Frank von Behren im Interview: Die Favoriten der Handball-EM 2012 in Serbien picture-alliance; Frank von Behren in Aktion. Der ehemalige Handball-Nationalspieler sieht Frankreich als Favorit Nummer 1.

Frank von Behren im Interview: Die Favoriten der Handball-EM 2012 in Serbien

  • Nils Borgstedt
Der ehemalige Handball-Nationalspieler Frank von Behren verrät die Stärken und Schwächen der Favoriten auf den EM Titel 2012. Und was traut der Olympia-Zweite von 2004 der deutschen Mannschaft zu? Das Interview zum Auftakt der Handball-EM.

Netzathleten: Wer sind für dich die Favoriten?
Favoriten sind für mich eigentlich die Altbekannten. Es sind eigentlich wieder die gleichen Nationen wie die letzten Jahre.

Netzathleten: Also Frankreich, Spanien, Dänemark, Kroatien…
Ja genau. Wobei Frankreich der Topfavorit ist. Danach kommen ein paar Mannschaften, die sich auf Augenhöhe bewegen und immer für eine Überraschung gut sein können, sprich die Franzosen schlagen. Island gehört für mich nicht mehr in den engeren Favoritenkreis, Kroatien aber dafür wieder. Auch den Serben traue ich einiges zu, gerade zu Hause.

Netzathleten: Gehen wir doch die einzelnen Teams einfach mal durch. Wodurch zeichnen sie sich aus? Beginnen wir mit Frankreich…
Zu Frankreich muss man eigentlich nicht viel sagen. Sie haben die letzten vier Turniere gewonnen und treten in Serbien in der besten Besetzung an. Und dann kann man sie kaum besiegen. Sie können sich eigentlich nur selber schlagen.

Netzathleten: Nächste Mannschaft im Favoritenkreis, der WM-Zweite von 2011: Dänemark
Die Dänen haben auf der Kreisläuferposition Personalsorgen. Sowohl Jasper Noddesbo vom FC Barcelona als auch der Flensburger Michael Knudsen werden wahrscheinlich ausfallen. Das ist natürlich eine Schwächung, allerdings sind sie immer noch stark genug, um ins Halbfinale oder Finale einzuziehen. Und das muss auch ihr Ziel sein.

Dänemark verfügt im Übrigen über die schönste Spielanlage der EM-Teilnehmer. Sie lassen den Ball sehr gut laufen und haben individuelle Klasse. Sie sind zwar körperlich nicht so stark wie die Franzosen, die viele Situationen über ihre Kraft lösen, aber dafür etwas eleganter.

Netzathleten: Nächster im Konzert der großen ist Spanien.
Spanien war für mich beim letzten Turnier eine kleine Überraschung, sie wurden ja WM-Dritter. Für mich sind mit Barcelona und Madrid die beiden besten Mannschaften Europas, wenn nicht sogar der Welt, in Spanien zu Hause. Und da spielen ja auch einige Spanier mit. Es ist bei weitem nicht so, dass dort nur Legionäre spielen.

Das spanische Team hält das Spiel sehr einfach, was mit sehr gut gefällt. Sie haben sehr starke Kreisläufer und lösen viele Probleme in der Kleingruppe, sie sind sehr stark im Eins-gegen-Eins. Die viel beschworene Achse Mitte-Kreis ist bei ihnen sicherlich am besten. Julen Aguinagalde ist ein hervorragender Kreisläufer. Dazu kommen in der Mitte einige gute, wie zum Beispiel Chema Rodriguez oder auch Raul Enterrios im linken Rückraum, die wirklich für geniale Momente sorgen können.

Die Spanier sind individuell sehr stark und verfügen über einigen Spielwitz. Sie sind in gewisser Weise eine Mischung aus Frankeich und Dänemark. Die Franzosen sind sehr brachial, die Dänen spielerisch sehr gut veranlagt und die Spanier sind eigentlich beides. Allerdings ist es bei den Spaniern auch immer möglich, dass sie nicht konstant genug auftreten. Schaffen sie das aber, gehören auch sie für mich zu den Halbfinalkandidaten.

