Interview mit Sportdirektor Wolfgang Maier – Ziele des DSV im Olympiawinter netzathleten.de/Derk Hoberg

Interview mit Sportdirektor Wolfgang Maier – Ziele des DSV im Olympiawinter

  • Derk Hoberg
Am Ende zählt nur der Erfolg. Im Olympischen Winter ist dieser messbar an der Medaillen-Ausbeute des Verbandes. Der DSV nahm deshalb umfassende Änderungen in der Trainerstruktur vor. Die neuen Strukturen und die Ziele des DSV erläutert Sportdirektor Wolfgang Maier im netzathleten-Interview.

Weniger als einhundert Tage sind es noch, bis die Olympischen Spiele in Vancouver/Kanada beginnen. Der Deutsche Skiverband hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt, will dort insgesamt mindestens 15 Medaillen gewinnen. Das ist durchaus nicht zu hoch gegriffen, berücksichtigt man, dass zum DSV auch die Abteilungen Biathlon, Nordische Kombination, Skicross, Skispringen und Langlauf gehören.

Größtes Sorgenkind im DSV sind allerdings die alpinen Ski-Herren. Mit Felix Neureuther gibt es dort nur einen potentiellen Medaillenkandidaten im Slalom, in den Speed Disziplinen sieht es dagegen ganz düster aus. Nicht zuletzt deshalb krempelte der DSV vor der Saison die Strukturen im Trainerteam der Männermannschaft um und hofft, dass sich zukünftig wieder mehr Talente aus dem Nachwuchsbereich in der Weltspitze etablieren können.

Söldnermentalität im Trainerteam

Mit allen Mitteln versucht man beim DSV, aus der Krise herauszukommen. Wolfgang Maiers Ursachenforschung ergab, dass es in der Vergangenheit zu viele Grabenkämpfe im Trainerteam gab. Das soll sich nach Maiers Vorstellungen natürlich schleunigst ändern, die Aktiven sollen wieder im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Konkret geändert wurde, dass mehr deutsche Trainer als zuvor eingesetzt werden. Sportdirektor Maier erkannte eine zunehmende Söldner-Mentalität, die auch das Klima im Trainerteam, milde ausgedrückt, nicht unbedingt verbesserte. Seit dem Frühjahr ist Karl-Heinz „Charly“ Waibel neuer Cheftrainer der Herren. Viele Gespräche wurden geführt, neue Leistungsgruppen eingeteilt und ein Teamgeist beschworen, mit dessen Hilfe die DSV-Läufer in Zukunft auch wieder Topleistungen erzielen sollen.

Bei der WM 2011 sollen erste Erfolge kommen

Allen Verantwortlichen ist klar, dass dies nicht über Nacht geschehen kann und so wird auch gleich wieder auf die Euphoriebremse getreten. Perspektivisch soll gearbeitet werden, erste Erfolge dieses neuen Weges sollen sich bei der Weltmeisterschaft 2011 in Garmisch-Partenkirchen einstellen.

Beim Saisonopening des DSV befragten wir Wolfgang Maier zu den neuen Strukturen und der Nachwuchsarbeit:

netzathleten: Sie haben die frühere Struktur im Herren-Bereich kritisiert. Was hat Sie besonders gestört?
Wolfgang Maier: Ich habe schon immer versucht, also seit 1989, in das System beim Herrensport einzugreifen. Bei den Damen hatten wir schon immer eine gute Balance zwischen ausländischen und deutschen Trainern. Bei den Herren gab es fast nur ausländische Trainer, da gab es einfach keine Perspektive mehr. Ich versuche, das Verhältnis von deutschen und ausländischen Trainern wieder zu verschieben. Wir hatten gewissermaßen ein Söldnerproblem. Mein Ziel ist es, eine neue Struktur in unser Trainersystem zu bekommen. Zielgerichtetes Arbeiten muss im Vordergrund stehen. Entscheidend sind das Ausbildungskonzept und die Perspektive.


netzathleten: Liegt es nicht vielmehr an der Nachwuchsarbeit, dass der DSV so wenige Spitzenfahrer bei den Männern hat?
Wolfgang Maier: Nein, das glaube ich nicht. Es wurde der Fokus auf die falschen Werte gelegt. Man braucht konkrete Richtlinien. Man muss sich fragen: Was beinhaltet der Leistungssport? Man muss aus Vergangenheit und Gegenwart lernen, eine gewisse Stabilität drin lassen, aber trotzdem Dinge erneuern.

netzathleten: Sind nicht andere Nationen doch weiterentwickelt in der Nachwuchsarbeit? Kann man sich nicht von denen etwas abgucken?

