Dekompressionserkrankung beim Tauchen Markus Klingenberg

Dekompressionserkrankung beim Tauchen

  • Christian Riedel
Tauchen ist ein faszinierender Sport. Er ist aber auch nicht ohne Risiko. Neben ungünstigen Strömungen, gefährlichen Tieren oder Orientierungsschwierigkeiten, ist es besonders der Wasserdruck, der schon so manchen Taucher ins Krankenhaus gebracht hat. Besonders gefährlich ist die Dekompressionskrankheit.

Der Reiz der Tiefe


Urlaub heißt für viele Sommer, Sonne, Strand und Meer. Dazu gehört ausschlafen, braun werden und entspannen. Doch immer mehr Urlauber möchten nicht nur das Buffet oder die Strandbar erkunden, sondern auch die Welt unter Wasser entdecken. In vielen Urlaubsgebieten eröffnen sich wahre Wunderwelten. Die Anzahl der Lebewesen unter Wasser, deren Vielfalt und Farbenpracht übersteigt bei Weitem die an Land lebenden Tierarten.

In seinen Anfangszeiten, zu Beginn des letzten Jahrhunderts, zählte Tauchen noch zu den Extremsportarten. Nach und nach entwickelte sich das Tauchen zu einem Hobby, das von Männern, Frauen und Kindern gleichermaßen einfach und schnell erlernt werden kann. Jedes Jahr wächst die Zahl der schon über 10 Millionen ausgebildeten Taucher weltweit um ca. 500.000 Personen an. Doch der Sport ist nicht ohne Risiko.

„Spätestens im Rahmen des Grundtauchscheins lernen die Taucher etwas über Taucherkrankheiten, meistens über die Dekompressionserkrankung“, erklärt Sport- und Taucharzt Dr. Markus Klingenberg. „Wie der Name es schon vermuten lässt, hat die Dekompressionserkrankung etwas mit dem Wasserdruck und der Auswirkung auf den Körper zu tun. Denn wer zu schnell auftaucht, riskiert seine Gesundheit.“

Die Sache mit der Kohlensäure


„Jeder weiß was passiert, wenn man eine Flasche mit einem kohlensäurehaltigen Getränk schüttelt und dann öffnet“, sagt Dr. Klingenberg. „Es entsteht zunächst Druck, der durch das Öffnen der Flasche entweichen kann. In dem zuvor stillen Wasser entstehen auf einmal viele kleine Blasen. Ähnlich verhält es sich in unserem Blut, wenn wir nach einem Tauchgang zu schnell auftauchen und damit den Druck senken.“

Unsere Umgebungsluft besteht vor allem aus den Elementen Stickstoff (ca. 78 Prozent) und Sauerstoff (ca. 21 Prozent). Der verschwindend geringe Anteil an Edelgasen (ca. 1 Prozent) spielt dabei kaum eine Rolle. Jetzt wird Sauerstoff vom Körper gebunden, durch die roten Blutkörperchen transportiert und bei hohem Druck auch im Blut gelöst. „Dieser Sauerstoff wird bekanntermaßen vom Organismus „verbraucht“ und dabei in Kohlendioxid abgebaut, das über die Lunge abgeatmet wird“, erklärt der Sportmediziner. „Der Stickstoff verhält sich ‘inert‘, was bedeutet, dass er im Blut transportiert wird, sich in Geweben ansammelt, aber nicht verbraucht wird. Beim Tauchen sättigt sich der Körper mit der Zeit, der Stickstoff wird in den verschiedenen Organen eingelagert. Ein Problem stellt das in unserem Nervensystem dar, weil er dort ab einem gewissen Druck und damit ab einer bestimmten Tiefe zu einem rauschähnlichen Zustand führen kann – dem Tiefenrausch. Doch das ist ein anderes Thema.“

Für die Dekompressionserkrankung ist der im Blut gelöste Stickstoff entscheidend, der bei zu schnellem Druckabfall wie bei einer Flasche mit einem kohlensäurehaltigen Getränk ausperlt und viele kleine Blasen bildet. „Diese können sich zu größeren Blasen zusammenschließen und dann Blutgefäße verschließen und damit zu Lähmungserscheinungen, Hautveränderungen, Gelenkschmerzen und Kribbeln führen“, sagt Dr. Klingenberg. „Das erklärt auch die vielfältigen möglichen Symptome einer Dekompressionserkrankung.“

