„Brauchen den Olympischen Geist mehr denn je“ Eurosport -- Kjetil André Aamodt
TV-Experte Kjetil André Aamodt im Interview

„Brauchen den Olympischen Geist mehr denn je“

Kjetil André Aamodt ist einer der erfolgreichsten Skirennläufer aller Zeiten. Vier Olympische Goldmedaillen und fünf Weltmeister-Titel sprechen da eine eindeutige Sprache. Heute ist er TV-Experte bei Eurosport und bringt dort alle seine Erfahrung ein. Gründe genug, mit ihm über den Olympischen Geist und die aktuelle Entwicklung des Skisports zu sprechen.
netzathleten: Kjetil, Sie sind gemeinsam mit Bode Miller TV-Experte für Eurosport bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea. Wie sind Ihre Erinnerungen an die Rennen gegen Bode?

Kjetil André Aamodt: Nun, Bode gehörte neben Hermann Maier und auf jeden Fall zu meinen liebsten Gegnern. Anfangs war er noch nicht so schnell, immer aber spektakulär. Ich erinnere mich noch genau, in den ersten fünf Jahren hat er nicht ein Rennen im Ziel beendet, stürzte wegen seiner riskanten Fahrweise immer und endete meistens irgendwo im Wald neben der Strecke (lacht). Als er es dann aber plötzlich doch mal schaffte, lag er vier Sekunden vor allen anderen. Aber Spaß beiseite, zum Glück ist ihm nie etwas passiert dabei. Bode hat durch seinen wilden Stil viele Leute an die Pisten gelockt, unserem Sport richtig gut getan. Und nicht nur den Zuschauern hat Bodes Stil gefallen, auch wir Aktiven haben es geliebt, ihm beim Skifahren zuzuschauen. Es freut mich, ein Teil seiner Karriere zu sein, zusammen ein Stück des Weges gegangen zu sein.

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Kjetil André Aamodt imitiert Bode Millers (rechts im Bild) Stil, Ski zu fahren


netzathleten: Wie sehr haben Sie den Olympischen Spielen in Südkorea nun entgegengefiebert?

Kjetil André Aamodt: Ich freue mich immer sehr auf Olympia. Auch, weil es bei Olympia ums Dabeisein geht, um die friedliche Zusammenkunft der Völker, um gemeinsam Sport zu treiben. Diesen Olympischen Geist brauchen wir heutzutage mehr als bei den meisten vorangegangenen Spielen. Und gerade für uns Norweger bedeuten die Spiele – auch wegen der tollen Erinnerungen an Lillehammer 1994 – unheimlich viel.

netzathleten: Aber es gibt doch auch Rivalitäten bei Olympia…

Kjetil André Aamodt: Das stimmt, da erinnere ich mich zum Beispiel auch an die Spiele von Lillehammer, bei denen die Schweden im Medaillenspiegel natürlich unbedingt besser sein wollten als wir Norweger. Eigentlich waren sie chancenlos, aber nachdem sie damals um ihre Legende Hakan Loob das Eishockey-Finale gewonnen haben, haben sie dann ihren eigenen Medaillenspiegel aufgemacht. Sie haben jede einzelne Goldmedaille der Eishockey-Spieler dort eingerechnet und ihrer Meinung nach durch diese 22 Goldmedaillen gewonnen… Das war natürlich spaßig gemeint – und so sollte Olympia wie gesagt laufen.

netzathleten: Welche ist denn die kurioseste Erinnerung, die Sie an Olympia haben?

Kjetil André Aamodt: Die hat tatsächlich auch mit Bode Miller zu tun. Und zwar, als wir beide auf dem Podium in Salt Lake City 2002 standen. Es war in der Kombination und ich ging mit etwa zwei Sekunden Vorsprung auf ihn in den letzten der drei Läufe. Bode war sowohl in der Abfahrt als auch beim ersten Slalom-Lauf fast gestürzt, hatte große Fehler gemacht, die ihn die Zeit gekostet haben. Im zweiten Lauf des Slaloms ließ es der Teufelskerl aber so krachen, dass er vier Sekunden vor allen anderen lag. Verrückt. Mein Landsmann Lasse Kjus, der noch zwischen uns lag, startete als Vorletzter, kam ins Ziel und ich hörte den Jubel von dort. Ich dachte, er sei in Führung gegangen – ein Irrglaube. Ich hatte vergessen, dass wir ja in den Staaten waren und unten alle gejubelt haben, weil US-Boy Bode Miller in Führung geblieben war. Zum Glück, denn so orientierte ich mich mit meiner Rennplanung nun an meinem Landsmann und war deshalb sehr relaxed und konnte Gold holen. Wenn ich gewusst hätte, welch großen Vorsprung Bode da herausgefahren hatte, wäre ich nervös geworden und hätte garantiert nicht gewonnen. Aber so war es eben, wenn man gegen Bode Miller fuhr: Nichts war unmöglich.

