Der Fußball nimmt sich zu wichtig Siebert & Backs -- Alexander Nübel und Berater Stefan Backs
Interview mit Spielerberater Stefan Backs

Der Fußball nimmt sich zu wichtig

  • Frank Schneller / Medienmannschaft
Stefan Backs kennt sich in zwei Welten aus. Mindestens: Sport-Informations-Dienst (SID), Sport-Bild, SAT1. Das ist der journalistische Weg, den der 54-Jährige einst ging, ehe er – zunächst als Medienchef bei der Spielerberater-Agentur Rogon – auf der anderen Seite der Branche eincheckte. Im Interview spricht er über Medienstrategien für die meist jungen Profis.
Längst hat er sich vom Branchenriesen Roger Wittmanns losgesagt und seine eigene Agentur (‚Siebert&Backs’). Zu seinen Klienten zählen  – u.a. – der umworbene Schalker Keeper Alexander Nübel. Fußball- und Musik-Liebhaber Backs passt dabei so gar nicht in die Schublade, in der Vermittler und Berater meist landen. Er widerspricht den gängigen Agenten-Klischees und das erleben seine Spieler nicht zuletzt auch, wenn sie den Medienprofi Backs in Sachen Außendarstellung und PR konsultieren. In einem Interview mit dem Branchenmagazin SPORTJOURNALIST, geführt von Frank Schneller, wurde der Dortmunder nach seinen Medienstrategien für die – meist jungen – Profis, nach seinem Umgang mit den Ex-Kollegen und seinen Blick auf die Fußball-Szene gefragt. Verabredet hatten die beiden Gesprächspartner einen Dialog ohne doppelten Boden, also ohne die leider längst üblichen Korrekturschleifen und Änderungen. Wir erhalten die Möglichkeit, den Dialog ebenfalls zu veröffentlichen.

Herr Backs, wie hat sich die Medienlandschaft im Vergleich zu Ihren Reporter-Zeiten oder aber auch nur gegenüber dem letzten Jahrzehnt verändert?

Stefan Backs (lachend): Der Sportjournalismus ist viel athletischer geworden.

Bitte?

Schneller. Explosiver. Härter. Druckvoller, wenn man so will. Aber auch fehlerhafter. Die Bandbreite zwischen, sorry, Stümpern und Topjournalisten ist viel größer geworden. Ich war und bin sehr froh, Journalist gewesen zu sein in meiner Zeit, da ich daher aus eigener Erfahrung weiß, wie vergleichsweise einfach es damals noch war, diesem Beruf nachzugehen und vor allem auch nachhaltig zu arbeiten. Heute wundere ich mich über das oft devote Verhalten Ihrer Kollegen mir gegenüber, um an Spieler oder Infos heranzukommen. Aber noch viel mehr über die recht weit verbreitete Einfallslosigkeit. Viele Journalisten sind quasi fremdbestimmt und hecheln nur noch den immer gleichen Themen hinterher. Sportlich gute Themen werden oft gar nicht mehr erkannt, höchstens noch als Nischen-Inhalte eingestuft. Krach zählt, dabei sind es oft die leisten Töne, die schöner sind.

Ein Pauschalurteil?

Nein, darum ja mein Hinweis auf die große Bandbreite. Aber: Grundsätzlich hat sich die gesamte Branche dadurch verändert, dass das Medienaufkommen enorm gewachsen ist und der mediale Aspekt gerade für junge Spieler, wenn sie denn schon Profis sind, eine große Rolle spielt. Dies kann sie auch belasten, Stichwort ‚Druck’. Den spürt man auf beiden Seiten.

Stichwort Social Media. Sie haben sich als Privatperson bei Facebook abgemeldet, warum?

Mich hat der Umgangston und die oft unterirdische Streitkultur dort zunehmend Unbehagen bereitet. Ich erkannte keinen Mehrwert mehr darin. Darum dieser Schritt. Seitdem ist übrigens vieles entspannter.

Brauchen die Profis die Social Media-Kanäle nicht zur Positionierung? Zur Marktsteigerung? Und profitieren nicht auch Sie von vielen Klicks und Likes?