Dekompressionserkrankung: Die Therapie


„Die einzige wirkungsvolle Therapie der Dekompressionserkrankung besteht in einer Rekompression, also dem erneuten gezielten Druckaufbau in einer entsprechenden Dekompressionskammer und gleichzeitiger Atmung von reinem Sauerstoff“, erklärt Hobbytaucher Klingenberg. „Diese Behandlung folgt festgelegten Schemata und ist weitestgehend standardisiert. In der Kammer können bei Bedarf auch weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden.“ Weiterhin sollte man dem Körper ausreichend Flüssigkeit zuführen, damit das Blut flüssig bleibt. Durch den erhöhten Druck verkleinern sich die Stickstoffblasen wieder und erleichtern den Blutfluss. Die Flüssigkeitszufuhr – ob als Getränk oder Infusion – verdünnt das Blut und das erhöhte Angebot von Sauerstoff in der Lunge bei Atmung von reinem Sauerstoff führt dazu, dass der Stickstoff besser abgeatmet werden kann.

Dekompressionserkrankung: Die Prävention


Aus der erfolgreichen Therapie mit Druck, Sauerstoff und Flüssigkeit ergeben sich auch schon die wichtigsten Präventionsmaßnahmen. „Vor einem Tauchgang sollte man je nach Umgebungsbedingungen 0,5-1,0 l Wasser oder ungesüßten Tee zusätzlich trinken“, empfiehlt Dr. Klingenberg. „Dass diese vorbeugende Maßnahme Erfolg hat, ist in mehreren Studien eindeutig belegt.“ Wenn man die Möglichkeit und die entsprechende Ausbildung absolviert hat, sollte man beim Tauchen ein Gasgemsich mit einem höheren Sauerstoffanteil („Nitrox“ oder „enriched Air“) nutzen. Meistens werden dabei Gemische mit 32-40 Prozent Sauerstoff verwendet. Befindet sich von Beginn an nämlich weniger Stickstoff im verwendeten Atemgas, sättigt sich der Körper auch nur langsamer damit an. „Um den Druck nicht zu groß werden zu lassen, sollte man vor allem die langsame Auftauchgeschwindigkeit beachten“, ergänzt Dr. Markus Klingenberg. „Genau wie beim langsamen Öffnen der Wasserflasche, kann man so auch im Körper ein „Übersprudeln“ verhindern.“

Die Zeit, die man sich fürs Auftauchen lassen sollte, hängt dabei von der Tiefe und der Tauchzeit ab. Je tiefer man war und je länger man taucht, desto mehr Stickstoff muss abtransportiert werden und desto mehr Zeit muss man sich fürs Auftauchen lassen. Zu beachten ist auch, dass die ersten 10m im Grunde die gefährlichste Strecke darstellen, da sich hier der Druck von 1 bar an der Oberfläche auf 2 bar in 10 m Tiefe verdoppelt (= 100 Prozent mehr Druck). Von 10m auf 20m ist es absolut zwar auch 1 bar mehr – von 2 bar (10m) auf 3 bar (20m), aber relativ nur eine Druckdifferenz von 50 Prozent.

Wie kann ich feststellen, ob ich gesundheitlich für das Tauchen geeignet bin?

Am Besten ist eine qualifizierte ärztliche Tauchtauglichkeitsuntersuchung nach den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM e.V.). Die Grundlage für die Tauchtauglichkeit ist ein umfassender Fragebogen gefolgt von gezielten Untersuchungen. Im Anschluss werden die individuellen Fragen besprochen und der Taucher erhält eine mehrsprachige und international anerkannte Bescheinigung. Die gesamte Untersuchung dauert je nach Umfang zwischen 30 und 45 Minuten. In Abhängigkeit von Vorerkrankungen und Lebensalter sollte diese Untersuchung alle 1-2 Jahre wiederholt werden.

Die Quintessenz


Tauchen ist ein einfach zu erlernender und faszinierende Sport, der bis ins hohe Lebensalter betrieben werden kann. Ausreichend Trinken vor dem Tauchgang und langsames Ab- und Auftauchen bietet zusammen mit der Verwendung von sauerstoffreichen Atemgasgemischen die beste Prävention vor einer Dekompressionserkrankung.


Zum Autor
Dr. Markus Klingenberg ist neben seiner Qualifikation als Tauchmediziner auch selber aktiver Taucher und als Dive Master und Assistant Instructor brevetiert. Seine praktischen Taucherfahrungen verknüpft mit dem medizinischen Fachwissen und kann auf diese Weise zahlreiche praktische Hinweise geben, die über die normale Tauchtauglichkeitsuntersuchung hinaus gehen.

Erfahrung in der Behandlung von Tauchunfällen vor Ort und in der Druckkammer hat Dr. Markus Klingenberg als Diving Medical Officer auf den Malediven und den Seychellen gesammelt.

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