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Kommentar: Gewalt im Fußball ist nicht nur im Stadion ein Thema

  • Martin Imruck
Die Rolle der Sicherheit in deutschen Fußballstadien wurde in den vergangen Wochen und Monaten heiß diskutiert. Doch immer häufiger findet die Gewalt außerhalb der Spielstätten statt. Zu einem solchen Zwischenfall kam es beispielsweise vor dem Bundesligaspiel zwischen Greuther Fürth und Mainz 05 am vergangenen Wochenende.

Brisanz aufgrund der sportlichen Situation? Ein Derby mit konfliktbeladener Tradition? Weder noch. Die Voraussetzungen für ein solches Fiasko waren also wahrlich nicht gegeben. Es war das Aufeinandertreffen zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth, Tabellenletzter der Bundesliga (9 Punkte), und dem 1. FSV Mainz 05 (27 Punkte und Tabellenplatz 7).

Dennoch schafften es einige Anhänger zu verdeutlichen, dass sich die Gewalt aus dem Stadion auf Nebenschauplätze verlagert. Nicht immer sind es dabei zwei Fanlager die aufeinandertreffen. Konfrontationen zwischen Polizei und Fans werden scheinbar immer häufiger.

Vorgeschichte

Einige Anhänger von Mainz 05 waren bereits am Morgen nach Fürth gereist und trafen sich in einem Lokal in der Innenstadt. Gegen 11:30 ging bei der Polizei der Anruf eines Passanten ein, der eine Schlägerei zwischen Fürther und Mainzer Fußballfans beobachtete. Übereinstimmenden Berichten von Polizei und Medien zufolge, hatten rund 70 Fürther eine Gruppe von 20 Mainzern angegriffen. Die Polizei trennte die beiden Lager und nahm fünf Fürther und zwei Mainzer in Gewahrsam. Die Fahndung nach den restlichen Übeltätern wurde aufgenommen. Zwei Mainzer Fans sowie ein Passant trugen schwerwiegende Verletzungen davon. Aus Angst vor weiteren Übergriffen wurden Teile der Fürther Innenstadt abgeriegelt. Die Polizisten ließen keine der Anhänger mehr in die Stadt.

Sicherheitsmaßnahme wird zum Auslöser für Konflikt

Der Großteil der 600 Mainzer Anhänger, die gegen Mittag mit dem Zug in Fürth ankamen, wurde am Bahnsteig von einem gewaltigen Polizeiaufgebot empfangen und zur Bushaltestelle gebracht, an der die Shuttle-Busse zum Stadion abfuhren. Die Unterführung des kleinen Bahnhofes kam einem Hochsicherheitstrakt gleich. Überall befanden sich Polizisten in kompletter Montur und teils mit nervösen Hunden an ihrer Seite. Nicht nur die Fans, sondern jeder Passant, der an diesem Mittag durch den Bahnhof ging, wird die Blicke der Polizisten auf sich gespürt haben. Ein unangenehmes und alarmierendes Gefühl.

An der Bushaltestelle wurden die friedlichen Fans vor einem Bus eingekesselt. Von mehreren Seiten richteten die Beamten Kameras auf die Fans. Üblicherweise haben die Auswärtsfans die Gelegenheit mit einer Polizeieskorte zum Stadion zu laufen. Aufgrund der Vorfälle in der Innenstadt ließen die Polizisten dieses Mal keine Fans aus der Traube. Das Manko: Niemand klärte die Fans über die Gründe für diese Maßnahme auf. Dabei wären sie durchaus nachvollziehbaren gewesen. Stattdessen machten sie den Fans lediglich deutlich, dass sie entweder in den Bus steigen oder sich wieder auf die Heimreise begeben könnten.

Da die Fans von der Polizei nicht aufgeklärt wurden, machte sich Unverständnis und Unmut breit. Gegen ihren Willen ließen sich alle Anhänger in den Bus quetschen. In einer Kurve, in der der Bus zum Stehen kam, öffneten einige Fans die Türen und versuchten zu flüchten. Die Polizisten stürmten ebenfalls aus ihren Wägen und drängten die Anhänger entschieden, teilweise auch gewaltsam zurück in den Bus. Der Unmut der Fans stieg verständlicherweise. Doch die wahre Pein begann erst jetzt.

In Schrittgeschwindigkeit und mit einer Polizeieskorte neben dem Bus ging es weiter Richtung Stadion. Mittlerweile war auch ein Fernsehteam vor Ort. Wie eine öffentliche Vorführung von Strafgefangenen verlief die restliche Fahrt zum Stadion. Als die Fans am Stadion ankamen, waren über eineinhalb Stunden seit der Ankunft vergangen. Die Busfahrt zur Spielstätte dauert normal nicht länger als 15 Minuten.

Kommunikation statt Konfrontation

Nach den zweimonatigen Verhandlungen über das neue Sicherheitskonzept der Deutschen Fußballliga (DFL) und erneut aufkommenden Verstößen mehrere Fanszenen, offenbarte sich in Fürth eine weitere Problematik.

Die Gewalt in deutschen Stadien ist nicht so hoch, wie es die Berichterstattung häufig darstellt und es ist auch nicht so, dass die Sicherheit von Menschen auf dem Spiel steht – sieht man einmal von Pyro-Aktionen ab. Die wahren Probleme beginnen bereits vor dem Spiel in den Städten selbst. Dort sehen sich Fans, Anhänger und Interessierte oder wie auch immer man die Menschen nennen möchte, die am Wochenende in Scharen in die Stadien strömen, um ihre Mannschaft spielen zu sehen, immer häufiger dem Konfrontationsdrang der Polizei ausgesetzt.

Probleme werden nicht offen angesprochen und mitgeteilt, sondern ohne Begründung mit aller Macht durchgeboxt. Das aufbrausende und teilweise arrogante Verhalten der Gesetzeshüter, aber auch die unnötigen und unüberlegten Reaktionen von Teilen der Fanszene lassen befürchten, dass die Häufigkeit der Vorfälle sich nicht mindern wird.

Polizei muss Verhaltensweise ändern

Um die bestehende Spannung zwischen Fans und Polizei zu lindern, müsste die Polizei den ersten Schritt machen, denn der Umgang mit den Anhängern ist in dieser Form nicht akzeptabel. Dass diese aufgezwängten Maßnahmen vermehrt auf Gegenwehr stoßen, ist sogar in einem gewissen Rahmen verständlich. Schließlich möchte sich kein Mensch, egal ob Fan oder nicht Fan, egal ob Ultra oder nur Sympathisant von der Polizei wie ein Schwerverbrecher behandeln lassen.

Wenn sich solche Maßnahmen einbürgern, muss man sich als Liebhaber des Fußball mehr Sorgen um die Sportart mit einer aktiven Fanszene in Gänze machen, als um die vieldiskutierte und übermäßig dramatisierte Sicherheit in den deutschen Stadien. Wie zu vernehmen war, werden einige Mainzer Fans in Zukunft auf Auswärtsfahrten verzichten. Ein Umstand, der nicht im Interesse der Beteiligten sein kann.

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