Wolfgang Maier: Nein. Man schaut sich nichts ab. Und das müssen wir auch nicht. Wir sind in der Umsetzung schwach gewesen, aber vom Know-How her auf Augenhöhe, wenn nicht sogar besser als die anderen. Nicht umsonst kommen immer wieder ausländische Trainer an deutsche Hochschulen, um sich zu informieren und weiterzubilden. In Deutschland muss man sich einfach noch mehr mit dem Athleten auseinandersetzen. Ebenso müssen wir auch an die Athleten appellieren. Es kann nicht sein, dass der ganze Aufwand mit Trainer- und Serviceteam betrieben wird und unsere Fahrer dann auf Platz 600 der Weltrangliste stehen. Wenn ein Athlet etwas will, dann muss er auch etwas dafür tun.

netzathleten: Wo liegt dann der Vorteil der anderen Nationen?

Wolfgang Maier: In der Schweiz und Österreich hat der Wintersport ein ganz anderes Standing. Da steht der Staat auch richtig massiv dahinter, nicht so wie in Deutschland. Da fließt mehr Geld, dementsprechend kann viel einfacher investiert werden. Hier müssen wir fast um jeden Euro feilschen.

netzathleten: Gesteht der DSV auch Fehler ein?

Wolfgang Maier: Natürlich. Wir haben das auch nie wegdiskutiert, obwohl ich zu dieser Zeit nicht dafür verantwortlich war. Zu dieser Zeit stand ich auf der anderen Seite, war selbst Trainer. Jetzt müssen wir eine neue Generation mit neuen Werten, mit neuen Ansprüchen und auch mit dem Thema Leistungssport und was dieser beinhaltet, erziehen. Das ist mein roter Faden, den ich durchziehen will. Was in der Vergangenheit war, ist abgehakt. Aus ihr lernen ja, aber da sollen keine Schuldzuweisungen kommen, da kann man eh nix mehr dran ändern. Die Jungen müssen von Haus aus ihre Leistung bringen, dann kann man Forderungen an den Verband stellen. Die neue Generation braucht das Sieger-Gen, das möchte ich.

netzathleten: Inwieweit fließen denn neuere Trainingsmethoden, wie zum Beispiel Life-Kinetik, mit ins Mannschaftstraining ein?
Wolfgang Maier: So oft wie möglich. Seit 2007 arbeiten wir damit intensiv. Wir haben aber nicht alles umgestellt im Training. Man braucht eine gewisse Stabilität, auch wenn man das Training hin und wieder umkrempeln muss. Wenn man nichts erneuert, verändert man auch nichts, man muss auch andere Reize setzen.

netzathleten: Insgesamt wird es immer schwieriger, Trainingsmöglichkeiten für die Sommermonate zu finden. Der DSV trainiert seit mittlerweile 25 Jahren im Pitztal. Konnte man beobachten, wie der Gletscher abschmilzt?
Wolfgang Maier: Ja, der ist ungefähr nur noch die Hälfte von dem, was er mal war. Das ist schon schlimm. Das ist ehrlich beängstigend für die Zukunft, allerdings nicht nur für uns Skifahrer. Das wird allgemein einfach viel zu sehr unterschätzt. Wir sehen das hier, an manchen Stellen hat der Gletscher 15 bis 20 Meter an Eishöhe verloren. Mittlerweile gibt es Beschneiungssysteme auf 3000 Metern Höhe – absurd.

netzathleten: Herr Maier, vielen Dank für Ihre Sicht der Dinge. Wir hoffen, dass sich die Reformen auszahlen und wir in Zukunft auch wieder über Medaillen bei den Alpin-Herren jubeln dürfen.

Derk Hoberg und Nils Borgstedt

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