Die größten Sportskandale Teil 2 picture alliance

Die größten Sportskandale Teil 2

  • Marco Heibel
Die netzathleten drehen das Rad der Zeit noch einmal zurück und erinnern an weitere Sportskandale. Mit dabei sind u.a. ein Mann, der um Haaresbreite an seinem Traumjob vorbeigeschrammt ist, und ein Boxer, der sich im Kampf etwas zu sehr in seinen Gegner verbissen hatte.

Wie schon im ersten Teil, handelt es sich auch beim zweiten Teil der größten Sportskandale nicht um ein Ranking im eigentlichen Sinne. Die netzathleten-Redaktion hat sich nach langen Diskussionen und unter Abwägung zahlreicher Kriterien auf insgesamt zehn Skandale festgelegt, an die in umgekehrter Chronologie erinnert wird. Hier folgen nun die fünf auserwählten Aufreger, die schon etwas länger zurückliegen.

2000 Um ein Haar Bundestrainer – Christoph Daum’s Koksaffäre


Im Sommer 2000 liegt der deutsche Fußball nach dem Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft am Boden. Bundestrainer Erich Ribbeck muss gehen, Christoph Daum wird von den Medien und vom DFB zum Top-Kandidaten auserkoren. Daum, sein Verein Bayer Leverkusen und der DFB einigen sich auch tatsächlich auf eine Zusammenarbeit – allerdings unter der Bedingung, dass Daum die schon laufende Saison noch mit seinem Club zu Ende spielt. So lange soll Rudi Völler als Interimscoach übernehmen. Alles scheint geklärt.



Im Oktober 2000 überschlagen sich dann jedoch die Ereignisse. Bayern-Manager Uli Hoeneß, seit den späten 80ern Daums Intimfeind, spielt in einem Interview auf in der Branche kursierende Drogengerüchte um den designierten Bundestrainer („verschnupfter Daum“) an.

Eine Lawine kommt ins Rollen. Auf der einen Seite Hasstiraden in den Zeitungen und Stadien gegen Hoeneß, auf den anderen Seite breite Sympathiebekundungen für Daum. Dieser muss zwar eigentlich keinen Beweis für seine Unschuld erbringen, stellt sich aber dennoch einer Haarprobe. Bis heute legendär bis tragikomisch ist Daums Wortwahl nach dem Drogentest auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz: „Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.“ Wenige Tage später kommt dann ans Licht, womit niemand – und dem Vernehmen nach noch nicht einmal Daum selbst – gerechnet hatte: Die Haarprobe ist positiv auf Kokain.

 

Leverkusen entlässt Daum umgehend, der DFB erklärt den Vertrag mit Daum für ungültig. Dies verwundert nicht, engagiert sich der Verband doch für die Kampagne „Keine Macht den Drogen“. Uli Hoeneß ist rehabilitiert, und Rudi Völler führt die Nationalmannschaft an Stelle Daums 2002 ins WM-Finale.

Daum seinerseits flieht nach Florida, wo er eine zweite Haarprobe vornehmen lässt (Befund übrigens negativ). Er kehrt Anfang 2001 aus den USA zurück und gesteht auf einer Pressekonferenz freimütig ein, dass die Haarprobe „keine gute Idee“ gewesen sei. Über die Stationen Österreich und Türkei kehrt Christoph Daum 2006 wieder vorübergehend in die Bundesliga zurück. Daums Drogenvergangenheit ist spätestens seitdem Schnee von gestern.


 

„Iron Mike“ Tyson war eine Ausnahmeerscheinung des Boxsports und einer der spektakulärsten und bestbezahlten Sportler der 80er und 90er. 1986 wurde der für seinen Punch gleichermaßen gefürchtete und bewunderte Tyson im Alter von 20 Jahren jüngster Box-Weltmeister aller Zeiten.

Sein Weg war jedoch nicht nur gepflastert von Triumphen, sondern auch von zahlreichen privaten und sportlichen Skandalen. 1992 wurde Tyson wegen Vergewaltigung zu 10 Jahren Haft verurteilt, jedoch bereits nach 3 Jahren wegen guter Führung wieder entlassen. 1996 gewann Tyson nach einem halben Jahr in Freiheit bereits wieder die Schwergewichtsweltmeisterschaft.

