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Spielbericht VfL Bochum - TSV 1860 München

  • Nils Borgstedt
Der VfL Bochum steht im Viertelfinale des DFB-Pokals. Ein 3:0-Sieg gegen den TSV 1860 München sorgte für einen versönlichen Saisonabschluss. Matthias Grünke war für netzathleten.de vorort. Hier sein Spielbericht.

Blues bei den Blauen

Autor: Matthias Grünke

1860 München beendet das Jahr mit einem herben Dämpfer. Die Löwen kämpfen in Unterzahl eine Stunde lang aufopferungsvoll gegen die drohende Niederlage beim VfL Bochum an, verlieren das DFB-Achtelfinalspiel aber dennoch.

Alexander Schmidt haderte nach seiner ersten Niederlage als Cheftrainer von 1860 München in der Pressekonferenz noch lange mit der Schiedsrichterentscheidung, die er als die „Schlüsselszene“ des Spiels bezeichnete: Der Unparteiische hatte Guillermo Vallori in der 27. Minute des Feldes verwiesen, nachdem dieser Alexander Iashvili an der Schulter festgehalten und aus dem Tritt gebracht hatte. Der Bochumer Angreifer hätte freie Bahn auf das Gehäuse von 1860-Keeper Gabor Kiraly gehabt. Notbremse also. Allerdings fand das Foul etwa in der Mitte der Löwenhälfte, und damit noch weit weg vom Tor statt. Referee Tobias Welz wollte es zunächst bei einer Verwarnung belassen, zeigte nach kurzer Rücksprache mit seinem Assistenten dann allerdings doch die rote statt die gelbe Karte. „Das war viel zu hart“, befand Schmidt. Setzt man den Platzverweis für Vallori ins Verhältnis zu den Konsequenzen für den späteren Ellenbogencheck von besagtem Iashvilli ins Gesicht des Löwen-Verteidigers Arne Feick, kann man den Unmut des Trainers nachvollziehen. Denn der Bochumer kam völlig ungeschoren davon. Vor dieser „Schlüsselszene“ sahen die Zuschauer zwei offensiv ausgerichtete Mannschaften, denen der Wille zum Sieg von Beginn an deutlich anzumerken war. Weniger als 180 Sekunden danach erzielte Zlatko Dedic das 1:0 für Bochum gegen kurz unter Schockstarre stehende Münchener. Zwischendrin wechselte Schmidt noch seinen Verteidiger Christopher Schindler gegen seinen offensiven Mittelfeldspieler Stefan Wannenwetsch ein, um genau das zu verhindern. Pustekuchen.

Karsten Neitzel, der Trainer der Bochumer, hatte die Siegchancen seines Teams vor dem Anpfiff mit 51:49 angegeben. Schon nach 30 Minuten war diese Einschätzung völlig illusorisch und man hätte das eigene Weihnachtsgeld ohne Risiko getrost auf einen Sieg der Bochumer verwetten können. Das lag allerdings weniger an dem vielleicht etwas zu harten Platzverweis als vielmehr an der verlässlichen Unfähigkeit der Münchener, Spiele trotz schwieriger Bedingungen herumzureißen und einen Rückstand in einen Sieg umzuwandeln. Zuletzt gelang ihnen dies in der vorletzten Saison bei Hertha BSC Berlin. Selbst gegen vermeintlich schwache Gegner erreichen die Sechziger in solchen Fällen bestenfalls ein Unentschieden. So wie letzte Woche gegen den Abstiegskandidaten aus Dresden. Oder in der Woche davor beim Tabellenletzten aus Regensburg. Oder in der Woche davor beim Aufsteiger aus Aalen. Alle Spiele endeten 1:1. Jedes Mal konnten die Löwen froh sein, am Ende noch den Ausgleich erzielt und sich selbst vor einer Blamage bewahrt zu haben. Am letzten Sonntag war es ausgerechnet Vallori, der zum besten Spieler der Münchener avancierte und seinem Team 10 Minuten vor Schluss durch sein Tor zum 1:1 wenigstens einen Punkt rettete. Nun fehlte er.

Wie auch in den Wochen vorher war den Löwen nach dem Rückstand ein ehrliches Bemühen nicht abzusprechen. In Bochum erwiesen sie sich sogar trotz Unterzahl über weite Strecken als gleichwertig. In der 40. Minute hatte Benjamin Lauth durch einen beherzten Schuss aus spitzem Winkel im Strafraum die beste Chance auf den Ausgleich vor der Pause. Nach dem Wechsel ging es rasant weiter. Die Münchener ackerten, die Bochumer konterten. Vor allem die beiden dribbelstarken Daniels auf Seiten der Sechziger (Bierofka und Halfar) engagierten sich als unermüdliche Antreiber im Mittelfeld. Die besten Gelegenheiten hatte jedoch der VfL, der die sich bietenden Räume geschickt nutzte. In der 54. Minute scheiterten die Hausherren in Person von Leon Goretzka, Zlatko Dedic und Mirkan Aydin gleich drei Mal hintereinander am starken Löwenkeeper Gabor Kiraly.

Die Gäste konnten die Begegnung unter hohem Kraftaufwand noch bis 15 Minuten vor dem Abpfiff ausgeglichen und spannend halten. Dann machte Bochum mit einem Doppelschlag durch Marcel Matritz den Sack zu. Der Stürmer köpfte jeweils nach verlängerten Ecken unhaltbar für Gabor Kiraly ein (75. und 78. Minute). Im Anschluss brachen alle Dämme. Den Sympathisanten der Bochumer unter den 20.206 Zuschauern merkte man deutlich an, wie wichtig ihnen dieser Erfolg nach einer enttäuschenden Vorrunde war, in der man von 19 Spielen nur 5 gewinnen konnte. In der Ostkurve entledigte man sich trotz eisiger Temperaturen zusehends seiner Oberbekleidung. Selbst auf den Sitzplätzen wurde getanzt. Der Geräuschpegel erreichte zeitweise das Niveau eines vorbeifahrenden Schnellzugs. Des einen Freud, des anderen Leid. Auch die Fans im gut gefüllten Gästeblock trugen ihren Teil zum Spektakel bei. Allerdings nicht durch Freudengesänge, sondern wütend gegrölte Parolen mit politisch unkorrektem Inhalt. Statt Wunderkerzen wurden Bengalos gezündet.

Dass Alexander Schmidt in der Pressekonferenz nach Spielschluss so angefressen war, lag sicher nicht nur an der Leistung des Unparteiischen, mit der er sich unzufrieden zeigte. Auch das abermalige Unvermögen des eigenen Teams, nach einem Rückschlag eine Wende einzuleiten, dürfte an ihm genagt haben. Der Nachgeschmack des letzten Spiels vor der Winterpause ist besonders überdauernd, da man erst wieder im Februar die Chance hat, sich neu zu beweisen. Zumindest in der Liga. Siege kann man länger genießen als sonst – über Niederlagen muss man sich länger ärgern. Der VfL darf sich durch den Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals nun über die Feiertage über die überlebenswichtige Mehreinnahme von einer Million Euro freuen. Den Löwen bleibt der Blues und das Gefühl, zwar wieder mal nach besten Kräften gestrampelt zu haben, aber aus dem Sumpf der letzten Wochen immer noch nicht herausgekommen zu sein. Wenn's mal nicht läuft, dann gleich richtig. Die Sechziger können derzeit ein Lied davon singen.

 

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