Interview mit Christoph Preuß – „Europäer haben die Nase vorn“ picture alliance

Interview mit Christoph Preuß – „Europäer haben die Nase vorn“

  • Redaktion
Christoph Preuß, der mit Kapitän Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski vor ein paar Jahren noch in der U 21-Nationalmannschaft zusammengespielt hat, kennt sich aus im deutschen Fußball. Er spielte in der Bundesliga und der Champions League. Während der WM zählt er zu unserem Expertenteam.

Zahlreiche Verletzungen begleiteten die viel versprechende Karriere von Christoph Preuß (28), in der er unter anderem ein Tor des Monats per Fallrückzieher gegen Bayern München schoss, drei Champions League-Partien absolvierte und in insgesamt 47 Spielen für die Nachwuchsmannschaften des DFB sechs Tore erzielte. Ein Knorpelschaden im rechten Knie bedeutete im Januar dieses Jahres schließlich sein endgültiges Aus als Fußballprofi.

Bevor er im Sommer ein Studium beginnt, steht er netzathleten.de nun neben dem absoluten Südafrika-Insider Sean Dundee als WM-Experte zur Verfügung. Wir werden mehrfach mit ihm über die Entscheidungen bei der WM am Kap sprechen. So wie auch jetzt, unmittelbar vor dem Turnierbeginn:

netzathleten: Hallo Christoph, bevor wir zur deutschen Nationalmannschaft und der WM kommen, wie geht es Dir persönlich, was macht das Knie?

Christoph Preuß: Hallo. Mir geht es soweit gut, das Knie ist für den Alltag erstmal wieder hergestellt. Sportliche Belastung ist nicht drin, aber momentan sieht es immerhin so aus, als ob keine weitere Operation nötig ist.

netzathleten: Kannst Du irgendwann auch mal wieder zum Spaß gegen den Ball treten?

Christoph Preuß: Ja, das hoffe ich natürlich. Ich hoffe, dass sich das Knie noch ein wenig beruhigt. Seit Januar sind nun schon ein paar Monate vergangen, die Reizung im Knie ist aber noch nicht ganz weg. Ich halte mich aber im Oberkörperbereich fit so gut es geht.

netzathleten: Wie geht es bei Dir jetzt weiter?

Christoph Preuß: Ich beginne im Sommer ein Management-Studium und absolviere gleichzeitig ein Trainee-Programm bei Eintracht Frankfurt, in dem ich alle Abteilungen im Verein durchlaufe.

netzathleten: Kommen wir zur WM. Die Diskussionen um Michael Ballacks Verletzung haben sich ein wenig beruhigt. Du musstest Deine Karriere wegen einer Verletzung beenden, Du kannst sicherlich gut mit ihm mitfühlen. Wie groß muss seine Enttäuschung sein?

Christoph Preuß: Riesengroß sicherlich. Er hat aber auch schon einige Verletzungen weggesteckt und er wird wieder kommen.

netzathleten: Die Meinungen in Deutschland sind gespalten. Die einen sagen, es ist eine Chance für die Mannschaft, die anderen sagen, damit fehlt dem DFB die wichtigste Stütze. Wie ist Deine Einschätzung?
Christoph Preuß: Er ist natürlich ein sehr wichtiger Spieler für Deutschland, aber ich denke, dass Sami Khedira, der großes Potential hat, und auch Schweini, der jetzt noch mehr Verantwortung übernehmen muss, auf dem Weg sind, ganz große Spieler zu werden. Ich hoffe, dass sie da noch weiter hineinwachsen.

netzathleten: Hat sich früher zu Deinen Nationalmannschaftszeiten beim DFB-Nachwuchs schon abgezeichnet, dass Schweinsteiger und Lahm mal so viel Verantwortung übernehmen wollen?
Christoph Preuß: Ja, schon. Bei den Jungs hat man schon damals gemerkt, dass sie durch die Bayern-Jugend gelaufen sind und der Weg klar vorgegeben war. Und sie haben es ja auch bis heute bewiesen. Philipp Lahm ist eine feste Abwehrgröße und auch Bastian Schweinsteiger hat eine überragende Saison in diesem Jahr gespielt.

