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Die 10 erfolgreichsten deutschen Winterolympioniken

  • Marco Heibel
Es sind nur noch wenige Tage bis zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Vancouver. Neue Sporthelden werden dort geboren, aber auch der eine oder andere „alte Hase“ wird weiter an seinem Denkmal bauen – ein schöner Anlass, einen Blick auf die erfolgreichsten deutschen Winter-Olympioniken aller Zeiten zu werfen.

Erfolg ist immer auch eine Definitionsfrage. Zweifelsohne sprechen die acht Goldmedaillen, die der Norweger Björn Dæhlie bei seinen drei Teilnahmen zwischen 1992 und 1998 gewinnen konnte – und die bis heute Rekord bei Winterspielen sind – eine deutliche Sprache. Doch fairerweise muss man einräumen, dass gerade Langläufer, Biathleten oder Eisschnellläufer gleich mehrere Chancen auf Edelmetall während einer Austragung der Olympischen Spiele haben, während Rodler oder Eiskunstläufer maximal eine Medaille mit nach Hause nehmen können.



Insofern besteht die „Schwäche” des gleich folgenden Rankings darin, dass manche Sportarten bevorteilt sind. Doch wie kann man ein faires System schaffen? Koeffizienten errechnen oder die Konkurrenzsituation berücksichtigen? Wir machen es uns an dieser Stelle vielleicht etwas einfach, bleiben jedoch transparent: Vorne ist, wer die meisten Medaillen gewonnen hat.

Platz 10: Jens Weißflog (Skispringen; 3-mal Gold, 1-mal Silber, 0-mal Bronze)


Zehn Jahre, zwei Stile und eine Wiedervereinigung lagen zwischen den Olympiasiegen von Jens Weißflog. Als der Oberwiesenthaler in Sarajevo 1984 im Alter von 19 Jahren Gold von der Normal- und Silber von der Großschanze gewann, sprang man noch im Parallelstil – und Weißflog für die DDR. Neben dem Finnen Matti Nykänen gab er in den 1980er Jahre im Skispringen den Ton an, gewann in dieser Zeit neben Olympiagold auch dreimal die Vierschanzentournee, dreimal WM-Gold und einmal den Gesamtweltcup.

Als sich Anfang der 1990er Jahre der V-Stil durchgesetzt hat, musste jeder, der vorne sein wollte, auf diese Technik umstellen. Viele alte Hasen, darunter auch Matti Nykänen, schafften die Umstellung nicht und verabschiedeten sich aus der Weltelite, während junge Springer wie der Finne Toni Nieminen das Zepter übernahmen. Als einem der wenigen Stars der Parallelstil-Ära gelang Weißflog jedoch nach Anlaufschwierigkeiten auch im neuen Stil der Vorstoß in die absolute Weltspitze. So stehen exemplarisch seinen 22 Weltcupsiegen im Parallelstil 11 im V-Stil gegenüber und ein weiterer Sieg bei der Vierschanzentournee 1996.

Den Höhepunkt von Weißflogs Karriere-Herbst markierte jedoch ohne Zweifel das Doppelgold von Lillehammer 1994. Weißflog schlug seinen großen Wiedersacher Espen Bredesen (NOR) vor dessen Publikum von der Großschanze und triumphierte ein paar Tage später noch einmal, dank des nervenschwachen Japaners Harada, im Teamspringen. Heute ist er Skisprungexperte beim ZDF.

Platz 9: Mark Kirchner (Biathlon; 3/1/0)


Bevor Ole Einar Bjørndalen (NOR) zum Maß aller Dinge im Biathlon wurde, gab es schon einmal einen so genannten „Außerirdischen“. Zu Beginn der 1990er Jahre dominierte der Oberhofer Mark Kirchner die Szene beinahe nach Belieben: 1992 in Albertville gewann er als 21-jähriger Gold im Sprint und in der Staffel, zudem noch Silber im Einzel (Massenstart und Verfolgung gab es damals noch nicht). 1994 in Lillehammer kam noch eine weitere Goldmedaille mit der Mannschaft dazu. Doch zu diesem Zeitpunkt war Kirchner jedoch bereits nicht mehr in der Überform der vergangenen Jahre.

