Interview mit Extrem-Sportler Marcel Heinig Marcel Heinig

Interview mit Extrem-Sportler Marcel Heinig

  • Marcel Heinig
Zehn Tage lang jeden Tag fünf olympische Triathlons: Ab dem 9. November stellt sich der Extrem-Sportler Marcel der größten Herausforderung in der Geschichte des Triathlon-Sports. Im netzathleten-Interview erzählt er, wie er auf die Idee kam und wie er die Hölle von Monterrey überleben will.

netzathleten: Hallo Marcel, Du planst im November im mexikanischen Monterrey einen Weltrekordversuch im Triathlon. 50 Triathlons über die Olympische Distanz in 10 Tagen, also insgesamt 7,5 Kilometer Schwimmen, 200 Kilometer Radfahren und 50 Kilometer Laufen pro Tag. Wie bist Du auf diese Idee gekommen?
Marcel Heinig: Die Idee des 10-Tage-Triathlon stammt aus dem Jahr 2006. In einem Rekordversuch stellten wir uns der Herausforderung, zehn Ironmans an zehn aufeinander folgenden Tagen zu absolvieren. Neun von 19 gestarteten Athleten erreichten das Ziel, ich als Sechster der Gesamtwertung. Danach war ich überglücklich, der „Hölle von Monterrey“ entkommen zu sein und wollte niemals mehr zurück.

Im Sommer fragte der Veranstalter, ob ich nicht wieder Interesse hätte. Ich winkte sofort ab. Ich hatte es mir schon 2006 bewiesen, dass ich 10 Ironmans in 10 Tagen schaffen kann. Keine Chance, aber dann fand er meine Schwachstelle: Eine neue Herausforderung! Und er köderte mich, indem er mir gestattete, meine eigenen Ideen zu verwirklichen. In der gleichen Zeit kam ich auf die Idee mit den 50 Olympischen Triathlons. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los, und wir machten Nägel mit Köpfen. Ich muss also wieder zurück in die Hölle von Monterrey. Ob ich ihr noch mal entkommen kann, werdet Ihr hier sehen. Es werden zehn lange und vor allem sehr harte Tage. Es kann viel passieren. Eine richtige Erkältung würde mich wohl aus dem Rennen werfen und der Traum wäre geplatzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt, schätze ich auf 50 Prozent.

netzathleten: Startest Du alleine oder sind noch andere Triathleten mit von der Partie?
Marcel Heinig: Die 50 olympischen Distanzen mache ich allein. Nebenbei findet aber wieder, wie 2006, der 10-Tage-Triathlon mit 10 Ironmandistanzen statt, da starten circa 25 Teilnehmer.

netzathleten: Andere Triathleten träumen von Hawaii. War das für Dich nie ein Ziel?
Marcel Heinig: Hawaii ist ein Mythos. Natürlich ist das ein Traum. Die Quali-Zeiten sind in den letzten Jahren aber so gut geworden, dass man wirklich Talent benötigt und einen Sportanfang im Kindesalter bei einer der drei Disziplinen. Ich müsste mich ein, zwei Jahre nur auf „kurze Distanzen“ konzentrieren. Die langen Kanten machen zwar ausdauernd, aber auch langsam. Wenn ich nur noch auf Schnelligkeit trainiere, dann würde ich es geradeso unter 10 Stunden schaffen. Für die Quali reicht das lange nicht. Ich hätte also den gleichen Aufwand und würde nur von meinen Zielen träumen. So kann ich auch an der Weltspitze mitmischen, aber nicht im Traum, sondern in der Realität.

netzathleten: Wie bereitet man sich auf eine solche Belastung vor?
Marcel Heinig: Ich kann mich nicht klassisch vorbereiten. Den Event kann man im Vorfeld nicht simulieren. Wichtig ist, dass ich mental zu 100 Prozent fit bin. Die körperliche Fitness ist zwar sehr wichtig, aber nicht entscheidend. So versuche ich gerade in den Wochen davor in pure Ausgeglichenheit zu kommen. Lieber mal eine Trainingseinheit weniger als sich davor mental unnötig auszulaugen. So ein Event ist kein klassischer Wettkampf, sondern eine Schlacht. Jede Körperzelle muss für diese Schlacht bereit sein. Nach zwei bis drei Tagen siehst du kaum das Ziel vor Kilometern und nach sechs, sieben Tagen erlebst du eine unglaubliche Müdigkeit. Das zu managen, verlangt dir mental alle Ressourcen ab.