Netzathleten: Du siehst auch Kroatien noch als Favoriten…
Ja, die Kroaten. Dass das Turnier in Serbien stattfindet, wird sie zusätzlich anstacheln. Dazu kommt, dass Ivano Balic, zweimaliger Welthandballer, wieder dabei ist. Allerdings laboriert er derzeit an einer Leistenverletzung und sein Einsatz im ersten Spiel ist eher unwahrscheinlich. Daher muss man auf seine Fitness im weiteren Turnierverlauf gespannt sein. Wenn er aber fit ist und seine Form findet, dann ist es eine Augenweide ihm zuzuschauen. Schlüsselspieler sind sicherlich auch die beiden Hamburger Igor Vori und Blazenko Lackovic. Und, ein großer Pluspunkt, die Kroaten sind eine unglaublich eingespielte Truppe, die auch schon viel gewonnen hat (u.a. Olympiasieger 2004, Weltmeister 2003, EM-Silber 2008, 2010). Das Kollektiv und ihre Siegermentalität sind ihre Stärken.

Netzathleten: Bleibt zum Schluss noch der Gastgeber Serbien. Du sagtest, du traust ihnen einiges zu.
Ja, so ist es. Den Serben ist alles zuzutrauen. Sie haben individuell sehr gute Leute und spielen zu Hause. Man hat das 2007 bei der deutschen Mannschaft gesehen, was das ausmachen kann. Ein Problem, mit dem sie schon immer zu kämpfen hatten, ist, dass sie praktisch alle im Ausland spielen. Bei den Turnieren wirken sie dann häufig bisschen zusammengewürfelt und haben es leider daher in den letzten Jahren nicht geschafft, eine wirklich schlagkräftige Truppe aufzustellen. Ich gehe trotzdem davon aus, dass sie vor eigenem Publikum um das Halbfinale mitspielen werden.

Zum Abschluss: Wie siehst du die Chancen für das deutsche Team?
Wenn man sieht, was in den Zeitungen geschrieben wird, und wenn die Nationalspieler selber sagen, dass Platz Fünf bis Sieben angepeilt das Ziel ist, dann ist das sicherlich realistisch. Bei dem aktuellen Kader der Nationalmannschaft entspricht das sicher dem Machbaren. Das Spielermaterial ist mit Sicherheit das Beste, das wir zurzeit haben. Und es sind ja auch alle absolute Leistungsträger in ihren Vereinen in der Bundesliga.

Betrachtet man jede einzelne Position, ist Deutschland gerade auf den Außen, Halbrechts und im Tor sicherlich sehr gut besetzt. Das Gejammer, dass wir Nachteile gegenüber anderen Nationen haben, muss auch mal aufhören. Gerade auch im Hinblick auf die Führungsspieler-Diskussion. Wir haben Spieler in der Mannschaft, zum Beispiel Pascal Hens oder auch Holger Glandorf, die über so viel Erfahrung verfügen und in ihren Bundesligamannschaften zu den Führungsspielern gehören, dass sie auch in der Nationalmannschaft diese Rolle gut übernehmen können. Ich glaube, dass wir die individuellen Fähigkeiten und die Spielertypen dazu haben, jeden Gegner schlagen zu können. Zugegeben, bei Frankreich wird das wirklich sehr eng.

Ich denke, man muss frohen Mutes an die Sache rangehen. Fehlen wird den Deutschen sicherlich Mimi Kraus, der leider nicht rechtzeitig fit geworden ist. Dennoch: Die Olympiaqualifikation ist definitiv machbar.

Netzathleten: Frank, vielen Dank für deine Einschätzungen.

Mehr Informationen rund um Handball und Frank von Behren findet Ihr unter: www.vb-sports.de

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