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Das Podium in Salt Lake City 2002: Aamodt holt Gold vor Bode Miller (li.) und Benni Raich  (re.) (Kjuis wurde letztlich fünfter / ©gettyimages)

netzathleten: Mit vier Goldmedaillen bei Olympia sind Sie bis heute Rekordhalter im Ski Alpin-Bereich. Was war das Geheimnis Ihres Erfolges?

Kjetil André Aamodt: Im Prinzip ist es die Mischung aus Spaß und harter Arbeit. Man muss also etwas finden, das einem Spaß macht, dann fällt einem die harte Arbeit auch nicht so schwer. Wer weniger als die Besten seines Sports trainiert und dann glaubt, so gut wie sie zu sein zu können, der glaubt wahrscheinlich auch an den Weihnachtsmann. Dazu kommt aber auch die nötige Erfahrung, die man während seiner Karriere sammeln muss, natürlich auch etwas Talent und hier und da eine Portion Glück. Aber wie hat schon der große Ingemar Stenmark gesagt: Je mehr ich trainiere, umso mehr Glück habe ich!

netzathleten: Wie hat sich denn der Skisport seit Ihrem Karriereende 2007 weiterentwickelt?

Kjetil André Aamodt: Vor allem beim Equipment hat sich unheimlich viel getan, das wird immer besser und aggressiver. Deshalb müssen die Sportler aber ebenfalls immer besser werden, austrainierter sein als früher, um das Equipment überhaupt noch bändigen zu können. Dazu kommt das mediale Umfeld, das immer umfassender berichtet und auch die Sozialen Medien machen es nicht einfacher für die Athleten. Alles dreht sich heute also etwas schneller, grundsätzlich geht es aber nach wie vor darum, wer die schnellste Frau oder der schnellste Mann auf der Strecke ist. Und da entscheiden noch immer Hundertstel.

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Aamodt bei Olympia in Turin 2008 (©gettyimages)

netzathleten: Wenn Sie heute Ski fahren gehen, wie sieht das aus?

Kjetil André Aamodt: Ich fahre hin und wieder bei einigen Legenden-Rennen mit, meistens für den guten Zweck – aber auch da möchte ich dann schon gewinnen gegen die alten Kollegen. Aber ich trainiere nicht dafür, meistens gehe ich zum reinen Vergnügen mit meinen Kindern Skifahren.

netzathleten: Wo gehen Sie am liebsten Skifahren, haben Sie ein Lieblingsskigebiet?

Kjetil André Aamodt: Ich mag es sehr, in Colorado Ski zu fahren. Der Schnee ist toll, die Sonne steht hoch, weil es relativ südlich liegt. In Europa erinnere ich mich besonders an einen Tag in Lech am Arlberg. Das muss 2007 gewesen sein, wahrscheinlich der beste Skitag meines Lebens. Es hat etwa einen Meter Neuschnee gegeben und wir waren mit einem guten Guide unterwegs und ich hatte zum ersten Mal richtige Freeride-Ski unter den Füßen. Das war wirklich etwas Besonderes.

Kjetil Andre Aamodt 2netzathleten: Stehen Sie generell auf Freeriding?

Kjetil André Aamodt: Schon, ich komme nur zu selten dazu. Ich war in diesem Winter zum ersten Mal beim Heliskiing. Leider hatten wir etwas Pech mit dem Wetter, aber auf den breiten Latten durch den Tiefschnee zu fahren, macht großen Spaß. Das möchte ich gerne wiederholen.

netzathleten: Ihre Medaillen wurden einst gestohlen, wie kam es dazu und wie haben Sie sie wiederbekommen?

Kjetil André Aamodt: Die Medaillen waren in einem Safe im Haus meines Vaters. Dort wurde eingebrochen und dabei eben auch die Medaillen gestohlen. Fünf Jahre später rief mich ein Mann an und sagte: Ich glaube, ich habe Ihre Medaillen. Es stellte sich heraus, dass seine Schwester wohl schwer drogenabhängig war und nach ihrem Tod hatte er die Medaillen beim Aufräumen ihres Zimmers gefunden. Sehr tragisch, aber so bekam ich meine Medaillen wieder. Heute sind sie sicher im Olympischen Museum in Lillehammer untergebracht.

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