Geschichte der Fußball-Europameisterschaft picture alliance

Geschichte der Fußball-Europameisterschaft

  • Marco Heibel
Die Fußball-Europameisterschaft hatte keinen einfachen Start. Im Schatten der bereits seit 1930 ausgetragenen Weltmeisterschaft musste das Turnier lange um Anerkennung kämpfen. Mittlerweile ist die Kontinentalmeisterschaft fast genauso prestigeträchtig. Nicht wenige behaupten sogar, dass der EM-Titel schwieriger zu erringen ist als die Weltmeisterschaft.

„Eine Europameisterschaft, was soll das bitte?!“ Bundestrainer-Legende Sepp Herberger war alles andere als angetan von der Idee, an einem Turnier teilzunehmen, das in seinen Augen nur die Konzentration auf die Weltmeisterschaft stört. So kam es, dass der Deutsche Fußball-Bund dankend von einer Teilnahme an den ersten beiden EM-Turnieren 1960 und 1964 absah. Erst 1968, als man festgestellt hatte, dass sich der EM-Pokal doch ganz gut im Schrank der Frankfurter DFB-Zentrale machen würde, trat die mittlerweile von Helmut Schön trainierte Auswahl an – und verpasste durch ein 0:0 in Albanien prompt die Qualifikation für die Endrunde. Es ist bis heute das einzige Mal, dass Deutschland sich nicht sportlich für eine EM- oder WM-Endrunde qualifizieren konnte.



Diesen Fauxpas hat die Mannschaft aber mittlerweile korrigiert. Bei ihren bislang zehn Teilnahmen bis 2008 (Rekord) gewann Deutschland drei Mal den Titel (Rekord), wurde drei Mal Zweiter (Rekord) und erreichte sieben Mal mindestens das Halbfinale (ebenfalls Rekord). Unrühmlich waren allein die Turniere 1984, 2000 und 2004, als man bereits in der Vorrunde die Segel streichen musste. Doch wir wollen nicht nur über die EM aus deutscher Sicht berichten, das werden wir in den kommenden Wochen ohnehin zur Genüge tun.

1960 bis 1968: Die Europameisterschaft kämpft um Anerkennung


Sepp Herberger war nicht der einzige, der sich zunächst wenig für das neue Turnier erwärmen konnte. Dabei ist die Idee der Europameisterschaft gar nicht so neu gewesen. Vielmehr wurde in den 1920er Jahren mit dem „Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften“ bereits ein Vorläufer ausgespielt. Allerdings nahmen an diesem Turnier, das bis 1960 sechs Mal ausgetragen und das stets über mehrere Jahre ausgespielt wurde, fast nur süd- und osteuropäische Mannschaften teil.

Die erste „richtige“ Europameisterschaft 1960 war eine spärliche Veranstaltung. Neben Deutschland verzichteten auch die Fußball-Großmächte England und Italien auf eine Teilnahme. Bereits bei der ersten Auflage wurde jedoch der Modus des „Final Four“ durchgeführt, welcher bis 1976 beibehalten werden sollte. Die vier Halbfinalisten konnten sich hierbei als Gastgeber für die Endrunde mit zwei Semifinals, einem Spiel um Platz 3 und einem Endspiel bewerben. Bei der Premiere 1960 ging der Zuschlag an Frankreich, den Turniersieg holte sich die Sowjetunion mit einem 2:1 nach Verlängerung gegen Jugoslawien.

1964 verzichtete dann nur noch die DFB-Auswahl freiwillig. Der Titel ging an die Spanier, die auch Gastgeber der Endrunde waren. 1968 wollte endgültig ganz Europa mitspielen. Der Titel ging an Ausrichter Italien, das ein Wiederholungsspiel benötigte, um die Jugoslawen im Finale zu bezwingen (1:1 nach Verlängerung, 2:0).

1972 bis 1980: Die deutschen Jahre


Die folgenden drei Turniere wurden von der deutschen Nationalmannschaft geprägt. 1972 gewann die – bis heute – vermeintlich beste DFB-Elf aller Zeiten in souveräner Manier den Titel. Auf den sagenumwobenen ersten Sieg einer deutschen Nationalmannschaft in Wembley (3:1 im Viertelfinale) folgten beim Endturnier in Belgien zwei glanzvolle Siege gegen die Gastgeber im Halbfinale (2:1) und die Sowjetunion im Endspiel (3:0; zweimal Müller, einmal Wimmer).

1976 gelang der Elf von Helmut Schön beinahe die Wiederholung. Bei einem dramatischen Endturnier in Jugoslawien wurde im Halbfinale zunächst der Gastgeber nach 0:2-Rückstand mit 4:2 nach Verlängerung bezwungen. Dieter Müller traf bei seinem Länderspieldebüt dreifach. Auch im Endspiel von Belgrad konnte Deutschland einen 0:2-Rückstand gegen die Tschechoslowakei egalisieren. Der berühmte Fehlschuss von Uli Hoeneß im Elfmeterschießen und der anschließend frech in die Mitte gechipte Elfmeter des CSSR-Spielers Antonin Panenka bescherten jedoch den Osteuropäern den Titel.

1980 wurde die Euro-Endrunde dann erstmals auf acht Teilnehmer ausgeweitet. Das Turnier in Italien dauerte nun knapp zwei Wochen und wurde auch für die Medien immer interessanter. Deutschland bot dem Vernehmen nach spielerisch eine katastrophale Leistung – der Autor dieses Artikels war damals noch nicht geboren und kann sich nur auf Medienberichte berufen –, erreichte aber beim torärmsten EM-Turnier der Geschichte das Finale und bezwang dort die Belgier durch einen Doppelpack von Horst Hrubesch mit 2:1.