Dennoch liest sich seine Karrierebilanz äußerst eindrucksvoll: Neben den vier Olympiamedaillen, stehen noch 7 WM-Titel (solo und in der Staffel) sowie insgesamt 10 Weltcup-Siege in seiner Vita.

Platz 8: Bernhard Germeshausen (Bob; 3/1/0)


Bernhard Germeshausen zählt sicher zu den weniger bekannten Sportlern in dieser Top 10. Das mag zum einen daran liegen, dass seine letzte Olympiateilnahme bereits 30 Jahre zurückliegt, zum anderen blieb er meist im Hintergrund: und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich gewann der ehemalige Leichtathlet seine drei olympischen Goldmedaillen als Anschieber von Bob-Pilot Meinhard Nehmer. Auf diese Weise kam er 1976 zum begehrten Doppelgold im Zweier- und Viererbob und 1980 zu einem weiteren Olympiasieg im Vierer, sowie einer Silbermedaille im 2er Bob.

Wie es kann es da sein, das Germeshausen es in die Top 10 geschafft hat und sein Pilot Meinhard Nehmer nicht? Nun, in der Zweierbob-Konkurrenz gingen die beiden DDR-Sportler getrennte Wege. Germeshausen pilotierte seinen eigenen Zweierbob (mit Anschieber Hans-Jürgen Gerhardt) und wurde Zweiter, während Nehmer (mit Anschieber Bogdan Musiol) „nur“ Bronze blieb.

Platz 7: Georg Hackl (Rodeln; 3/2/0)


Der „Hackl Schorsch“ vom Königssee steht exemplarisch für die Sportler, die es normalerweise sehr schwer haben, viele Olympiamedaillen zu sammeln. Schließlich ist der Teamwettbewerb im Rodeln (noch) nicht olympisch, und so bleiben dem gemeinen Rodler nicht allzu viele Chancen auf Gold.

Georg Hackl war da mit seinen sechs Teilnahmen – natürlich auch begünstigt durch den „Rhythmuswechsel“ zwischen den Winter- und Sommerspielen im Jahre 1994 – schon ein Dauerbrenner. Und seine Bilanz ist mehr als ordentlich: Dreimal Gold 1992, 1994 und 1998 sowie Silber bei seinen ersten Spielen 1988 und seinen vorletzten 2002. Einzig bei seinem Karriereausklang, 2006 in Turin, blieb ihm als Siebter eine Medaille verwehrt. Aber insgesamt drei Olympische Goldmedaillen, 10 WM- sowie 7 EM-Titel und 33 Weltcup-Siege sind ja auch nicht so schlecht. Hackl arbeitet heute als Rodel-Experte beim ZDF.

Platz 6: Kati Wilhelm (Biathlon; 3/3/0)


Kati Wilhelm ist die bestplatzierte noch aktive Sportlerin in diesem Ranking (sieht man einmal von Claudia Pechstein ab, die man in Vancouver höchstwahrscheinlich nur als Zuschauerin sehen wird). Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass Wilhelm in ein paar Wochen ein paar Plätze weiter oben geführt wird. Sollte sie ihren bisherigen Karriereschnitt von 3 Olympia-Medaillen pro Teilnahme beibehalten können, würde ihr sogar ein Platz auf dem imaginären Podium winken.

2002 in Vancouver begann Kati Wilhelms glanzvolle Olympia-Karriere. In einer überaus erfolgreichen deutschen Biathlon-Damen-Mannschaft ragte sie mit ihrer Goldmedaille im Sprint (vor Teamkollegin Uschi Disl), Silber in der Verfolgung und noch einmal Gold mit der Staffel heraus.

Fast genauso gut lief es für Wilhelm vier Jahre später in Turin: Die deutsche Fahnenträgerin bei diesen 20. Olympischen Winterspielen steuerte mit ihrem Sieg in der Verfolgung die einzige Goldmedaille der Biathletinnen zum Medaillenspiegel bei. Ein Triumph, der sie nebenbei zur erfolgreichsten Biathletin der Olympia-Geschichte machte. Den Grundstein zu diesem Erfolg hatte sie ein paar Tage zuvor mit ihrem zweiten Platz (und somit der Silbermedaille) im Sprint gelegt. Mit der Staffel kam noch eine weitere Silbermedaille hinzu.