netzathleten: Wie hoch ist Dein wöchentliches Trainingspensum?
Marcel Heinig: Das ist sehr individuell und hängt von dem Wettkampf und den Distanzen ab. Für den 4.500 Kilometer langen Europalauf musste ich extra langsames Laufen lernen. Hätte ich das nicht, dann wäre ich die ersten Tage zu schnell gelaufen und hätte mich somit kaputt gelaufen. Denn auch langsames Laufen muss gelernt sein. Am Anfang kostet es mehr Kraft als schneller zu laufen. Und als Vorbereitung auf den Triathlon war der Europalauf eine enorme Ausdauergrundlage. Davon kann ich jetzt zehren und konnte mich in den letzten Wochen mehr aufs Radfahren und Schwimmen konzentrieren. Im Schnitt sind es circa 20 bis 25 Stunden pro Woche.

netzathleten: Wie verträgt sich das mit Deinem Privatleben, und wie schaffst Du es, das in den Alltag zu integrieren?
Marcel Heinig: Nicht nur das Training kostet Zeit, sondern auch die Organisation der Wettkämpfe und das Management. In der Summe kommt da locker eine 40 Stunden-Woche zusammen. Die Zeit wird dadurch sehr knapp, aber wenn du es gerne machst und Spaß hast, dann bist du auch bereit viel zu leisten. Man lernt auch, sich zu organisieren und zu entscheiden, was wichtig ist und was nicht. Ich weiß beispielsweise nicht, wann ich das letzte Mal ferngesehen habe. Anderseits bin ich auf den Partys meist immer der letzte der kommt und der erste der geht. Das war nicht immer so und ist auch schon eine bedeutende Kehrseite. Ich bin mir aber sicher, dass die Zeit kommt, wo ich wieder Spaß daran habe, nächtelang durchzufeiern.


netzathleten: Hast Du keine Angst, dass Du bei solchen Extrembelastungen ernsthafte gesundheitliche Probleme bekommst?
Marcel Heinig: Ich merke keine negativen Auswirkungen. Das ist aber nicht entscheidend. Ich bin in permanenter ärztlicher Betreuung. Zudem hatten wir beim Europalauf ein Forschungsteam dabei, welches die körperlichen Auswirkungen auf den Organismus untersucht hat. Ich hatte mit die besten Ergebnisse, alles war konstant und der Körper passte sich der Belastung an. Füße wie am Start, hieß es bei mir in der Abschlussuntersuchung, die mittels MRT-Scan durchgeführt wurde. Die Umfänge sind zwar weitaus höher, aber die Kraft, die auf die Gelenke wirkt, ist entscheidend - Masse mal Beschleunigung. Bei uns sind die Geschwindigkeiten wesentlich geringer, und daher wirkt sich die Belastung nicht so stark auf den Bewegungs- und Stützapparat aus.

netzathleten: Von wem wirst Du in der Vorbereitung und während des Wettkampfs medizinisch betreut?
Marcel Heinig: Ein paar Tage davor geht's noch mal zum medizinischen Check. Vor Ort wird die medizinische Betreuung durch einen Arzt gewährleistet, der sich mit diesen sportlichen Anforderungen auskennt.

netzathleten: Kann jeder Mensch eine solche Belastung durchstehen oder hast Du besondere Veranlagungen dazu?
Marcel Heinig: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur von mir sagen, dass ich kein Sportwunder bin. Ich bin nicht besonders schnell und meine Zeiten im Marathon und Ironman sind absoluter Durchschnitt - das können wohl sehr viele! Bei den ganz langen Kanten dagegen kann ich eine enorme körperliche Ausdauerfähigkeit und ein extrem auf dem Punkt fixiertes Mentalmanagement leisten. Das hebt mich dann wohl schon von der Masse ab.

netzathleten: Wie muss man sich während eines solchen Wettbewerbs ernähren?