Warum? Wozu? Social Media verstellt den Blick auf die Realität. Die meisten Spieler fühlen sich, wenn sie viele Follower haben, schon als Top-Mann, aber das Grundlegende ist, was man auf dem Platz leistet. Dies vergessen manche einfach. Profifußballer werden letztlich doch für das beurteilt, was sie Woche für Woche auf dem Platz leisten. Social Media baut eine Kluft zwischen der Realität der Fans und der Realität der Profis auf. Dies ist ein sensibles Feld und man muss als Profi eben wissen, dass es eine Scheinwelt ist. Nicht mehr und nicht weniger. Sowohl die Profiwelt als auch die Social Media-Welt. Ich behaupte sogar: Social Media bringt den Profis überhaupt nichts, es sei denn, sie sind in extremen Krisensituationen, in der eine gezielte Außendarstellung sie wieder ins rechte Licht rückt. Abgesehen davon ist das alles ein schöner Schein und gut fürs Ego, wenn überhaupt.

Schulen Sie ihre Klienten medial, speziell in Sachen Social Media? Es werden sich ja nicht alle Ihre Jungs von Facebook abmelden oder bei Twitter ausklinken, nur weil Sie das getan haben ...

Ja, ich biete Medientraining oder Interview-Coaching an. Und zur zweiten Frage: Der Kunde ist König. Wenn ein Spieler sich auf den Social Media-Plattformen darstellen will, berate und unterstütze ich ihn dabei, gegebenenfalls lenke ich ihn. Ich achte aber darauf, dass der Output nicht zu abgehoben wird, nicht zu privat oder schrill.

Stefan Backs

Wie stehen Sie zu den Social Media- und sonstigen PR-Exkursionen Gündogans, Özils oder auch Cans – vor der WM und nun jüngst wieder?

Zunächst einmal: Ich war erstaunt, wie unprofessionell vor allem der DFB jeweils damit umgegangen ist. Meine persönliche Meinung, auch als ehemaliger Fußballer: Wer in Kauf nimmt, dass vor wichtigen sportlichen Ereignissen derart viel Unruhe ins eigene Team reinkommt, müsste rausgeworfen werden. Ohne Diskussion. Wer sich derart über die Gemeinschaft stellt, muss dafür Verantwortung übernehmen.

Offenkundig wurden diese Spieler auch schlecht beraten. Was hätten Sie ihnen gesagt?

Schuster, bleib bei deinen Leisten. Die Themen Politik und Religion sind extrem heikel, da kann man mit Stellungnahmen meist nur verlieren. Finger weg!

Aber sollen Sportler, noch dazu so prominente, nicht grundsätzlich auch Stellung beziehen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden? Natürlich erst recht dann, wenn sie wertvolle, also inhaltlich ‚gute’ Messages vermitteln wollen?

Der Sport schon. Klar. Seine Institutionen, Vordenker, Funktionäre. Aber nicht junge Sportler. Die Gefahr, instrumentalisiert oder gar inhaltlich missbraucht zu werden, ist viel zu groß. Zumal: Was ist denn eine gute Sache? Wer hat hier die Deutungshoheit? Letztlich gibt es doch in vielen Fragen nicht die eine, unantastbare Wahrheit.

Und wie stehen Sie dazu, was die Medien daraus gemacht haben?

Denen ist in diesem Fall kein Vorwurf zu machen. Die Spieler mussten damit rechnen und haben das Medienecho in Kauf genommen – provoziert sogar. Dann den Medien die Verantwortung zuzuschieben, ist billig. Die Mechanismen sind doch allen bekannt.

Sie selbst standen einst als Reporter mit dem Kugelschreiber und einem Block bzw. dem Diktiergerät, aber eben auch mit dem Mikrofon und einer TV-Kamera vor den Spielern. Was raten Sie ihren Klienten in Sachen Interviews, beispielsweise nach dem Spiel?

Mein oberstes Gebot: Authentisch bleiben. Nichts vorformulieren oder vorstanzen. Was raus muss, muss eben manchmal raus. Schablonen für alle Situationen oder Momente gibt’s doch eh nicht. Das sollten alle – auch die Vereine und die Sponsoren – relaxter sehen. Sich zu verstellen, wenn es um Emotionen, Gefühle und das gerade auf dem Spielfeld erlebte geht, geht schließlich zu Lasten der überall erwünschten oder gar eingeforderten Authentizität.