netzathleten: Vor ein paar Jahren hat Bastian Schweinsteiger noch den Schalk im Nacken und ein paar Flausen im Kopf gehabt. Nun wirkt er aber insgesamt gereift…
Christoph Preuß: Ja, ganz klar. Er hat einen Prozess durchgemacht und sich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt. Sich bei Bayern durchzusetzen ist ja auch nicht ganz einfach, deshalb: Hut ab und Daumen drücken, dass es so weiter geht. Vor allem auch, dass jetzt in den letzten Tagen nichts mehr passiert. Das gilt aber für alle.


netzathleten: Ist der Kader nicht zu jung für ein solches Turnier?
Christoph Preuß: Wieso soll er zu jung sein? Die Jungs spielen alle Bundesliga, können mit Druck umgehen. Viele kennen das internationale Geschäft. Warum sollen wir dem Team nicht zutrauen, dass sie sehr weit kommen?

netzathleten: Vielleicht, weil den meisten doch die große internationale Erfahrung fehlt, vielleicht die Kaltschnäuzigkeit?
Christoph Preuß: Es hängt natürlich auch viel vom ersten Spiel ab. Wenn das gut läuft, ist es egal, ob man jung oder alt ist. Dann schwimmt man auf einer Euphoriewelle. Das ist auch das, was ich gerade von den jungen Spielern – die jetzt Verantwortung übernehmen müssen, sollen oder wollen –gehört habe.

netzathleten: Das erste Spiel geht gegen Australien, eine Mannschaft die über Jahre eingespielt ist, aber Probleme in der Innenverteidigung offenbaren hat. Da muss direkt ein Sieg her...
Christoph Preuß: Mit Sicherheit. Mit Cacau haben wir noch einen weiteren spielstarken Spieler dazu bekommen, so wie insgesamt eigentlich alle recht stark am Ball sind. Die werden den Ball sicher nicht so einfach her schenken. Mit ihren Ideen und ihrem gutem Kombinationspiel werden sie versuchen die Abwehrreihen zu knacken, auch die australische.

netzathleten: Der Kader ist also homogen und stark besetzt?
Christoph Preuß: Ja, darüber hat sich das Trainerteam eben auch lange Gedanken gemacht, wie man den Kader zusammenstellt. Wenn einer am Ende seiner Kräfte ist, weil ein WM-Spiel dann doch kräftezehrender ist als ein „normales“ Spiel, dann steht der nächste spielstarke Mann bereit und kann nahtlos weiter Gas geben.

netzathleten: Wo machst Du Schwächen im deutschen Kader aus? In der Abwehr eventuell?

Christoph Preuß: Nein, ich denke wir haben wirklich einen sehr ausgeglichenen Kader. Auch hinten, mit Mertesacker, Badstuber, Friedrich und Lahm, das sind alles international erfahrene Jungs. Insgesamt haben wir eine ausgeglichene Truppe, wenn auch bisher ohne absoluten Superstar. Vielleicht wird gerade das der Schlüssel für das Turnier und eine mögliche Überraschung sein.

netzathleten: Wer sind letztlich Deine Topfavoriten?

Christoph Preuß: Da verrate ich nichts Neues: Spanien, das zeigen schon ihre letzten Spiele. Dann natürlich die üblichen Verdächtigen: Italien, England, Holland. Brasilien und Argentinien muss man auch immer auf der Rechnung haben, aber ich glaube, dass die europäischen Mannschaften in Südafrika besser zurechtkommen werden. Die afrikanischen Mannschaften sind einfach schwer einzuschätzen, da gibt es zusätzlich auch ein paar große Namen, wie Drogba bei der Elfenbeinküste, die auszufallen drohen. Wie gesagt, ich denke, dass ein europäisches Team die Nase vorn haben wird.

netzathleten: Wer weiß, vielleicht erleben wir die WM der Überraschungen…

Christoph Preuß: Ja, hoffen wir auf eine sehr positive Überraschung für uns. Die Vorfreude ist auf jeden Fall groß. Nach der Bundesligasaison braucht man auch mal eine Pause vom Fußball, jetzt wird es aber Zeit, dass es losgeht.

netzathleten: Gut Christoph, dann hoffen wir auf einen guten Start unseres Teams. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.

Christoph Preuß: Genau, drücken wir die Daumen! Bis zum nächsten Mal. Viel Spaß bei den ersten Spielen!

 

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