Im November 1996 kam es dann zum Duell mit Evander Holyfield, auf den er eigentlich bereits vor seiner Haftstrafe hätte treffen sollen. Tyson ging als haushoher Favorit in den Kampf. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass Holyfield Tyson in ernsthafte Bedrängnis bringen konnte. Kein Wunder, hatte dieser doch in seinen vier vorherigen Kämpfen insgesamt nur acht Runden im Ring gestanden. Tyson fehlte gegen einen starken Gegner schlicht die Wettkampfpraxis. So kam es, dass der Ringrichter den Kampf in der 11. Runde wegen drückender Überlegenheit Holyfields abbrach.

Mike Tyson war enttrohnt, aber der Rückkampf war schnell in trockenen Tüchern. Am 28. Juni 1997 wollte „Iron Mike” sich seinen Titel in Las Vegas zurückholen, doch der Kampf markierte im Nachhinein das endgültige Ende einer Ära im Boxsport. Abermals erwies sich Holyfield schnell als der bessere Boxer. Bereits in Runde 3 schien Tyson mit seinem Box-Latein am Ende; er biss Holyfield in einem Infight ein Stück des rechten Ohres ab und wurde disqualifiziert.

Seitdem ging es mit Tyson immer weiter bergab: zwischenzeitlicher Entzug der Boxlizenz, Verletzungen, eine weitere Haftstrafe und mehrere letztlich erfolglose Comeback-Versuche pflasterten seinen Weg bis zum heutigen Tage. In Erinnerung geblieben ist jedoch vor allem seine Biss-Attacke gegen Evander Holyfield.

 


Für die Boulevardpresse war das Duell Tonya Harding vs. Nancy Kerrigan ein gefundenes Fressen. Auf einmal hatte sie wieder eine „Die Schöne und das Biest”-Geschichte. Auf der einen Seite der schöne und werbewirksame US-Eiskunstlaufstar Nancy Kerrigan, auf der anderen Seite ihre eher kratzbürstige Rivalin aus dem eigenen Lager, Tonya Harding. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Im Vorfeld der US-Meisterschaften (und Olympia-Qualifikation) im Eiskunstlauf 1994 wurde Favoritin Nancy Kerrigan von einem gewissen Shane Stant mit einer Eisenstange attackiert und am Knie verletzt. Sie musste ihre Teilnahme an den Titelkämpfen absagen. Ihre Rivalin Tonya Harding profitierte von diesem Umstand und qualifizierte sich souverän für die Olympischen Spiele.

Kurz nach den Meisterschaften wurde bekannt, dass Hardings damaliger Ehemann Jeff Gillooly Stant mit dem Angriff beauftragt hatte. Kurios: Obwohl eigentlich alle Fakten die Schuld des Harding-Clans belegten, zog sich der Urteilsspruch bis in den März hinein. Harding durfte also trotz erheblicher Proteste an den Olympischen Spielen in Lillehammer teilnehmen, wo sie Achte wurde. Nach den Spielen wurde sie zu drei Jahren Haft auf Bewährung und 160.000 Dollar Strafe verurteilt.

Mittlerweile ist Harding übrigens Boxerin und Gelegenheits-Catcherin. Irgendwie muss sie das bereits 1994 im Blut gehabt haben... Versöhnlich: Kerrigan wurde vom amerikanischen Olympiakomitee auch ohne eine Top-3-Platzierung bei den nationalen Meisterschaften für Lillehammer nominiert und gewann Silber.


Zu Zeiten eines Usain Bolt ist es fast zu einer Inflation der so genannten „Jahrhundertläufe“ gekommen. Bis vor ein paar Jahren waren sie jedoch noch deutlich seltener. Der wahrscheinlich erste Lauf, der diesen Namen verdient hat, war der des Kanadiers Ben Johnson bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul 1988. Johnson gewann nicht nur Gold, sondern verbesserte im Finale auch seinen eigenen Weltrekord auf sagenhafte 9,79 Sekunden – und das mit erhobenem Arm auf den letzten Metern. Wissenschaftler errechneten Jahre später, dass Johnson voraussichtlich eine Zeit von 9,75 erreicht hätte, wenn er durchgesprintet wäre. Gewisse Parallelen zum Austrudeln des Usain Bolt anno 2008 tun sich auf.

