Jeder muss wissen, wo er spielen will – Interview mit Christian Ziege Schillinger|Pankratz

Jeder muss wissen, wo er spielen will – Interview mit Christian Ziege

  • Christian Riedel
Junge Fußballer mit Migrationshintergrund müssen sich irgendwann einmal für eine Nation entscheiden, für dessen Nationalmannschaft sie spielen wollen. Sofern sie gut genug sind natürlich. U19-Trainer Christian Ziege kennt das Problem. Was der Jugendnationalspieler denkt und welchen Einfluss der DFB nimmt, erfährst Du im Interview.

netzathleten: Wir haben momentan eine Diskussion mit den Kulturen, dass Spieler mit Migrationshintergrund von anderen Nationen angesprochen werden, um in deren Teams zu spielen. Wie gehst Du damit bei der Nationalmannschaft um?
Christian Ziege:
Es gibt viele Leute, die versuchen Einfluss auf die Spieler zu nehmen. Aber ich denke jemand, der keinen Migrationshintergrund hat und der nur eine Nationalität in der Familie hat, kann das nicht wirklich nachvollziehen. Wenn ein Spieler einen türkischen Vater und eine deutsche Mutter hat und in Deutschland aufgewachsen ist, dessen Wurzeln aber in der Türkei liegen und dessen Kultur auch türkisch ist, dann ist es für den Spieler entsprechend schwierig, sich zu entscheiden. Das Wichtigste ist, dass der- oder diejenige selber wissen muss, was seine Kultur und welches sein Land ist, für das er spielen will.

netzathleten: Nehmt ihr beim DFB Einfluss auf diese Entscheidung?
Christian Ziege
: Diese Entscheidung muss jeder mit sich selber ausmachen. Ich finde nur fragwürdig, wenn du deine Nationalmannschaft danach auswählst, wo du die bessere Chance hast zu spielen oder wo du sagst, das ist für mein Image besser. Nationalmannschaft ist für mich etwas wo du sagst, das ist mein Land, das ist meine Kultur, das ist das, wo ich mich verbunden fühle. Und für dieses Land möchte ich spielen. Wenn jemand versucht, einen Spieler für ein anderes Land abzuwerben und der Spieler fühlt sich eigentlich da nicht wohl, beispielsweise als Türke für Deutschland oder als Deutscher mit Migrationshintergrund für die Türkei zu spielen, macht es für mich keinen Sinn, weil er es niemals mit hundertprozentiger Überzeugung machen wird.

netzathleten: Also ist das kein Thema bei den Jugend-Nationalmannschaften?
Christian Ziege:
Wir reden auf jeden Fall darüber, aber nehmen keinen Einfluss. Ich habe hier kürzlich erst zwei Gespräche geführt. Wo ich sage, von der Qualität her würde ich den Spieler gerne haben, aber es macht keinen Sinn, wenn der Junge in seinem Kopf die ganze Zeit ein Fragezeichen mit sich herum trägt, ob es richtig ist, was er macht oder ob er nicht besser für die Türkei, Griechenland oder Italien spielen würde. Aber diese Entscheidung muss jeder Spieler alleine nach seinem Empfinden treffen, ohne dass jemand versucht, den Spieler zu beeinflussen. Der Spieler muss dieses Gefühl entwickeln, ob er lieber für das Land spielen will, in dem er aufgewachsen ist oder lieber für das Land seiner Eltern, in dem seine Wurzeln liegen. Das ist im Verein anders. Hier kann man eben sagen: heute spiele ich für Bayern München und morgen für Dortmund. Das ist bei der Nationalität ein bisschen schwieriger. Aber für mich ist das schwer nachzuvollziehen, da ich eben nie vor dieser Entscheidung stand.

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