1984 bis 1992: Neue Sieger


1984 in Frankreich drückte der Gastgeber dem Turnier den Stempel auf. Die Équipe Tricolore, bei den WM-Turnieren 1982 und 1986 jeweils Dritter, erlebte in dieser Zeit seine erste große Blüte und gewann mit begeisterndem Offensivfußball souverän den Titel. Vor allem ihr Spielmacher, der heutige UEFA-Präsident Michel Platini, prägte das Turnier. Seine neun Treffer in fünf Spielen sind nicht nur Rekord für eine Endrunde, mit dieser Bilanz führt Platini auch bis heute die ewige EM-Torjägerliste an.

1988 fand die Endrunde zum ersten und bislang einzigen Mal in Deutschland statt. Zwei Jahre vor dem überlegenen Gewinn der Weltmeisterschaft in Italien mangelte es dem Team von Franz Beckenbauer aber noch an spielerischer Reife. Im Halbfinale war gegen die Niederländer um die überragenden van Basten, Gullit, Rijkaard und Koeman Schluss. „Oranje“ holte sich schließlich gegen die Sowjetunion im Finale auch den Titel. Und das ausgerechnet in München, dem Ort, wo die vermeintlich größte Generation der Niederländer um Johan Cruyff 1974 das WM-Finale verlor.

Bei der Europameisterschaft 1992 stand alles im Zeichen eines erneuten Duells Deutschland – Niederlande. Doch niemand hatte die Dänen auf der Rechnung gehabt, die erst kurz vor Turnierbeginn für die wegen des Bürgerkriegs im eigenen Land ausgeschlossenen Jugoslawen nachrückten, keine richtige Vorbereitung hatten und ohne Druck aufspielen konnten. In der Vorrunde waren erst die Engländer und Franzosen fällig, im Halbfinale die Niederländer und im Finale die von Berti Vogts trainierten Deutschen.

1996: Football’s coming home


Die Europameisterschaft in England war ein besonderes Turnier. Erstmals nahmen 16 Mannschaften an einer Endrunde teil, gespielt wurde in einigen der traditionsreichsten Stadien Europas: Wembley, Old Trafford oder Anfield beherbergten die besten Mannschaften des Kontinents. Deutschland gewann den Titel im Finale gegen das Überraschungsteam aus Tschechien durch das Golden Goal des heutigen Nationalmannschaftsmanagers Oliver Bierhoff mit 2:1. Das beste Spiel des Turniers war aber das dramatische Halbfinale zwischen Deutschland und England in Wembley (7:6 nach Elfmeterschießen), in dem beide Mannschaften mehrere Gelegenheiten ausließen, das Spiel vorzeitig durch Golden Goal zu entscheiden.

2000: Frankreich wie vom anderen Stern


Der amtierende Weltmeister aus Frankreich legte bei der Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden die Messlatte für die Konkurrenz zu hoch. Mit brillantem Fußball sicherte sich die Mannschaft um Starspieler Zinédine Zidane ihren zweiten EM-Titel. Einzig die an ihrer Arroganz und ihrer Schwäche vom Elfmeterpunkt gescheiterten Niederländer und der mauernde Finalgegner aus Italien waren phasenweise in der Lage, die Franzosen an ihre Grenzen zu bringen. Das von Erich Ribbeck „trainierte“ Deutschland verabschiedete sich mit seiner schwächsten Turniervorstellung aller Zeiten (1 Punkt, 1:5 Tore) bereits nach der Vorrunde.

2004: Das griechische Fußballwunder


Schön und begeisternd haben sie nicht gerade gespielt, die Griechen. Mit Fünfer-Abwehrriegel mauerte sich die Mannschaft von Trainer Otto Rehhagel in Portugal zum Titel. Allerdings: Wer die spielerisch besten Mannschaften des Turniers (Frankreich, Tschechien, Portugal) in der K.O.-Runde ausschaltet, hat den Titel wohl doch irgendwo verdient. Wie sagte schon ein berühmter Freizeitphilosoph unserer Tage*: „Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg.“ Apropos Erfolg: Den hatte die deutsche Mannschaft auch 2004 nicht. Mit einer unwesentlich besseren Bilanz als vier Jahre zuvor (2 Punkte, 2:3 Tore) war auch für Rudi Völler und seine Mannen bereits nach der Vorrunde Schluss.

2008: Triumph des ewigen Viertelfinalisten


Die „Bergtour“ in Österreich und der Schweiz war das erste Turnier von Jogi Löw als Bundestrainer. Mit der Hypothek der schwachen Europameisterschaften 2000 und 2004 im Gepäck, tat sich der WM-Dritte in der Vorrunde schwer und zitterte sich ins Viertelfinale. Dort zeigte die die DFB-Elf jedoch ihre beste Turnierleistung und bezwang den Favoriten Portugal mit 3:2. Im Halbfinale folgte ein glückliches, aber nicht unverdientes 3:2 gegen die Türken. Der Weg zum Titel schien frei, wartete im Finale doch „nur“ Spanien. Die Iberer waren bis dahin so etwas wie der Lieblingsgegner der deutschen Mannschaft, hatten der DFB-Auswahl außer beim EM-Aus 1984 in wichtigen Spielen nie weh getan. Doch ab 2008 war alles anders: Der „ewige Viertelfinalist“ war nicht nur spielerisch die beste Mannschaft des Turniers, sondern war auch abgeklärt wie nie. Die Seleccion demontierte die Löw-Elf im Finale von Wien – auch wenn die Partie „nur“ 0:1 endete. Nach der Neuauflage im WM-Halbfinale von 2010 mit dem gleichen Ergebnis ist für 2012 noch eine Rechnung offen…

*Dieter Bohlen

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