Platz 5: Gunda Niemann-Stirnemann (Eisschnelllauf; 3/4/1)


Die Geschichte der Gunda Niemann-Stirnemann ist zunächst einmal eine Geschichte vieler Namen: Unter ihrem Mädchennamen Kleemann feierte sie ihre ersten Erfolge. Mit dem Namen ihres ersten Mannes, Niemann, wurde sie 1992 Doppelolympiasiegerin im Eisschnelllauf über 3.000 und 5.000 Meter. Hinzu kam Silber über 1.500 Meter.

Zwei Jahre später in Lillehammer wurde sie – immer noch als Gunda Niemann – ihrer Favoritenrolle nicht gerecht und gewann „nur“ Silber über 5.000 und Bronze über 1.500 Meter. Auf ihrer Paradestrecke, den 3.000 Metern, stürzte sie.

In Nagano 1998 zeigte sie sich jedoch noch einmal in Hochform. Bei ihren letzten Olympischen Spielen holte die Erfurterin Gold über 3.000 Meter (vor ihren Landsfrauen Claudia Pechstein und Anni Friesinger) und Silber über 1.500 und 5.000 Meter. Mittlerweile hatte ihr Nachname übrigens Zuwachs bekommen: Nach der Scheidung ihres ersten Mannes wollte sie den Namen „Niemann“, unter dem sie weltweite Bekanntheit erlangt hatte, nicht mehr ablegen, und entschied sich für die ungewöhnliche Lösung, den Nachnamen des Ex-Mannes mit dem des neuen Ehemannes, Stirnemann, zu kombinieren. Heraus kam die mittlerweile geläufige Konstruktion Gunda Niemann-Stirnemann. Sie ist heute Eisschnelllauf-Expertin beim ZDF.

Platz 4: Karin Enke (Eisschnelllauf; 3/4/1)


Die Parallelen zwischen Platz 4 und 5 unseres Rankings könnten kaum größer sein: In beiden Fällen handelt es sich um in der DDR geborene Eisschnellläuferinnen mit exakt der gleichen Olympiabilanz und der gleichen „Vorliebe“ für Namenswechsel. Einzig die Tatsache, dass Karin Enke ihre Karriere bereits beendet hatte, als Gunda Niemann-Stirnemann auf der internationalen Bildfläche auftauchte.

Bereits im Alter von 18 Jahren gewann die Dresdnerin Karin Enke in Lake Placid ihr erstes Olympia-Gold über 500 Meter. Ihr größtes Jahr war jedoch 1984: Frisch geschieden – sie hatte vorübergehend Karin Busch-Enke geheißen – gewann sie nun unter dem Namen Karin Kania in Sarajevo Gold über die 1.000 und 1.500 Meter. Hinzu kamen zweite Plätze über 500 und 3.000 Meter – eine Allround-Leistung, wie sie angesichts der Spezialisierung im modernen Eisschnelllauf heute kaum mehr zu wiederholen ist.

1988 zum Karriereausklang gewann Kania in Calgary dann noch dreimal Edelmetall: Silber über 1.000 und 1.500 Meter sowie Bronze über 500 Meter. Nach den Spielen und dem Karriereende folgte der bis zum heutigen Tag letzte Namenswechsel: Nun heißt sie Karin Enke-Richter.

Platz 3: Sven Fischer (Biathlon; 4/2/2)


Konstanter geht es kaum: Vier Mal nahm Sven Fischer an Olympischen Spielen teil, nie kam er mit leeren Händen heim. Zwar musste er bis zu seinem 35. Lebensjahr warten, ehe das ersehnte Einzel-Gold in Turin 2006 um seinen Hals baumelte, doch die drei Staffel-Siege aus den Jahren 1994, 1998 und ebenfalls 2006 werden ihm das Warten erleichtert haben. Hinzu kommen je zwei Silbermedaillen (2002, Sprint und Staffel) und Bronzemedaillen (1994, Einzel und 2006, Verfolgung).

