermärchen 2006“ gefunden hätte. Aber erst durch das „Scheitern“ des Protagonisten Thomas Broich und den Fakt, dass seine Persönlichkeit nicht zu 100 Prozent oder auch nur zu 90 Prozent mit den Gepflogenheiten des Fußballgeschäfts kompatibel ist, wird der Film so interessant.

„Tom meets Zizou“ lohnt für jeden, der einmal einen Blick hinter die Fassade der Bundesliga werfen möchte. Der Film ist trotz seiner Länge unterhaltsam, abwechslungsreich und bietet jede Menge Gesprächsstoff für die „taktische Nachbesprechung“ nach dem Kinobesuch. Außerdem liefert er Antworten auf die Fragen, woher Broichs Spitzname "Mozart" stammt und wie Broich korrekterweise hätte genannt werden müssen, und warum der Filmtitel auf Zinédine Zidane anspielt, obwohl der in dem Streifen nicht eine Sekunde lang zu sehen ist.

„Tom meets Zizou – Kein Sommermärchen“ feierte am 28. Juli Premiere und wird erst peu à peu und nur in ausgewählten Kinos in Deutschland gezeigt. Mehr zu „Tom meets Zizou“, den Terminen und den Machern erfährst Du hier

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