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Studie mit Zwischen-Ergebnissen auf dem Deutschen Olympischen Sportärztekongress

Sportmedizin: Kopfbälle im Fußball – Risiko für das Gehirn?

  • Redaktion
Wenn sich vom 24. bis 26. Mai Hunderte Top-Sportmediziner und Wissenschaftler auf dem ersten Olympischen Sportärztekongress in Hamburg treffen, ist auch Prof. Dr. Claus Reinsberger dabei. Der Neurologe vom Sportmedizinischen Institut der Universität Paderborn leitet eine dreijährige Studie, die Auswirkungen von Kopfbällen auf die Gehirne von Fußballern untersucht.
Daran nehmen Sportler aus drei Profivereinen (u.a. Hamburger SV) teil. Mediziner aus sechs Zentren in Deutschland und der Schweiz sind an dem Projekt beteiligt. Bis 2020 werden zahlreiche klinisch-neurologische, neurophysiologische, neuropsychologische und kernspintomografische Daten ausgewertet. Zur Erfassung von Art, Häufigkeit und Mechanismen der Kopfbälle gibt es in allen Trainingseinheiten und Spielen der Saison Videobeobachtung und zum Teil auch eine Datenerfassung mit Beschleunigungssensoren. Diagnostizierte Gehirnerschütterungen werden getrennt von den Erschütterungen durch das Kopfballspiel bewertet.

„Insbesondere von Kopfbällen, die nicht zu Gehirnerschütterungen führen, wissen wir noch nicht sicher, ob sie auch langfristig das Gehirn schädigen“, sagt Reinsberger. Derzeit werde bei 50 Sportlern untersucht, wie oft sie köpfen und wie sie köpfen. Zusätzlich haben die Mediziner Videos aus der Bayern-Liga ausgewertet. Sie schauten sich über 11.500 Kopfbälle an und analysierten dabei, wie häufig Spieler im Match köpfen. Geguckt wurde: Aus welcher Position wird geköpft? Wie kommt der Ball auf? In welchem Winkel trifft er den Kopf?

Reinsberger und seine Kollegen unterscheiden zwischen Kopfbällen, die eine leichte Gehirnerschütterung hervorrufen und denen, durch die keine Symptome entstehen. Ersteres geschieht zumeist eher durch das Zusammenprallen zweier Spieler (Kopf-Kopf, Kopf-Ellenbogen) beim Kopfball-Duell und nicht durch den Kontakt zwischen Kopf und Ball. Wenn Gehirnerschütterungen nicht therapiert werden, könnten Langzeitfolgen für Gedächtnis, Augen, Reaktionsgeschwindigkeit oder Balance entstehen. Im schlimmsten Fall ist bei einem erneuten Kopftreffer sogar eine Behinderung oder der Tod möglich. Akut gefährlich sei hier also der harte, unerwartete Schlag auf den Kopf. Deshalb sei es auch wichtig, den Sportler aus dem Spiel zu nehmen. Komplizierter ist es beim zweiten Fall, wo es um die Summe vieler gezielter Kopfbälle geht. Reinsberger: „Klar ist jetzt schon, dass es Veränderungen und Anpassungserscheinungen des Gehirns dabei gibt.“

Auf den individuellen MRT-Bildern sehe man noch nichts, so der Mediziner. Allerdings gäbe es Anhaltspunkte nach wissenschaftlichen Untersuchungen, dass die Kommunikation zwischen bestimmten Gehirn-Teilen gestört werde. Dies heißt, dass das Gehirn sich anpasst.
Dabei kann die Kommunikation zwischen zwei Hirnregionen zum Beispiel durch einen synchronen Sauerstoffverbrauch und zeitgleiche Aktivität oder Inaktivität untersucht werden. Bei Gruppen-Effekten der Kopfball-Spieler konnte in einigen Gehirnteilen bereits eine veränderte synchrone Aktivierung und dadurch veränderte Kommunikation dieser Hirnregionen gezeigt werden, deren klinische Bedeutung jedoch noch nicht geklärt ist.

Bei immer wiederkehrenden Gehirnerschütterungen, kann eine chronisch traumatologische Enzephalotpathie (CTE) entstehen. Reinsberger: „Hier beobachten wir eine abnorme Proteinablagerung, die Schrumpfung von Gewebe, Einblutungen und Entzündungszeichen im Gehirn.“
Die Symptome seien ähnlich, wie bei einer Demenz. Dies wurde bislang zumeist bei American Football- und bei Eishockey-Spielern beobachtet.

Endgültige Ergebnisse gibt es in anderthalb Jahren. An dem Projekt unter der Leitung der Universität Paderborn arbeiten die Universitätsklinken Hamburg-Eppendorf, die Klinik für Neurologie in Zürich sowie die Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Regensburg mit. Dazu kommen die Forschungszentren Swiss Concussion Center in Zürich, die Medical School Hamburg, die Technische Universität München und das Martinos Center for Neuroimaging an der Harvard Medical School.

Der Deutsche Olympische Sportärztekongress wird veranstaltet von der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention.

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