Letzter Teil meiner Kolumne - Darum hat es nicht gereicht Christian Schwarzer privat/netzathleten

Letzter Teil meiner Kolumne - Darum hat es nicht gereicht

  • Christian Schwarzer
Die Handball-EM ist vorbei. Mit Frankreich haben wir einen würdigen Europameister, auch wenn sie phasenweise enttäuschten. Das Abschneiden der deutschen Handballnationalmannschaft war dürftig - dennoch sehe ich für die Zukunft nicht schwarz.

Die neunte Handball-EM ist Geschichte - und sie war kein Meilenstein. Es gab keine taktischen Revolutionen zu sehen. Und es gab kein Team, das wirklich überragte. Das Turnier hat stattdessen deutlich gemacht, wie dicht die Handballnationen in Europa heute beisammen liegen. Theoretisch kann jeder jeden schlagen. Ungarn beispielsweise holte in der Vorrunde seinen einzigen Punkt gegen den späteren Europameister. Dass sich am Ende mit Frankreich und Kroatien wieder die dominanten Teams der vergangenen Jahre gegenüber standen, liegt an ihrer Erfahrung.

Frankreich ist ein würdiger Sieger, keine Frage. Dennoch haben mich die Franzosen ein wenig enttäuscht. Die spielerische Dominanz der vergangenen Jahre konnten sie diesmal nicht zeigen. Da hatte ich mehr erwartet. Sie wussten aber, was in den entscheidenden Momenten zu tun ist und haben sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das zeichnet einen Champion aus.

Dazu verfügt Teamchef Claude Onesta über herausragende Einzelkönner. Neben Nikola Karabatic überzeugten vor allem Daniel Narcisse vom THW Kiel und Luc Abalo von Ciudad Real. Nicht zu vergessen der Kieler Torhüter Thierry Omeyer, der auch im Finale gegen die Kroaten über sich hinaus gewachsen ist. In einem Spiel zweier gleichwertiger Mannschaften waren das die entscheidenden Trümpfe.


Mit den beiden anderen Halbfinalisten, Island und Polen, konnte man ebenfalls rechnen. Die Polen waren für mich das Team der Vor- und Hauptrunde. Diese Mannschaft hat sich mittlerweile in der Weltspitze etabliert. Kein Wunder, so kompakt wie sie in der Abwehr agieren. In der entscheidenden Phase des Turniers haben ihre Kräfte leider nachgelassen, das war zu spüren. Viele neigen noch dazu, die Isländer zu unterschätzen - ein Fehler. Mich jedenfalls hat ihr dritter Platz nicht überrascht.

Darum hat es für uns nicht gereicht


Die deutsche Mannschaft steckt dagegen noch im Umbruch und konnte in Österreich nicht überzeugen. Für die Zukunft sehe ich aber keinesfalls schwarz. Das Team ist nicht weit von der Weltspitze entfernt. Das sage ich ganz bewusst, gerade weil man hierzulande so enttäuscht war von der Leistung unserer Jungs. Gewisse Dinge haben natürlich nicht so funktioniert, wie sie sollten. Angefangen in der Abwehr: Dort standen wir nicht so kompakt, wie man es von einer deutschen Mannschaft gewohnt ist.

Der Ausfall von Sebastian Preiß, der nach seiner Achillessehnenoperation im November noch nicht für fit befunden wurde, riss eine große Wunde in die Deckung. Dadurch fehlte der eingespielte Mittelblock aus Oliver Roggisch und Preiß. Olli war gezwungen, sich immer neu zu orientieren, musste sich auf Michael Haaß, Manuel Späth oder Lars Kaufmann einstellen. Hier fehlte die Zeit, sich einzuspielen.

Vorne konnten wichtige Spieler dem Team nicht richtig helfen - sie hatten mehr mit sich selbst zu kämpfen. Akteure wie "Mimi" Kraus, Holger Glandorf und auch Lars Kaufmann müssen eben zu einhundert Prozent funktionieren, damit sie das Team führen können. Das war bei unseren Spielen in Innsbruck zu selten der Fall. Bei den beiden Lemgoern Kraus und Glandorf läuft es ja auch im Verein in dieser Saison nicht ganz rund. Diese Verunsicherung konnten sie bei der EM nicht ablegen.

Brand wird das Team aufrichten


Insgesamt gesehen fehlte der Mannschaft die Zeit, sich kennen zu lernen. Laufwege und Spielzüge müssen noch intensiver eingeübt werden. Das wird in den kommenden Jahren besser werden. Die Spieler werden ihre Lehren aus der EM ziehen und aus Fehlern lernen. Wichtig ist, dass sie sich nicht demoralisieren lassen. Wenn das passieren sollte, können sie das nächste Mal gleich zu Hause bleiben. Dann hat man im Leistungssport nichts zu suchen.

Doch Heiner Brand wird die Mannschaft mit Sicherheit wieder aufrichten. Das ist ihm auch in der Vergangenheit immer gelungen. Meine Generation hat anfangs auch eher bescheidene Auftritte abgeliefert und bei großen Turnieren um die goldene Ananas gespielt. Wir mussten ebenfalls Erfahrung sammeln und unser Spiel erst finden. In dieser Phase befindet sich das aktuelle Team nun. In Hinsicht auf Heiners großes Ziel, die Olympischen Spiele 2012 in London, wird die deutsche Mannschaft also noch reifen. Und das werden wir schon bei der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Schweden sehen, da bin ich mir sicher.

Ich hoffe Ihr hattet trotz des Abschneidens der deutschen Mannschaft Spaß an der EM und meiner Kolumne.

Bis zum nächsten mal,

Euer Blacky

 

Details

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  • Star Vita: Christian 'Blacky' Schwarzer wurde am 23.10.1969 in Braunschweig geboren. Der Handballer spielte in seiner erfolgreichen Karriere u.a. für den FC Barcelona und den TBV Lemgo. Von 1989 bis 2008 spielte er in der deutschen Handball Nationalmannschaft und war maßgeblich am Gewinn der Weltmeisterschaft 2007 beteiligt. 2009 beendete der Handballer des Jahres von 2001 seine aktive Laufbahn. Nun ist er in der Jugendarbeit des DHB tätig.
  • Star Erfolge: Weltmeister 2007, Silber Olympische Spiele 2004, Champions League Sieger 2000

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