Medaille ist drin! - Interview mit Offensive-Trainer Jörn Maier AFVD

Medaille ist drin! - Interview mit Offensive-Trainer Jörn Maier

  • Maria Poursaiadi
In diesem Jahr geht Deutschland mit der ersten deutschen Damen-Nationalmannschaft im American Football an den Start. Großes Ziel: Eine Medaille bei der Weltmeisterschaft in Juni/Juli. Wie dieses Ziel erreicht werden soll und wie es bisher bei den Vorbereitungen aussieht, erzählt uns Offensive Coordinator Jörn Maier.

netzathleten: Jörn, Du bist der Trainer der neugegründeten Deutschen Frauen Football-Nationalmannschaft. Wie weit seid Ihr inzwischen mit der Aufstellung des Teams und wie viel Arbeit steht Euch da noch bevor?
Jörn: Nach umfangreichen Spielbeobachtungen während der Saison 2009 und einem Sichtungstag im Oktober, haben wir Ende März ein Nominierungscamp gehabt, um aus den verbliebenen 73 Spielerinnen einen Kader von 45 Personen zu selektieren. Das war eine große Herausforderung für mich als auch für die Damen, denn ich wollte für meine Auswahl keine halbherzigen Leistungen sehen und sie keine abgeben.

netzathleten: Du bist Offensive Coordinator. Was sind Deine konkreten Aufgaben in diesem Bereich?

Jörn: Als Offensive Coordinator bin ich für das Spielsystem unserer Offense verantwortlich. Ich denke mir nicht nur die Spielzüge aus, sondern sage auch in den Spielen den jeweils nächsten Spielzug an. Daneben bin ich aber auch noch für eine Position, nämlich das Herzstück unserer Offense, die Offensive Line, verantwortlich.

netzathleten: Auf welche Trainingsmethoden greifst Du zurück und welche Übungen müssen die Mädels bei Dir absolvieren?
Jörn: Neben den Team-Warm-Ups, die unser Athletik Trainer durchführt, werden die einzelnen Positionen der gesamten Mannschaft von individuellen Coaches betreut. Wir haben das Glück in der Frauen-Nationalmannschaft, dass wir insgesamt sieben hervorragende Coaches zur Verfügung haben und damit auf die individuellen Bedürfnisse der Spielerinnen und der Positionen eingehen können.

netzathleten: Wie behält man eigentlich bei einem Team von 45 Spielerinnen überhaupt den Überblick?
Jörn: Das mag tatsächlich auf den ersten Blick schwer wirken, aber dadurch, dass wir das Team in einen Angriff und eine Verteidigung aufteilen, bleibt für die beiden Coordinators nur noch die Hälfte der Spielerinnen übrig. Während meiner Zeit als College und NFL Europe Coach habe ich jedes Jahr eine große Anzahl von Spielern in meinen Teams gehabt und bin es gewohnt, mit vielen Namen umgehen zu müssen.

netzathleten: Deutschland räumt sich große Chancen bei der kommenden Weltmeisterschaft vom 27.6. – 04.07.2010 in Stockholm ein. Ihr sollt mindestens eine Medaille holen. Welche Chancen rechnest Du Dir aus?

Jörn: Grundsätzlich ist es erstmal eine Ehre und auch große Freude, mit der ersten deutschen Frauen-Nationalmannschaft im Football bei einer Weltmeisterschaft antreten zu dürfen. Natürlich fahren wir aber auch nach Stockholm, um das beste europäische Team zu werden. Das würde dann also mindestens eine Bronze-Medaille bedeuten. (An der WM nehmen 6 Mannschaften teil: USA, Kanada, Schweden, Finnland, Österreich, Deutschland; Anm. d. Red.) Und ich halte es durchaus für realistisch, dass wir unsere Gruppe gewinnen und dann im Finale sogar um den Titel spielen. Aber solange wir alle unsere beste Leistung abrufen, ist jedes Ergebnis gut.


netzathleten: Du hast sicher auch schon einen Blick auf die anderen Mannschaften geworfen. Wo habt Ihr leichtes Spiel und wer wird schwer zu knacken sein?