Bräuchten manchmal auch Familienangehörige Schulungen im Umgang mit der Öffentlichkeit?

Allerdings. Jeder, der im direkten Zusammenhang mit einem Prominenten an die Öffentlichkeit geht, muss wissen, was er bewirkt und auslöst. Heißt: Vorher Kopf einschalten – oder jemanden fragen, der sich mit so was auskennt.

Sie üben, auch hier, an Ihrer ehemaligen Zunft nicht selten Kritik. Berichten die Medien heute zu verantwortungslos?

Ich habe den Eindruck, oftmals ist die Devise: ‚Ich schreib das jetzt mal. Und dann mal sehen, was passiert.’ Viel zu selten wird daran gedacht, welche Stigmatisierung der Betroffenen, aber ja zudem auch ihrer Familien, das nach sich zieht. Was sich da manche Kinder von Fußballprofis in der Schule auszusetzen haben – das sollte nie vergessen werden. Falsche Darstellungen, Behauptungen oder verletzende Prädikate wieder rückgängig zu machen, ist bestenfalls sehr, sehr schwer für den Spieler, seine Angehörigen – und letztlich auch für uns Berater. Was erst mal wo stand, steht bei aller Schnelllebigkeit der Medien erst einmal.

Mussten Sie Spieler schon mal wegen schlechter oder über die Stränge schlagender Kritik trösten?

Häufiger, ja. Wenn einer beispielsweise als „größter Stinkstiefel“ tituliert wird, liegen die Nerven schon mal blank und es hat weitreichende Konsequenzen – nochmals: eben auch für die Angehörigen des Betroffenen!

Unterliegt der Umgang zwischen Medien und Fußballprofis einer latenten Neid-Gefahr?

Ich möchte weder in Richtung Unterstellungen abdriften noch es pauschal ausschließen.

Wir müssen unseren Lesern gewiss nicht beschreiben, wie das so läuft in Sachen Informationsaustausch und Absprachen untereinander. Wie arbeiten Sie mit den Medien zusammen – wie sieht Ihre Informationspolitik oder -Taktik aus?

Der Fußball nimmt sich generell viel zu wichtig, ich schließe uns Berater da auch gar nicht aus. Das alles beeinflusst das Leben von Frau Meier von gegenüber rein gar nicht. Und selbst angesichts der Vollblut-Fans, die jede noch so kleine Randnotiz bewegt und deren Alltag extrem danach getaktet ist, erlaube ich mir zu sagen: Die sollten das oder besser sich mal hinterfragen. Bei aller Lust auf Fußball. Meine Medientaktik ist derweil simpel: Ich strebe maximale Offenheit im Umgang miteinander an.

Ist das eher ein Mit- oder ein Gegeneinander?

Da verfahre ich nach Schiedsrichter-Prinzip: Wer mein Vertrauen einmal missbraucht oder Mist verzapft, sieht die gelbe Karte. Werde ich ein zweites Mal hintergangen, gibt’s Rot.

Raten Sie den Spielern im Umgang mit den Medien heutzutage bisweilen zu anderen Verhaltensmustern als vielleicht noch zu Ihrer Rogon-Zeit Anfang des Jahrtausends?

Absolut. Seinerzeit folgte ich dem – beinahe ausschließlich – geschäftlichen Ansatz: Je mehr Öffentlichkeit für unsere Klienten, desto besser. Das hat sich komplett geändert. Heute vertrete ich die Auffassung: Weniger ist mehr. Ein Dozent an der Uni hat mich mal inmitten einer Prüfung in meinem Redeschwall, mit dem ich mein Unwissen überspielen wollte, unterbrochen und gesagt: ‚Wer viel redet, der weiß nix.’ Und ich sage heute entsprechend: Wenn ein Sportler besonders viel von sich preisgibt und sich ständig mitteilt, muss er es ja nötig haben. Da reicht es wohl nicht, die eigene Leistung sprechen zu lassen.

In diesem Sinne: Welche Zeile würden Sie über unser Interview setzen?

Siehe oben (lacht)

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