Angesichts einer solchen Olympiabilanz treten die WM-Ergebnisse fast in den Hintergrund. Zu Unrecht. Von 1993 bis 2007 bei jeder WM dabei, trat Fischer auch hier die Heimreise fast immer mit ein paar hundert Gramm Extra-Gewicht an. Lediglich bei der WM 1994 im kanadischen Canmore ging Fischer leer aus – was bei einer Bilanz von 7 Gold-, 6 Silber- und 7 Bronzemedaillen zu verschmerzen sein dürfte. Fischer ist heute Biathlon-Experte beim ZDF.

Platz 2: Ricco Groß (Biathlon; 4/3/1)


Ricco Groß, Deutschlands erfolgreichster männlicher Winterolympionike, war bei Olympischen Spielen DER Garant für Staffel-Siege: Als Deutschland 1992 erstmals überhaupt in der Mannschaft triumphieren konnte, war Ricco Groß ebenso Bestandteil des Teams wie bei den Siegen 1994, 1998 und 2006. Seine größte Qualität: Als einer der besten Schützen im Feld war auf ihn bei den Psychoduellen am Schießstand stets Verlass. Weitere 5 WM-Titel im Team belegen das (plus vier weitere als Solist).

Zu Groß‘ Erfolgen mit der Staffel gesellen sich bei Olympischen Spielen zudem noch drei Medaillen als Solist: 1992 und 1994 Silber im Sprint, 2002 Bronze in der Verfolgung. Bleibt beim Blick auf die Statistik nur zu hoffen, dass eine deutsche Männerstaffel auch ohne Ricco Groß zu Großem fähig ist: 2007 hat er nämlich seine Karriere beendet. Groß arbeitet heute als Biathlon-Experte für die ARD.

Platz 1: Claudia Pechstein (Eisschnelllauf; 5/2/2)


Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin ist derzeit in aller Munde. Dabei steht als ihre beste Saisonplatzierung gerade mal ein 13. Rang in einem Weltcup-Rennen über 3.000 Meter zu Buche. Ihre aktuelle Medienpräsenz „verdankt“ die Berlinerin Fragen wie „Hat sie nun oder hat sie nicht“ und „Reichen die Zahlen, um sie als Dopingsünderin zu verurteilen“?

Der Fall Claudia Pechstein ist eine Art Präzedenzfall und richtungsweisend für die Akzeptanz des indirekten Dopingnachweises in der Sportwelt. Vor diesem Hintergrund mögen ihre Erfolge, die sie zur fünftgrößten Medaillensammlerin in der Gesichte Olympischer Winterspiele gemacht haben, verblassen bzw. ihr Wert in Frage gestellt werden. Doch zugleich kann man auch fragen: Was, wenn ein anderer, heute noch gefeierter Sportstar XY morgen positiv getestet wird? Müsste man dann nicht jede so genannte „Sportlegende“ unter Generalverdacht stellen? Eine Frage, die kaum zu beantworten ist. Bei einem Rückblick wie diesem hier kann man jedenfalls nur das zweifelsfrei bewerten, was die Ergebnistafel anzeigt. Und das ist durchaus eindrucksvoll.

Wie die bereits erwähnte Karin Enke, war auch Claudia Pechstein eine echte Frühstarterin: erste Olympiateilnahme 1992 in Albertville, erstes Edelmetall 1992 in Albertville (Bronze über 5.000 Meter). Über die gleiche Distanz, auf der sie auf Jahre bei Großereignissen quasi unschlagbar sein sollte, gewann Pechstein zwei Jahre später ihr erstes Olympia-Gold. Sie verteidigte diesen Titel, jeweils in neuer Weltrekordzeit, bei den Spielen von Nagano 1998 und Salt Lake City 2002 (wo sie auch über 3.000 Meter triumphieren konnte). Lediglich 2006 in Turin musste sie sich auf ihrer Paradestrecke der Kanadierin Clara Hughes geschlagen geben. Dafür gab es an der Seite von Anni Friesinger, Daniela Anschütz-Thoms, Lucille Opitz und Sabine Völker Gold im neu geschaffenen Team-Wettbewerb.

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