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Die Favoriten der WM 2014

  • Nils Borgstedt
Der Kreis der Favoriten für die Weltmeisterschaft 2014 umfasst im Grunde die üblichen Verdächtigen. Trotz der etwas holprigen Vorbereitung zählt auch Deutschland dazu.

Vor der WM über Favoriten zu sprechen, ist immer so eine Sache. Klar, da ist die Heimmannschaft, die, von der Euphorie gepackt, immer ein gutes Turnier spielen kann. Da gibt es die Mannschaften, die in den letzten Jahren überzeugt haben und jene, die bei Turnieren stets weit gekommen sind. Dennoch sind Aussagen über Favoriten immer auch ein Stochern im Trüben.

Wer hätte beispielsweise gedacht, dass bei der WM 2002 Frankreich als Titelverteidiger bereits in der Vorrunde die Segel streicht? Wer hätte bei der EM 2012 damit gerechnet, das Holland – zwei Jahre zuvor immerhin noch WM-Finalist – ohne Punktgewinn nach Hause fährt? Wer hätte gedacht, dass Deutschland 1994 bei der WM in den USA ausgerechnet an Bulgarien scheitern würde, obwohl der DFB die wahrscheinlich stärkste Mannschaft des Turniers gestellt hat?

Spanien

Und dennoch wird der mögliche kommende Weltmeister kurz vor dem größten Fußballturnier heiß diskutiert. Da wären zum einen die Spanier. Von vielen bereits abgeschrieben und für zu alt befunden, muss man sie dennoch zum Favoritenkreis zählen. Nach wie vor marschiert die Mannschaft von Trainer Vicente del Bosque von Sieg zu Sieg. Sieht man einmal von der deutlichen 0:3 Niederlage gegen Brasilien im Finale des Confed-Cups 2013 ab, hat sie seit der EM 2012 fast alle Spiele gewonnen. In 26 Partien gab es 20 Siege, vier Unentschieden, und nur zwei Niederlagen. Die Mannschaft ist gealtert, aber nicht zu alt geworden (Altersdurchschnitt etwa 26 Jahre). Neue Spieler wurden integriert, profitieren von der Erfahrung der Älteren. Die spanische Nationalmannschaft ist somit erfahrener und spielt ergebnisorientierter. Beste Voraussetzungen für einen erneuten Titelgewinn.

Deutschland

Deutschland zählt in diesem Jahr erneut zu den Favoriten auf den Titel. Allerdings muss für einen Titelgewinn alles passen. Die deutsche Mannschaft muss auf ihre Stärken vertrauen, auch inzwischen beinahe unkonventionelle Maßnahmen wie Fernschüsse ins Repertoire aufnehmen. Zudem defensiv kompakt stehen, gegnerische Konter vermeiden und bei eigenen Standardsituationen Gefahr ausstrahlen. Wird auch Manuel Neuer wieder rechtzeitig fit, ist die deutsche Elf auf allen Positionen sehr gut besetzt, vorausgesetzt, jeder kann sein Potential abrufen. (Roman Weidenfeller ist ohne Frage ein sehr starker Torwart, allerdings im Mitspielen nicht ganz auf einem Level wie Neuer.) In den letzten beiden Testspielen haben nicht alle überzeugt (Özil, Schweinsteiger, Götze). Deutschland gilt als die vielzitierte Turniermannschaft – vielleicht muss sie es in diesem Jahr einmal mehr unter Beweis stellen. Vor allem in den K.O.Spielen. Und das bringt uns zum nächsten Favoriten, Italien.

Italien

Die Italiener haben 2006 und 2012 dafür gesorgt, dass Deutschland nicht ins Finale vorgestoßen ist. Unvergessen ist die bittere 2:0-Niederlage bei der WM 2006 in Deutschland. Und auch das 1:2 im Halbfinale der EM in Polen und der Ukraine tat weh. Auch, wenn sich einiges in der Squadra Azzurra getan hat, so ist doch eines geblieben: Andrea Pirlo ist das Herz der Mannschaft, zumal nach der Verletzung von Kapitän Riccardo Montolivo. Der Regisseur von Juventus Turin gibt im Spiel der Italiener Takt und Tempo vor, leitet selbst mit millimetergenauen Pässen Angriffe ein und zirkelt Freistöße und Eckbälle in die Gefahrenzone wie kaum ein anderer Spieler auf der Welt. Dazu kommen eine enorme mannschaftliche Geschlossenheit und mit Ciro Immobilie und Mario Ballotelli zwei junge Wilde im Sturm. Damit ist eigentlich alles bereitet, um um den Titel mitzuspielen.

Brasilien

Mehr als nur um den Titel mitspielen, will, nein beinahe muss, Brasilien. Der Gastgeber hat eine Mannschaft mit einem wirklichen Star, Neymar, und einem starken Kollektiv. Prunkstück ist die Abwehr, der mit Thiago Silva und David Luiz wohl zwei der besten Innenverteidiger der Welt angehören. Dazu kommt die enorme Euphorie, die, einmal entfacht, eine Heimmannschaft beflügeln kann. Dabei werden auch die vielen Proteste noch nicht einmal negativ auf die Mannschaft wirken, weil die Spieler die Probleme der Bürger verstehen können. Erst kürzlich solidarisierten sich einige der Spieler öffentlich mit den Protestlern. Man erinnere sich an den Confed-Cup, als Brasilien ungeschlagen den Titel holte. Auf dem Weg dorthin wurden mit Italien und Spanien die letzten beiden EM-Finalisten und der Weltmeister geschlagen. Trotz aller Proteste.

Argentinien

Die zweite Macht aus Südamerika ist die Heimat des vierfachen Weltfußballers Lionel Messi. Argentinien hat sein Spiel inzwischen mehr auf „Leo“ eingestellt, er wurde Kapitän, die Mannschaft um ihn gebaut und er lässt seit etwa zwei Jahren auch in der Nationalmannschaft häufiger sein Können aufblitzen. Klappt das auch bei dieser WM, darf sich die Albiceleste berechtigte Hoffnungen auf den dritten Titel machen. Bisher konnte Messi bei einer WM nicht überzeugen, trotz überragender Spiele bei Barcelona. In diesem Jahr lief es dort für ihn weniger rund – vielleicht wird diese WM nun seine WM.

„Geheim“favoriten

Doch so schön Favoritenvorschauen sind, auch in diesem Jahr wird es wieder Überraschungen geben. Vor allem die Mannschaften aus Kolumbien um James Rodriguez, Chile (ein fitter Vidal vorausgesetzt) und Belgien können dafür sorgen. Falls sie es nicht tun, stehen mit Nigeria, der Schweiz oder Kroatien weitere Mannschaften parat. Und dann wäre da natürlich auch noch der letzte WM-Finalist aus den Niederlanden.

Am Ende werden wir bis zum 13. Juli warten müssen, um herauszufinden, wie gut unsere Tipps wirklich waren. Und wahrscheinlich wird man auch nach dieser WM sagen: „Wer hätte gedacht, dass…“.

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