Marcel Heinig: Definitiv nicht so gesund wie im Alltag. Es müssen enorme Energiemengen aufgenommen werden. Der Körper muss die Mahlzeiten schnell verstoffwechseln. Ein guter Salat und Obst ist zwar lecker, aber das würde enorme Volumen erzeugen. Wichtig sind eher Nahrungsmittel mit einer hohen Energiedichte. Dafür habe ich sehr hochwertige Nahrung und Nahrungsergänzungen meiner Partner. Natürlich aber auch Süßigkeiten wie Schokolade und Eiscreme. Gerade diese Lebensmittel sind Balsam für die Seele und damit für meine mentale Verfassung sehr wertvoll, auch wenn es für den Körper von den Nährstoffen her eigentlich Schrott ist.



netzathleten: Ist das Dein erstes Projekt dieser Art, und wie finanzierst Du das?
Marcel Heinig: Ja, es ist mein erstes Projekt und mein erster Event, das ausschließlich meine Idee ist. Finanzieren lässt es sich als Semiprofi in einer Amateursportart sehr schlecht. An Lebensunterhalt ist nicht zu denken, und bei dem Sport muss ich auch noch Geld hinzu buttern. Anfangs hatte ich gar keine Partner. Die bestehenden Partnerschaften sind durchaus ein großer Erfolg, und ich denke, dass es tendenziell weiter bergauf geht. Ich muss dafür hart arbeiten, aber alles wächst organisch und sehr nachhaltig. Ich denke, dass irgendwann die Zeit kommt, wo ich durchaus davon leben kann. Ich habe noch unglaubliche Ideen in petto, die selbst den Begriff extrem neu definieren werden. Ich habe auch schon die Konzepte, die das möglich machen. Die Umsetzung kostet aber viel Zeit. Wenn ich körperlich oder mental irgendwann dafür nicht mehr bereit sein sollte, dann habe ich als angehender Wirtschaftsingenieur ein tolles Fach studiert. Step by Step!

netzathleten: Wie bist du eigentlich zum Triathlon-Sport gekommen, und wie hast Du Deinen ersten Triathlon erlebt?
Marcel Heinig: Ich komme vom Laufen, bin aber immer schon zum Ausgleich Rad gefahren und Schwimmen gegangen. Irgendwann lag es nahe, aus dem Ausgleich mehr zu machen und diese beiden Disziplinen ernsthaft zu trainieren. Mein Traum war einmal, einen Ironman zu absolvieren. Ich fand das bis dato unvorstellbar. Wirklich! Ich konnte mir damals nicht vorstellen, wie ich nach dem Schwimmen und sechs Stunden auf dem Rad noch einen Marathon laufen soll. Aber irgendwie waren die Neugierde und der Ehrgeiz doch größer und ich meldete mich zum Ironman Germany 2005 in Frankfurt an. Das Finish war ein Traum. Wohl einer meiner schönsten Finishs. Ich hatte mir diesen Traum, den ich ein Jahr davor noch geträumt hatte, erfüllt.

Das Interview führte Jörg Birkel

Details

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  • Star Vita: Marcel Heinig (*16.11.1981) gehört zu den härtesten Athleten der Welt. Bereits mit 24 Jahren hat er seinen 100. Marathon gefinisht; mittlerweile sind es über 200 Marathons und Ultradistanzläufe. 2008 wurde Heinig mit einer Zeit von 206h 29min und 04sec Weltmeister beim Decatriathlon (38 Kilometer Schwimmen, 1.800 Kilometer Radfahren, 422 Kilometer Laufen – das entspricht der 10-fachen Ironman Hawaii Distanz).
  • Star Erfolge: Weltmeister Deca-Triathlon (10-fache Ironman-Distanz) 2008, Finisher bei über 200 Marathons und Ultradistanzläufen

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