Business Goals (2) – Die WM ist wie eine Reise Dennis Trautwein
Die WM-Kolumne von Dennis Trautwein

Business Goals (2) – Die WM ist wie eine Reise

  • Dennis Trautwein
‚Dobryy den' aus Moskau! Ich bin im Land der 21. FIFA Fußball-WM angekommen. Und bereits im WM-Modus. Natürlich ist hier vor Ort zunächst einmal nichts mehr wirklich neu für mich. Seit knapp drei Jahren schon pendle ich zwischen Düsseldorf und Moskau bzw. St. Petersburg – den beiden Städten, die mit insgesamt 21 Begegnungen, inklusive dem Eröffnungsspiel, beiden Halbfinals und dem Endspiel bei dieser WM klar im Fokus stehen. Nach russischen Verhältnissen ist die Distanz zwischen beiden Städten, rund 700 km, ein Katzensprung. Der WM-Schwerpunkt liegt ohnehin im europäischen Teil des Landes – aus organisatorischer und logistischer Sicht durchaus hilfreich.
Wir haben mit Blick auf die WM in Russland sehr frühzeitig – vor vier Jahren – damit begonnen, WM-spezifische Strukturen dort einzuziehen. Haben mit ausreichend viel Vorlaufzeit und einer Hand voll Mitarbeitern Dienstleister an den Standorten gesucht, einheimische Firmen, aber auch große internationale Partner mit Russland-Expertise, beispielsweise Logistik-Unternehmen, und im Sommer 2015 dann ein Octagon-Büro in Moskau eröffnet. Danach wurde der Markt sukzessive verstärkt. Es wurden Mitarbeiter vor Ort rekrutiert, überwiegend russische, aber auch internationale Kollegen in den Markt geschickt, um den Wissenstransfer möglichst reibungslos zu gestalten, die Vernetzung mit unserem globalen Netzwerk wurde immer engmaschiger. Jetzt besteht unser Team für den WM-Zeitraum aus über 200 Leuten. Im Kern sind wir 80 Leute in Moskau. Auch an unseren Standorten in Europa haben wir sieben russisch sprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, um die internationalen Kunden bestmöglich zu betreuen. Ich spreche leider nur ein paar Wörter russisch. Aber natürlich ist Englisch Amtssprache der FIFA – das erleichtert die Kommunikation ungemein. Zumal sich auch die Strukturen des Weltverbands vor einer WM zunehmend ins Austragungsland verschieben.

Die Besonderheiten im FIFA-Umfeld zu kennen und gute Kontakte zu pflegen, ist in unserem Job essentiell. Auch, um flexibel bleiben zu können, Informationswege im Sinne unserer Auftraggeber abkürzen zu können. Zur Handlungsfähigkeit gehört eben mehr als fachliches Know-How. Ein WM-Projekt ist wie eine Reise. Wir verstehen uns dabei als Reisebegleiter unserer Partner. Es gibt allerdings nicht nur vorgefestigte Wege und allgemein gültige Reiseführer. Natürlich konnten beim Confed-Cup letztes Jahr schon mal Abläufe und Prozesse geübt werden, unter anderem dafür gibt es ihn ja auch – aber die WM selbst ist eben vielfach gigantischer. Wir sprechen von 32 Teams, 64 Partien an elf Standorten in zwölf Stadien, dazu die großen FIFA Fan-Feste an allen Spielorten. 2010 und 2014 hatten sich viele lokale Subunternehmer, wie beispielsweise Produzenten von Messeständen, Hostessen-Services, Staff-, Merchandising- und Equipment-Provider, schlicht übernommen und konnten nicht abliefern. Solche Firmen sehen die Chance, einmal Teil einer WM zu sein und daran zu partizipieren. Da überschätzen sich dann viele. Oder riskieren ganz bewusst – zu – viel.

Derartige Erfahrungen muss man mitnehmen auf die nächste ‚Reise’. Die Auswahl verlässlicher Partner und Planung logistischer Abläufe bringt man gut drei Jahre vor der WM schon in Bewegung. Dementsprechend sollte man über die damit zusammenhängenden Fragen schon lange nachgedacht haben, bevor man sich der eigentlichen Kampagne widmet.

Ich werde darauf in den folgenden Beiträgen noch näher eingehen – und natürlich auch auf die Vergabe der WM 2026. USA/Mexiko/Kanada oder doch Marokko? Auf dem FIFA-Kongress am 12./13. Juni in Moskau wird darüber entschieden. Ich schätze, aus Sicht der FIFA wäre nach den großen Abenteuern Südafrika, Brasilien, Russland und Katar mit Blick auf Infrastruktur, Sponsoren, Logistik und Organisation eine Austragung in Nordamerika die berechenbarere Variante. Zumal 2026 erstmals mit 48 Teams gespielt wird. Doch warten wir es ab. Es bleibt in jeder Hinsicht spannend. Ich spüre es selbst: Seit meiner Ankunft hat die Anziehungskraft der WM noch einmal zugenommen. It’s Crunchtime! In diesem Sinne: Bis bald. Pünktlich zum Eröffnungsmatch melde ich mich wieder!

Ihr Dennis Trautwein


trautweinZur Person: Dennis Trautwein (Vice President Octagon Germany)

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war auch Dennis Trautweins ganz persönliches Sommermärchen – die erste WM-Teilnahme des damals 26-Jährigen: Sein Job im WM-Organisation-Komitee war der perfekte Einstieg ins Berufsleben. Und ein prägender. Denn Fußball-Weltmeisterschaften sollten auch nach seinem Wechsel zu Octagon Germany im Jahr 2007 eine große Rolle für den heute 38-Jährigen spielen. Sein strategischer Fokus lag in der Folge auf den FIFA WM-Turnieren 2010, 2014 – und aktuell natürlich auf der WM 2018 in Russland. Dennis Trautwein ist hierzulande einer der führenden Sportmarketingexperten – und absoluter Szenekenner.


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