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Superkompensation – Warum zu viel Training nichts bringt

  • Marco Heibel
Vermutlich jeder hat in seiner Schulzeit schon einmal von Sisyphos gehört. Der Held aus der griechischen Mythologie ist von den Göttern dazu verdonnert worden, eine Felskugel auf einen Berg zu bugsieren. Jedes Mal scheiterte er kurz vor dem Gipfel und unternahm postwendend den nächsten (vergeblichen) Versuch. Hätte der arme Sisyphos doch etwas vom Prinzip der Superkompensation verstanden…

Heute wissen wir nämlich, dass es für einen Leistungszuwachs nicht nur einen starken Trainingsreiz braucht, sondern auch eine entsprechende Erholungsphase. Aus diesem Grund spricht es zwar für Sisyphos‘ Trainingseifer, dass er sich nach jedem missglückten Versuch sofort wieder ans Werk gemacht hat. Doch ein Päuschen am Fuß des Berges hätte der Homerschen Sagenfigur nach sportwissenschaftlichen Erkenntnissen deutlich mehr genutzt.

Trainingsreiz setzen


Es wäre zu schön, wenn wir uns nur ein einziges Mal in Topform bringen müssten und dann ein Leben lang davon zehren könnten. Doch so einfach ist es leider nicht. Zum einen limitieren Gene und Alterungsprozesse unsere Leistungsfähigkeit auf natürlichem Wege. Zum anderen ist unser Körper darauf aus, mit seinen Ressourcen hauszuhalten und möglichst energiesparend über die Runden zu kommen. Logisch: Je weniger Energie er verbraucht, desto weniger muss er zu sich nehmen. Daher wird auch jede Kalorie, die er nicht verbrennt, als Notreserve in Form von Fett eingelagert.



Muskeln dagegen sind für den Körper absolute Energieschleudern, die bloß den täglichen Grundumsatz in die Höhe treiben. Wenn der Körper „merkt“, dass er sie nicht benötigt, bildet er sie wieder zurück. Wer seine Muskeln erhalten bzw. seine Leistung steigern will, muss seinen Körper daher immer wieder daran erinnern, dass sie benötigt werden. Das kannst Du erreichen, indem Du ungewohnt große Gewichte bewegst, ungewohnte Bewegungsabläufe absolvierst oder schneller läufst als üblich. Doch das ist nur Schritt 1 auf dem Weg zur Leistungsverbesserung.

Regeneration und Superkompensation


Mit dem Ende der Belastung leitet der Körper Reparaturmaßnahmen ein. Eine gewisse Muskelspannung oder ein leichter Muskelkater am nächsten Morgen sind Anzeichen dafür, dass der Organismus in einem überschaubaren Maße überlastet wurde. Das genügt, um den Körper nicht nur zur Wiederherstellung des Status quo, sondern sogar zu einer Verbesserung des Systems zu bewegen. Je nach Belastung werden so z.B. neue Mitochondrien in den Zellen gebildet, der Sauerstofftransport verbessert oder die Knochen und Sehnen gestärkt. Diesen Anpassungsprozess nennt man Superkompensation. Allerdings ist dieser Zustand – wie sollte es anders sein – vergänglich. Belastest Du Dich nach einem Training zu früh (s. Sisyphos) oder zu spät wieder (s. die meisten von uns), verpufft der Trainingseffekt. Im Idealfall passt Du genau den Moment ab, indem die Leistungskurve ihren vorläufigen Zenit erreicht hat. Trainierst Du über einen längeren Zeitraum genau dann, ist der Formzuwachs am größten.

Weitere Faktoren: Zu hartes Training, richtige Ernährung


Die ideale Dauer der Regenerationsphase hängt von zwei Faktoren ab: der Schwere der Belastung und der Gestaltung der Regenerationsphase. Heftiger Muskelkater spricht z.B. für eine deutliche Überforderung. Zwar wird auch hier das System verbessert, allerdings dauert dieser Prozess sehr lange. Solange die Reparaturmaßnahmen laufen, ist starkes Belasten der betroffenen Partien nicht ratsam, da dies die Regeneration nur herausschieben würde. Regelmäßiges Training ist hier nicht möglich, weswegen es auf die Dauer wenig Sinn macht, auf „Crash-Training“ zu setzen.

Du kannst die Regeneration dagegen beschleunigen, indem Du dem Körper „Baumaterial“ für die Reparatur lieferst. Unmittelbar nach einer intensiven Belastung sollten in fester oder flüssiger Form Kohlenhydrate und Proteine auf dem Speiseplan stehen. Auch lockere Ausdauerbelastungen im Rekom-Bereich (=Regeneration-Kompensation, etwa 50-60 Prozent der maximalen Herzfrequenz) können die Regeneration beschleunigen.

Eine letztere Schwierigkeit bleibt aber noch bestehen: das Abpassen des richtigen Moments für die nächste Belastung. Sofern Du nicht sportmedizinisch betreut wirst, können Dir hier nur Deine Erfahrung und Dein Körpergefühl weiter helfen. Klar ist nur: Wer Muskelkater hat, braucht noch eine Pause.

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