Die Sportwelt war zwei Tage lang verzaubert, Zeuge dieses Laufs in eine neue Dimension geworden zu sein, bei dem Johnson den großen Carl Lewis um 14 Hundertstel Sekunden distanzieren konnte. Doch beinahe so schnell wie Johnson gesprintet war, war das Märchen auch schon wieder beendet: Dem Kanadier wurde Steroid-Doping nachgewiesen. Goldmedaille, Weltrekorde und Reputation waren futsch. Im Nachhinein gab Johnson zu, bereits seit 1981 zu Dopingmitteln gegriffen zu haben. Seine Comeback-Versuche nach abgesessener Sperre scheiterten. So wurde Johnson 1992 in Barcelona Letzter seines Halbfinallaufs. Ein Jahr später wurde er erneut positiv getestet und als Wiederholungstäter lebenslang gesperrt.


Auch die Fußball-Bundesliga ist nicht frei von Skandalen. Waren es im Falle Robert Hoyzer im Jahr 2005 und beim ganz aktuellen – in seinen Ausmaßen noch nicht abzuschätzenden – Skandal Wettpaten, die die Strippen zogen, so hatten beim großen Bundesliga-Skandal 1970/71 noch Vereinsvertreter und Spieler die Fäden in der Hand.

Aufgedeckt wurde die Affäre durch den damaligen Vereinspräsidenten von Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas. Dieser erhielt im Frühjahr 1971 einen Anruf vom Kölner Torhüter Manfred Manglitz, welcher drohte, gegen die Offenbacher Konkurrenten im Abstiegskampf einfach ein paar Bälle mehr rein zu lassen – es sei denn, Canellas würde ihm 25.000 Mark zahlen.

Canellas bezahlte, ging der Sache aber weiter nach. Anhand von Tonbandmitschnitten konnte er dokumentieren, dass vor allem Arminia Bielefeld und Rot-Weiß-Oberhausen über Wochen erhebliche Summen an gegnerische Spieler zahlten, um ihren Klassenerhalt zu sichern. Doch die Spirale nahm weiter an Fahrt auf. Mehrere Spieler, die gemerkt haben, dass sie sich ein Zubrot verdienen können, begannen ihrerseits Vereine zu erpressen (s. Manglitz).

An die Öffentlichkeit ging Canellas erst eine Woche nach Saisonende, nämlich auf der Feier zu seinem 50. Geburtstag. Im Beisein von Pressevertretern und der deutschen Fußball-Prominenz spielte Canellas seine Tonbänder vor. Die Party-Stimmung war anschließend logischerweise dahin.

Der DFB nahm in der Folge seine Ermittlungen auf. Erst 1973 wurden die endgültigen Urteile gefällt: Bielefeld und Offenbach wurde die Lizenz entzogen. Insgesamt 18 Spiele waren verschoben worden, zahlreichen Funktionären konnten Verstrickungen nachgewiesen werden. Rund 60 Spieler aus 10 Vereinen (darunter die Nationalspieler Reinhard „Stan” Libuda, Bernd Patzke, Manfred Manglitz und Klaus Fischer) haben vier- bis teilweise sechsstellige Summen angenommen, um sich je nach Wunsch des Auftraggebers mehr oder weniger reinzuhängen. Die meisten Spieler wurden zunächst lebenslang gesperrt, ihre Sperren jedoch meist nach einem oder zwei Jahren schon wieder aufgehoben.

Kritiker behaupten, dass damals viele Dinge unter den Teppich gekehrt wurden, um das Verfahren noch vor der Heim-WM ’74 abzuschließen – zu dem Preis, dass die Gerechtigkeit auf der Strecke geblieben ist. So stand am Ende Rot-Weiß Essen als der Dumme da: Nicht an den Manipulationen beteiligt, mussten sie in die 2. Liga absteigen, während die zahlungsfreudigen Oberhausener im Oberhaus bleiben durften.

Marco Heibel

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