Jörn: Ich denke nicht, dass wir generell leichtes Spiel haben werden. Unsere beiden Vorrundengegner sind Schweden und Kanada. Und ich traue beiden Teams zu, dass sie Football spielen können. Außerdem spielen die Schwedinnen vor eigenem Publikum und die Kanadierinnen gehören offiziell zu den Favoritinnen. Wer bei einer Weltmeisterschaft antritt, der wird es keinem Gegner leicht machen. Wir unterschätzen daher kein Team. Aber ich denke ebenso, dass man auch uns nicht unterschätzen sollte.

netzathleten: Am Wochenende 27./28. März kam das Team erstmals zum Trainingscamp zusammen. Ist das nicht ein wenig knapp vor der Weltmeisterschaft?
Jörn: Klar, als verantwortlicher Coach würdest Du Dir immer mehr Zeit in der Vorbereitung wünschen. Aber wie ich bereits erwähnte, wir haben exzellente Coaches in der Frauen-Nationalmannschaft, und mit diesen wird es uns trotz aller Widrigkeiten gelingen, die Mannschaft bestmöglich auf die WM vorzubereiten.

netzathleten: Du hast einen recht bunten Haufen zu trainieren. Viele der Athletinnen kommen aus einem anderen Sport. Wie schwer ist es hier, System und Technik reinzubringen?
Jörn: Da muss ich gestehen, dass es gar nicht so schwer ist. Unsere Spielerinnen sind sehr interessiert und aufmerksam und dementsprechend sehr konzentriert bei der Sache. Im Unterschied zu Männern fragen sie sogar nach, wenn sie etwas nicht verstehen. Außerdem sprechen wir hier von Sportlerinnen, die sich alle dem gleichen Ziel verschrieben haben: Größtmöglichen Erfolg bei der WM zu erzielen. Die Arbeit wird aufgrund der Kürze der Zeit nicht leicht werden, aber ich bin mir sicher, dass die Spielerinnen alle hervorragend mitziehen werden.

netzathleten: Du blickst selbst auf langjährige Football-Erfahrung zurück. Was hast Du früher gemacht und wie bist Du Trainer geworden?

Jörn: Ich habe für heutige Verhältnisse erst spät mit American Football angefangen. Meinen ersten Kontakt hatte ich 1987 an der High School und habe mich dann in den darauf folgenden Jahren immer intensiver mit dem Sport beschäftigt. Nach einer Verletzung in einem Spiel habe ich den Entschluss gefasst, die Priorität auf eine Zukunft als Trainer und nicht als Spieler zu legen. So habe ich mich dann entschieden, meinen Lebensmittelpunkt in die USA zu verlegen und dort das Trainergeschäft von der Pike auf zu lernen. Seit 1995 arbeite ich bereits als Coach, über die Hälfte der Zeit in Vollzeit, mittlerweile allerdings nur noch nebenberuflich. Seit Ende letzten Jahres bin ich A-Lizenz Inhaber des American Football Verbandes Deutschland und damit auf der höchsten derzeit existierenden Ausbildungsstufe angekommen.

netzathleten: Was macht Dir an Deiner Aufgabe als Nationaltrainer der Damen Football-Nationalmannschaft am meisten Spaß?

Jörn: Ich liebe es einfach, mit leistungsorientierten Sportlerinnen und Sportlern zu arbeiten. Die Arbeit in einer Auswahlsituation ist besonders reizvoll, da die wenige Zeit ein ständiger Druckfaktor ist und die Sportlerinnen körperlich und mental größte Leistungen erbringen müssen, um in dieser kurzen Zeit optimal auf ein Turnier vorbereitet zu werden. Außerdem wird es allen Lehrern und Trainer wohl gleich gehen, wenn sie mit Menschen arbeiten dürfen, die Interesse und Bereitschaft mitbringen. Ich habe auf jeden Fall bisher feststellen dürfen, dass unsere Spielerinnen alle großes Interesse mitbringen und sehr lernbereit sind.

netzathleten: Wo siehst Du Euch am Ende der Saison?

Jörn: Ich sehe die Frauen-Nationalmannschaft auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Die ersten Schritte sind mühsam und teilweise wie Pionierarbeit, aber ich denke, dass diese Mannschaft dem Frauen-Football in Deutschland neue Impulse geben kann. Ich bin glücklich, dass ich ein Teil dieses Impulses bin. Mit dem Wunsch mehr und mehr Mädchen bereits im Kindes- und Jugendlichen-Alter an den Sport heranzuführen, traue ich dem Frauen-Football noch eine bedeutende Entwicklung zu.

netzathleten: Jörn, wir wünschen Dir und den Team alles Gute und drücken Euch für die WM ganz fest die Daumen!
Jörn: Danke dafür, dass ich unsere, gerade im Frauenbereich, immer noch exotische Sportart, bei Euch vorstellen durfte.

 

Das Interview führte Maria Poursaiadi.

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